powered by Motorsport.com

Kurios: Carlos Sainz missachtet Teamorder - und Mattia Binotto gefällt's

Carlos Sainz verneinte nach dem Safety-Car eine Ansage seines Ferrari-Teams, und Teamchef Mattia Binotto findet das mehr als nur in Ordnung

(Motorsport-Total.com) - Angesichts seines ersten Formel-1-Sieges dürfte Carlos Sainz am Abend des Silverstone-Rennens ziemlich gut schlafen. Die Frage ist, ob der Spanier auch nach der nächsten Teambesprechung noch eine geruhsame Nacht hat. Denn die Aktion in der Safety-Car-Phase dürfte bei der Scuderia noch für einige Diskussionen sorgen.

Titel-Bild zur News: Charles Leclerc, Carlos Sainz

Carlos Sainz wollte keine zehn Autolängen Abstand halten Zoom

Dort hatte sich Sainz der Anweisung seines Teams offen widersetzt. Ferrari bat ihn vor dem Restart, zehn Fahrzeuglängen Abstand zum führenden Leclerc zu halten, um diesem etwas Luft zu verschaffen. Denn Ferrari hatte den Monegassen nicht an die Box geholt, sodass er auf alten harten Reifen fuhr, während die Konkurrenz dahinter auf frischen Softs war.

Doch das Spiel wollte Sainz nicht mitspielen: "Jungs, ich stehe unter Druck von Hamilton. Bitte verlangt so etwas nicht von mir. Bitte. Bitte. Hört auf euch einzumischen", lautete seine Antwort am Funk.

Sainz hielt sich nicht an die Bitte und schnappte sich seinen Teamkollegen in einem harten Duell. Leclerc konnte sich anschließend zwar auch gegen Sergio Perez und Lewis Hamilton wehren, hatte aber trotzdem das Nachsehen und verpasste zum fünften Mal in Folge das Podium, während Sainz das Rennen gewann.

Sainz: "Werde immer Teamplayer sein"

Der Spanier rechtfertigt sich: "Ich habe versucht ihnen zu erklären, dass ich hinter mir den vermutlich schnellsten Mann auf der Strecke heute habe (Lewis Hamilton; Anm. d. Red.)", sagt er. "Wenn ich zehn Meter Platz lasse, dann verliere ich vielleicht etwas Windschatten, und wenn er mich überholt, dann wird auch Charles ein einfaches Opfer werden."

Stattdessen schaute Sainz auch auf sein eigenes Rennen und war überzeugt, dass er auf frischen Reifen vor Kurve 6 in Führung gehen kann. "Wenn das Team es mir überlässt, dann setze ich es so sauber wie möglich um", sagt er.

"Manchmal ist das Gefühl eines Fahrers da, und manchmal sagt dir das Team vielleicht etwas, mit dem du nicht einverstanden bist, und du machst dein eigenes Ding, weil du wirklich daran glaubst", so Sainz. "Ich vertraue dem Team aber enorm, und heute haben wir ein gutes Rennen gefahren. Wir vertrauen uns in den unterschiedlichen Szenarien, wie ihr gesehen habt."


Fotostrecke: Formel 1 2022 in Silverstone: Das Wichtigste zum Sonntag

Er betont: "Ich war immer ein Teamplayer und werde immer ein Teamplayer sein. Vor allem bei Ferrari steht das Team über meinen persönlichen Interessen."

Binotto bekräftigt: "Haben vollstes Vertrauen"

Teamchef Binotto spart sich nach dem Rennen Vorwürfe gegen seinen Piloten - im Gegenteil. Gefragt, ob es okay für ihn sei, dass sich Sainz nicht an die Anweisung gehalten habe, sagt er: "Es ist nicht nur okay, sondern ich bin sehr glücklich darüber, wie sich Carlos heute verhalten hat."

Er lobt das anstaltslose Vorbeilassen von Leclerc zuvor und hat Verständnis für dessen Ansage: "Er hat nicht gesagt, dass er es nicht tun will, sondern er hat gesagt, dass die Jungs hinter ihm sehr aggressiv sein werden und er sich schützen muss", so Binotto.

Er betont: "Wir haben vollstes Vertrauen. Wir wissen, dass er sein Bestes für das Team und natürlich auch für sich gibt. Das hat er ein paar Runden zuvor bewiesen, als er ohne Diskussion seinen Platz abgegeben hat. Er hat nicht diskutiert, weil er dem Team vollkommen vertraut. Ich bin sehr glücklich, wie er sich verhält."

"Vermutlich gab es für ihn keine Chance, etwas Abstand zu Charles zu halten, und ich denke, er hat das Beste gegeben, um einen Sieg für Ferrari hier in Silverstone zu holen", so Binotto.

Binotto mit mahnendem Finger Richtung Leclerc

Ganz anders war die Stimmung hingegen bei Charles Leclerc, der ziemlich enttäuscht dreinblickte. Zu ihm sprach Binotto nach dem Rennen mit erhobenem Zeigefinger. Ob er ihm vor den Medienrunden Verhaltensanweisungen gegeben hat und was er ihm genau gesagt hat, wissen wir nicht. Leclerc selbst sagt, Binotto habe ihn einfach aufheitern wollen - mehr nicht.

Zumindest wollte sich Leclerc zu den Entscheidungen seines Teams nicht äußern - auch nicht zu den diversen Stallordern in diesem Rennen. "Ich möchte es nicht kommentieren. Ich möchte es erst mit dem Team besprechen, was die Gründe dafür waren", sagt er und betont, dass er während des Safety-Cars nicht eingefordert habe, dass Sainz Abstand halten soll.

Ihn ärgern eher die Situationen davor, als er nicht sofort vom Spanier vorbeigelassen wurde: "Ich hatte das Gefühl, dass ich im ersten Teil des Rennens sehr stark war und etwas Zeit verloren habe. Hätte es das Endergebnis geändert? Ich denke nicht. Aber wir müssen uns das für die Zukunft anschauen", sagt er.

"Habe nur das Bild von meinem Rennen"

Allerdings gibt er zu: "Wir müssen uns das große Bild anschauen. Ich habe mein Bild von meinem Rennen, und im Auto hat man manchmal nicht das große Gesamtbild. Ich hatte das Gefühl, dass ich im ersten Stint und zu Beginn des zweiten Stints zu viel Zeit verloren habe. Das ist aber nur meine Ansicht, und das kann sich ändern, wenn ich das große Bild gesehen habe."

Vor allem aber ist Leclerc frustriert, dass die Strategie für ihn am Ende wieder einmal nicht funktioniert hat. Denn die Entscheidung, in der Safety-Car-Phase nicht an die Box zu fahren, hat ihm den Sieg gekostet. Das wusste er direkt, als er an der Boxeneinfahrt vorbeigefahren war. "Aber da war es zu spät."


Horrorcrash, Aktivisten, Teamorder: Das war IRRE!

Der Horrorcrash von Guanyu Zhou war der Auftakt in eins der spektakulärsten und kontroversesten Formel-1-Rennen der vergangenen Jahre. Weitere Formel-1-Videos

Er weiß, dass mit den Problemen von WM-Rivale Max Verstappen eine gute Möglichkeit vorhanden gewesen wäre, viele Punkte gutzumachen. "Aber das haben wir nicht", ärgert er sich.

Leclerc: Lieber Fokus auf Sainz

Doch Leclerc sagt auch, dass es eigentlich andere Themen als sein Pech geben sollte - nämlich den Premierensieg von Sainz: "Ich möchte nicht, dass der Fokus auf meinem enttäuschenden Rennen liegt, sondern auf seinem unglaublichen Sieg", stellt er klar.

"Der erste Sieg ist immer extrem besonders. Es ist toll für das Team, toll für Carlos. Er hat in den vergangenen Rennen das Selbstvertrauen aufgebaut und das heute gezeigt. Ich freue mich für ihn, aber ich bin enttäuscht für mich selbst. Gemischte Gefühle", so Leclerc. "Ich hoffe, dass wir beim nächsten Rennen stärker zurückkommen."

Und was hat ihm Binotto nun gesagt? "Ich wusste, dass er enttäuscht war", erklärt der Teamchef. "Aber ich habe ihm gesagt, dass er wieder ein fantastisches Rennen gefahren ist. Und wie er nach dem Safety-Car gefahren ist und sich verteidigt hat, war fantastisch und herausragend. Ich habe ihm also einfach gesagt, dass er ruhig bleiben soll, weil er fantastisch gefahren ist."