• 05.05.2011 08:36

Lauda: Renault fehlt der Top-Fahrer

Niki Lauda sieht Sebastian Vettel teamintern gegenüber Mark Webber im Vorteil - Mercedes noch nicht siegfähig - Renault wäre mit Robert Kubica stärker

(Motorsport-Total.com) - Der dreifache Formel-1-Weltmeister Niki Lauda analysiert regelmäßig die Rennen der Königsklasse für 'RTL'. Nach den ersten drei Grands Prix der Saison 2011 macht der Österreicher veränderte Ansätze in puncto Rennstrategie aus.

Titel-Bild zur News: Niki Lauda

Niki Laudas Meinung hat im Formel-1-Fahrerlager nach wie vor Gewicht

Im Interview beurteilt Lauda die derzeitigen Stärken und Schwächen der Teams Red Bull, McLaren, Ferrari, Mercedes und Renault und blickt voraus auf den Grand Prix der Türkei in Istanbul.

Frage: "Niki, was hältst du davon, dass die FIA 2013 neue 1,6-Liter-Turbomotoren mit vier Zylindern einführen will?"
Niki Lauda: "Ich halte wenig davon und verstehe auch nicht, warum man immer kleinere Motoren macht. Man erwartet von der Formel 1 ein starkes Drehwerk für hohe Geschwindigkeiten mit einem gewissen Lärmpegel, den jeder will. Wenn jetzt der neue Motor kommt, muss man sich überlegen, wie man den lauter macht."

"Aber viel wichtiger finde ich, dass sich die Automobilhersteller, die Mercedes, die Ferraris und die Renaults und wie sie alle heißen, auf das richtige Drehwerk der Zukunft einigen. Dadurch, dass die nie in der Lage sind, eine einheitliche Meinung abzugeben, kommt dann immer die FIA mit schlechten Kompromissen."

Frage: "Die Gerüchte halten sich hartnäckig, dass Rupert Murdochs News Corporation und die Investmentgruppe Exor die Formel 1 übernehmen wollen - trotz der Dementi von Bernie Ecclestone und Anteilseigner CVC. Wie denkst du darüber?"
Lauda: "Das sind in der Tat erst einmal Gerüchte, die ich deshalb nicht kommentieren will. Aber die CVC ist ein Investor. Und es liegt nun mal in der Natur der Sache, dass Investoren immer billig kaufen und nach einer gewissen Zeit wieder verkaufen wollen. Die Einstiegsambitionen von Murdoch kann ich nicht kommentieren, möglich ist es."

Red Bull nach drei Rennen dominierend

Frage: "Kommen wir zum aktuellen Geschehen: Drei Rennen sind gefahren, in Istanbul steht am Wochenende der Europa-Auftakt. Wie ist die allgemeine Ausgangssituation?"
Lauda: "Red Bull ist das dominierende Team, McLaren hat ein wenig aufgeschlossen und in China die Schwäche von Red Bull genutzt. Bei Ferrari stellt sich die Frage, inwieweit man die Schwächen aus den ersten drei Rennen hat analysieren und mit Blick auf Istanbul hat beheben können."

Frage: "Wo liegen die Hauptschwächen bei Ferrari bislang?"
Lauda: "Die Kombination aus neuen Reifen und Aerodynamik passt bei Ferrari noch nicht zusammen, deswegen ist man noch nicht schnell genug."

Frage: "Red Bull hat überzeugt bis jetzt. Trotzdem gab es in China doch ernstere technische Probleme. Ist das nicht auch ein bisschen besorgniserregend?"
Lauda: "Es gab keine ernsteren technischen Probleme. Dass in China eine abgerissene Antenne den Boxenfunk gestört hat, ist ein Detail am Rande. Allerdings hat Red Bull seit Anfang des Jahres ein KERS-Problem. In Wirklichkeit war in China die Strategie falsch. Und der kommt anders als noch im Vorjahr eine zentrale Bedeutung zu, wenn man bedenkt, dass einen das Nachlassen der Reifen heuer bis zu 1,5 Sekunden pro Runde kosten kann. So fällt es schon maßgeblich ins Gewicht, wenn man wie Vettel keine Dreistoppstrategie fährt."

Frage: "Was bedeutet das für das Rennen auf dem nicht gerade reifenschonenden Kurs von Istanbul?"
Lauda: "Das weiß jetzt noch keiner. Am Freitag müssen die Reifen geprüft werden, möglicherweise bei kühlen Temperaturen um die 14 Grad, womit auch Pirelli sicher nicht gerechnet hat. Am Samstag heißt es dann wieder rausfahren, prüfen und dann entscheiden. Das geht nur ad hoc, wenn man weiß, wie die Belastung der Reifen tatsächlich ausschaut."

"Es ist eine andere Art geworden, Autorennen zu fahren." Niki Lauda

Pirelli-Reifen verlangen Umdenken

Frage: "Sie favorisieren die Dreistoppstrategie - aber können nicht hier und da auch zwei Stopps ein probates Mittel sein?"
Lauda: "Natürlich, aber das hängt ganz davon ab, welche Temperaturen herrschen und welche Reifen Pirelli von Anfang an mitbringt."

Frage: "Und auch im Qualifying auf den ein oder anderen guten Startplatz zu verzichten, kann ein strategisches Mittel sein?"
Lauda: "Ja, wenn du einen neuen, weichen Reifensatz noch im Rennen zur Verfügung hast, kann tatsächlich auch dies eine sinnvolle Strategie sein."

Frage: "Das Stallduell Vettel vs. Webber bei Red Bull scheint mit der Freude Webbers über den Sieg Hamiltons in China eröffnet zu sein. Misst du dem eine größere Bedeutung bei?"
Lauda: "Nein, es ist vollkommen klar, dass Vettel, der als Weltmeister noch stärker in diese Saison gegangen ist, noch einen Schritt nachgelegt hat. Übers ganze Jahr gesehen wird Vettel immer der Schnellere sein."

Mercedes und Renault mit Nachholbedarf

Frage: "Mercedes hatte zuletzt in China einen klaren Aufwärtstrend und will in Istanbul mit weiteren Updates angreifen. Ist das Team jetzt bereits richtig wettbewerbsfähig"
Lauda: "In China hat Mercedes bis auf die Tankpanne Zeichen gesetzt, dass es jetzt unter gewissen Bedingungen richtig kompetitiv ist. Jetzt kommt es drauf an, was die nachlegen an Entwicklungen. Siege von Michael Schumacher oder Nico Rosberg sind im Moment unmöglich unter Normalbedingungen, das ist noch ein weiter Weg. Erst einmal muss es das Ziel sein, sich anstelle von McLaren zur zweiten Kraft hochzuarbeiten."

Frage: "Wie sehr bist du beeindruckt von der starken Performance von Renault?"
Lauda: "Renault hatte von Anfang an ein gutes Auto, aber das Team ist natürlich auch bis zu einem gewissen Grad limitiert durch seine Piloten Nick Heidfeld und Witali Petrow. Die machen zwar einen guten Job in diesem Auto, aber wenn es dann richtig um das letzte Quäntchen geht, fehlt natürlich der Topfahrer dort. Mit einem Robert Kubica würde ich Renault noch mehr zutrauen. Die Renaults werden immer wieder überraschen, unter Umständen mit weiteren Podiumsplätzen, aber ich glaube, damit wird es auch irgendwann vorbei sein."