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  • 31.10.2014 00:36

  • von Dieter Rencken & Roman Wittemeier

Leben und leben lassen: Kaltenborn nimmt FIA in die Pflicht

Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn über die anhaltende finanzielle Schieflage in der Formel 1: Forderung nach Solidarität, dringender Appell an die FIA

(Motorsport-Total.com) - Die finanziellen Probleme in der Königsklasse haben die ersten zwei Opfer gefordert: Marussia und Caterham können das teure Spiel auf der großen Bühne nicht mehr mitspielen und sind mindestens beim Grand Prix der USA in Austin nicht am Start. Vor dem Hintergrund der Pleite der beiden kleinen und noch jungen Teams hat die FIA wieder einmal bekräftigt, dass man dringend um nachhaltige Sparpläne in der Formel 1 bemüht sei.

Titel-Bild zur News: Monisha Kaltenborn

Macht sich Sorgen um Sauber und die gesamte Formel 1: Monisha Kaltenborn Zoom

"Der Sport muss insgesamt gestärkt werden, dann kann er von anderer Stelle auch besser vermarktet werden", stellt Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn dar. "Es muss sichergestellt sein, dass die Teams überleben können. Es muss Regelungen für die Kosten geben, sodass sie nicht explodieren. Wenn diese Dinge erfüllt sind, dann kann man sich um Bereiche wie zum Beispiel die Verbesserung der Show kümmern. Alles hängt letztlich sowieso voneinander ab."

"Es sollte einen gewissen Sockelbetrag geben, der es allen Teams ermöglicht, halbwegs vernünftig leben zu können. Niemand muss es luxuriös haben. Aber man darf nicht vergessen, dass die teilnehmenden Teams viel investiert haben, um wenigstens auf dieses Level zu kommen", sagt die Österreicherin, deren Mannschaft auch nicht gerade auf Rosen gebettet ist. "Das Engagement muss doch respektiert werden in der Form, dass es einen Grundbetrag für alle geben muss, der das Überleben ermöglicht."

"Die Unterschiede ergeben sich dann sowieso automatisch aufgrund der verschiedenen Marken. Ein Team wie Ferrari wird immer ganz andere Sponsorengelder generieren können als beispielsweise Sauber", meint Kaltenborn. "Man muss ein Umfeld schaffen, in dem die kleinen Teams nicht mehr so stark leiden müssen. Der Spruch 'Wer es sind nicht leisten kann, sollte nicht in diesem Sport sein' ist doch überholt", sagt sie mit Blick auf die unnachgiebige Haltung von Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone.

Die Großen allein machen die Show nicht fett

Kaltenborn will einen Sockelbetrag für alle Teams aus dem Vermarktungstopf, kann aber keine konkrete Summe nennen. "Es müsste auf jeden Fall etwas mehr sein als jetzt, damit die grundlegenden Dinge abgesichert sind", erklärt die Sauber-Teamchefin. "Man muss sich genau anschauen, was wirklich erst einmal notwendig ist, um überhaupt an diesem Sport teilnehmen zu können. Da müsste ich jetzt in die eigenen Bücher schauen, um eine genaue Summe nennen zu können."

"Wenn ein kleines Team die schwierige Situation klar benennt, dann heißt es immer, man solle nicht ständig klagen. Aber es geht hier um den gesamten Sport, und dieser Sport braucht auch die kleineren Teams", so Kaltenborn. "Wenn diese Vielfalt verloren geht, dann wird es weniger interessant. Oder aber es bleiben drei oder vier große Marken, von denen jeweils andere abhängen, die aber zum Verlieren verdammt sind. Das kann auf Dauer auch nicht funktionieren."

"In allen anderen Umfeldern ist man um Vielfalt und gesunden Wettbewerb bemüht, nur in der Formel 1 macht man es nicht. Niemand kann erklären, warum das so ist", stellt die Österreicherin ihre Sicht der Dinge dar. Sie nimmt eindeutig die FIA in die Pflicht: "Aus meiner Sicht ist diesbezüglich zuallererst der Verband gefordert, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen." Allerdings habe es schon mehrfach Versprechen seitens der FIA gegeben, aber eingehalten wurden diese bislang nicht. In der Formel 1 werden immer noch Unsummen ausgegeben.


Fotos: Großer Preis der USA


Wenn es allerdings um die Ausschüttung der Vermarktungserlöse geht, dann ist in erster Linie nicht die FIA gefragt, sondern Bernie Ecclestone und die Formula One Management (FOM). Die Teams haben ihre kommerziellen Verträge mit dem Vermarkter geschlossen. Darin sind die Details der Ausschüttungen geregelt. Die FIA hat mit diesem Konstrukt nur indirekt zu tun. "Es liegt aber an der FIA, genau zu beobachten, ob es etwas gibt, was dem Sport schadet - also dass die Reputation des Produkts nicht leidet", sagt Kaltenborn.

Wo bleibt der Zusammenhalt der Teams?

"Die entsprechenden kommerziellen Vereinbarungen wurden mit der FOM getroffen. Aber hier muss man das Gesamtbild betrachten", meint sie. "Jeder Vertrag ist änderbar. Zwingen kann man niemanden, aber an die Vernunft appellieren." Bislang hat Ecclestone - zumindest in der Öffentlichkeit - jedoch nie den Eindruck erweckt, als sei ihm an einer veränderten Verteilung der Einnahmen gelegen. Vor allem die die Top- und Traditionsteams vergibt der Brite gern Bonbons. So bekommt Ferrari seit Jahren einen hohen Bonus aus dem Einnahmentopf - völlig unabhängig vom sportlichen Abschneiden.

"2008 oder 2009 waren viele Hersteller engagiert, aber damals hat es eine Art Solidarität gegeben. Damals war allen klar, dass es allen dient, wenn der Sport insgesamt gesund ist. Und diese gemeinsame Basis gibt es doch noch. Es geht bei allen erst einmal ums Überleben", sagt die Sauber-Teamchefin. Bei diesem Appell an die Solidarität scheint Kaltenborn jedoch ein interessantes Detail zu übersehen: Sauber trat als eine der ersten Mannschaften aus der ehemaligen Teamvereingung FOTA aus - so viel zum Zusammenhalt.

Bernie Ecclestone

Sieht immer ein Licht am Ende des Tunnels: Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone Zoom

"Dafür muss man nicht einer Organisation angehören. Man muss sich zusammensetzen, eine gemeinsame Position herausarbeiten und dann auch dazu stehen", argumentiert sie. "Ich gehe nicht davon aus, dass unter den aktuellen Voraussetzungen das Feld in dieser Form noch viele Jahre so bestehen könnte. Auch wir hatten schon unsere schwierigen Phasen. Hinzu kommt, dass Hersteller kommen und gehen. Und was bleibt dann am Ende? Die Macher der Serie müssen dringend darauf schauen, was mit ihrem Produkt gerade passiert."