• 26.02.2010 11:01

Liuzzi: "Das Rennen wird deutlich stressiger"

Force-India-Fahrer Vitantonio Liuzzi im Interview über den neuen VJM03, seinen Eindruck vom Kräfteverhältnis und die neuen Formel-1-Regeln

(Motorsport-Total.com) - Nach bislang drei Testwochen ist Vitantonio Liuzzi davon überzeugt, dass sein Rennstall in der Winterpause der Formel 1 gute Arbeit geleistet hat. Mit dem neuen VJM03 ist der italienische Rennfahrer sehr zufrieden und rechnet sich gute Chancen darauf aus, 2010 regelmäßig in die Punkte zu fahren. Wie viele Fahrerkollegen, so tut sich allerdings auch Liuzzi schwer damit, das Kräfteverhältnis einzuschätzen. In seiner Medienrunde spricht der 28-Jährige über seine Eindrücke.

Titel-Bild zur News: Vitantonio Liuzzi

Vitantonio Liuzzi blickt zuversichtlich in die Zukunft und will 2010 reichlich Punkte

Frage: "Vitantonio, welches Programm hast du am Donnerstag abgespult und welche Eindrücke konntest du gewinnen?"
Vitantonio Liuzzi: "Als wir am Donnerstagmorgen bemerkten, dass die Strecke noch sehr grün war, konzentrierten wir uns auf unterschiedliche Arbeiten. Es ging zunächst nicht so sehr darum, den Wagen zu verstehen, sondern darum, das Team bei den Boxenstopps auf Tempo zu bringen. Das waren also Vorbereitungen für das Rennen. Darauf lag am Donnerstag unser Fokus. Ab Freitag wollen wir uns dann um das Fahrzeug kümmern, das Setup optimieren und eine gute Rennbasis finden. Wir möchten verschiedene Dinge ausprobieren."#w1#

Frage: "Das Team steht in diesem Jahr besonders unter Druck, denn die Boxenstopps müssen richtig schnell erfolgen. Hat sich dadurch etwas für den Fahrer verändert? Ist der Druck, präzise in die Boxengasse und wieder herauszufahren jetzt noch größer?"
Liuzzi: "In der Vergangenheit war es halt so, dass man sich beim Boxenstopp etwas länger entspannen konnte - auch wenn man natürlich immer aufmerksam sein muss. Wenn der Lollipop hochgeht, musst du schließlich sofort losfahren. Es war einfach anders. In diesem Jahr hast du hingegen kaum Zeit, um durchzuatmen."

"Das Rennen wird für den Fahrer dadurch deutlich stressiger. Es gibt vieles, über das man sich Gedanken machen muss. 2009 haben wir uns quasi ständig in einer Qualifikationseinheit befunden, doch in diesem Jahr musst du an die Reifen und den Benzinverbrauch denken. Wenn du etwas feinfühliger mit dem Gaspedal umgehst, kannst du Sprit sparen. Solche Dinge könnten sich am Ende des Rennens durchaus bezahlt machen."

Liuzzi: Der VJM03 ist ein Fortschritt

Frage: "Kannst du fühlen, dass der VJM03 ein Fortschritt im Vergleich zum Vorjahresauto ist?"
Liuzzi: "Wir glauben fest daran, einen großen Schritt nach vorne gemacht zu haben. Das ist keine Frage. Wir müssen allerdings erst einmal abwarten, was die anderen im Winter getrieben haben. Wenn man sich die Zeitentabelle ansieht, kann man nur schwer einschätzen, wo sich die anderen Teams befinden."

"Manche Autos scheinen konkurrenzfähig zu sein, manche sind zuweilen nicht gut dabei. Wir wissen jedenfalls, dass uns gute Fortschritte gelungen sind. Das Team hat großartige Arbeit geleistet. Im vergangenen Jahr waren wir im Hinblick auf die Entwicklung vielleicht das stärkste Team. Wir haben damit weitergemacht, im Windkanal einen richtig guten Job zu machen. Wir sind hochzufrieden."

"Wir wissen, dass uns gute Fortschritte gelungen sind." Vitantonio Liuzzi

"Es wäre allerdings übertrieben, zu sagen, dass wir ein Siegerauto haben. Sehr schwierig, denn wir wissen ja nicht, wo die anderen sind. Unser Ziel ist es aber jedenfalls, das Auto regelmäßig in die Punkteränge zu schaffen. Wir wollen konstant um WM-Zähler kämpfen. Ich denke, davon sind wir nicht allzu weit entfernt - wenn man sich die Ergebnisse der vergangenen drei Testwochen zu Gemüte führt."

Frage: "Was hältst du von den neuen, schmaleren Frontreifen?"
Liuzzi: "Das Fahren ist dadurch etwas einfacher geworden, weil das Auto auf der Vorderachse etwas leichter ist. Es reagiert zudem ein bisschen langsamer. Dennoch ist es das beste Fahrzeug, das ich jemals gefahren bin. Aus diesem Grund würde ich sagen, dass wir gute Fortschritte gemacht haben. Trotz des größeren Benzintanks und der schmaleren Frontreifen ist das Handling des Autos richtig gut."

"Die Reifen sind natürlich ein Schwachpunkt, doch unser Auto kann diese Schwäche wettmachen." Vitantonio Liuzzi

"Ich war regelrecht beeindruckt davon, wie sich das Fahrzeug auf der Strecke verhält. Die Reifen sind natürlich ein Schwachpunkt, doch unser Auto kann diese Schwäche wettmachen. Das wird für alle Teams sehr wichtig sein. Die Reifen sorgen mitunter schließlich für eine gewaltige Balanceveränderung am Auto. Da stehen wir aber sehr gut da, denke ich."


Fotos: Force India, Testfahrten in Barcelona


Die Neueinsteiger haben eine andere Ausgangslage

Frage: "Das Team hat in James Key wenige Wochen vor der neuen Saison einen neuen Technischen Direktor bekommen. Hat das einen Einfluss auf die Arbeit oder die Vorbereitungen?"
Liuzzi: "Nein, ich denke nicht. James hat das Team in der Vergangenheit schwer unterstützt. Das war gut für uns. Sehr schade, dass er uns verlassen hat, denn ich habe es sehr genossen, mit ihm zu arbeiten."

"Aber solche Veränderungen kommen in jedem Rennstall vor. Ich denke, wir haben eine gute Struktur um Mark Smith und den Rest der Leute, die im Windkanal engagiert sind. Es gibt viele Jungs, die sich auf technischer Seite nicht nur dem Jahr 2010, sondern bereits der Saison 2011 widmen. Wir bauen unsere Infrastruktur noch immer aus, was uns kaum einer abnimmt."

"Jeder hält uns ja schließlich für ein kleines Team. Wir haben aber viele gute Leute in der Hinterhand. Wir werden in meinen Augen also nicht allzu sehr darunter leiden, dass er gegangen ist. Wir wünschen ihm alles Gute, denn er stellt sich einem neuen Abenteuer. Aber das gehört zum Geschäft. Das Fahrerlager ist klein und solche Sachen kommen oft vor."

"Wir haben viele gute Leute in der Hinterhand." Vitantonio Liuzzi

Frage: "Force India hielt sich bislang zumeist im Hinterfeld der Formel 1 auf. Hältst du den Abstand der neuen Rennställe um Lotus und Virgin für ähnlich, wie den Rückstand, den Force India in den vergangenen Jahren aufwies?"
Liuzzi: "Eher nicht. Na klar war Force India am Anfang hinten, aber das war auch bei Toro Rosso und Red Bull so. Jeder, der neu anfängt, beginnt bei Null. Wenn du keine gute Ausgangsbasis und keine starke Vergangenheit hast, dann ist es natürlich schwierig, gleich ein Siegerteam zu sein."

"Force India hat von Anfang an ein gutes Debüt hingelegt - auch wenn wir am hinteren Ende der Startaufstellung waren. Wir lagen im Hinblick auf die Rundenzeiten allerdings nie allzu weit zurück. Das Team kam eben in einer überaus konkurrenzfähigen Phase in die Formel 1. Der Abstand vom ersten bis zum letzten Auto betrug zu dieser Zeit gerade einmal 1,5 oder 1,8 Sekunden."

"Der Wagen war also schon recht gut. Drei oder vier Jahre eher wäre das Team mit diesem Auto aber sicherlich nicht Letzter gewesen, sondern bereits im Mittelfeld. Wir haben aber gezeigt, dass wir ein gutes Team sind. Wir haben 2009 umfangreiche Entwicklungen gebracht."

"Wir haben gezeigt, dass wir ein gutes Team sind." Vitantonio Liuzzi

"Wenn man sich nun die Rundenzeiten ansieht und im Hinterkopf hat, was bei den bisherigen Testfahrten alles passiert ist, denke ich doch, dass die neuen Teams um Lotus noch etwas härter arbeiten müssen, um näher an die Meute heranzurücken."

"Die Lücke ist einfach deutlich größer. Die Situation ist nun aber eine andere, weil es wieder Regeländerungen gegeben hat. Das macht ihnen das Leben vielleicht noch schwerer. Wir hatten damals eine andere Ausgangslage."

Liuzzi brennt auf die neue Saison

Frage: "Denkst du, dass der Abstand zwischen Force India und den Topteams wieder recht gering ausfällt - wie schon im vergangenen Jahr?"
Liuzzi: "Meiner Meinung nach haben wir uns verbessert und sind näher herangekommen. Aus diesem Grund erwarten wir, mit dem Team zu einem konstanten Punktesammler zu avancieren. Wir wollen einen guten Kampf in der Punkteregion austragen."

"Das ist natürlich nicht gerade einfach, wenn man sich mit großen Herstellern wie Ferrari, Mercedes oder McLaren auseinander setzen muss. Diese Teams sind immer vorne mit dabei. Ich gehe aber davon aus, dass die Lücke kleiner ist, als noch 2009. In diesem Jahr kommt es allerdings nicht nur auf den Rückstand an. Vieles hängt von der Renngeschwindigkeit ab. Das könnte in den Ergebnissen für einen großen Unterschied sorgen."

"Vieles hängt von der Renngeschwindigkeit ab." Vitantonio Liuzzi

Frage: "Als du im vergangenen Jahr dein Debüt für Force India gegeben hast, warst du auf Anhieb gut dabei - obwohl du monatelang kein Formel-1-Auto bewegt hattest. Wie viel mehr bereit fühlst du dich nun für die vor dir liegende Aufgabe?"
Liuzzi: "Ich fühle mich nun wie ein richtiger Rennfahrer. Im vergangenen Jahr tat sich für mich die Möglichkeit auf, ins Auto zu springen."

"Das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Darauf hatte ich schließlich seit eineinhalb Jahren gewartet. Ich selbst habe die Hoffnung niemals aufgegeben. In Gedanken war ich immer ein Rennfahrer. Glücklicherweise konnte ich dann gleich zu Beginn eine starke Pace hinlegen. In diesem Jahr müssen wir sicherstellen, dass wir zu einhundert Prozent vorbereitet sind."

"Ich selbst habe die Hoffnung niemals aufgegeben." Vitantonio Liuzzi

"Jetzt bewegen wir uns auf einem Niveau mit den anderen, auch wenn wir deutlich weniger Testfahrten haben, als noch in der Vergangenheit. Die Testregeln haben sich schwer verändert. Jetzt müssen wir halt Farbe bekennen. 2009 konnte ich gleich richtig schnell fahren, weil das Auto auf dieser speziellen Art von Rennstrecke prima funktionierte. Hoffentlich können wir in diesem Jahr in Bahrain einen ähnlichen Start hinlegen."

Alonso und Ferrari an der Spitze?

Frage: "Welches Team ist deiner Meinung nach im Augenblick die Nummer eins?"
Liuzzi: "Das ist schwer zu sagen. Die Benzintanks sind so groß, dass du im Prinzip kaum eine Auskunft über die anderen Teams geben kannst. Manche Teams halten sich vielleicht noch etwas zurück, andere machen möglicherweise schon Druck. Das ist alles sehr schwierig."

"Wir gehen natürlich davon aus, dass Rennställe wie Ferrari, McLaren und Mercedes zu Beginn um die Spitze kämpfen. Vielleicht ist auch Red Bull in dieser Gruppe mit dabei. Leider kann man das nicht so einfach erkennen. Wir arbeiten weiterhin an der Telemetrie und denken darüber nach, was die anderen machen. Da kannst du dir aber nicht wirklich sicher sein. Bis Bahrain werden wir keine Gewissheit haben."

"Bis Bahrain werden wir keine Gewissheit haben." Vitantonio Liuzzi

Frage: "Was hältst du von Fernando Alonso und seinem bisherigen Auftreten?"
Liuzzi: "Fernando und Ferrari sind sicherlich die beste Kombination, die man haben kann, denke ich. Ich hatte schon immer großen Respekt vor Fernando. Ferrari hat in diesem Jahr mit einer ganz anderen Geschwindigkeit begonnen, als noch 2009. Sie könnten in dieser Saison der Maßstab sein. Die anderen werden es ihnen aber gewiss nicht einfach machen."