Kundenauto-Comeback? Haug fürchtet um Williams-Team

Norbert Haug kämpft vehement gegen ein Comeback der Kundenautos, während HRT-Teamchef Luis Perez-Sala gerne einen Ferrari oder Mercedes kaufen würde

(Motorsport-Total.com) - Red Bull und Ferrari gelten als Befürworter der Kundenautos - beide Rennställe haben die Teamvereinigung FOTA (Formula One Team Association) in den vergangenen Monaten verlassen. Vor allem dem österreichischen Getränkehersteller ist die aktuelle Regelung, wonach nur Teile des Antriebsstrangs wie Motor, Getriebe oder KERS von einem anderen Rennstall bezogen werden dürfen, ein Dorn im Auge. Denn mit Toro Rosso besitzt man neben Red Bull ein B-Team, das bis zum Verbot 2010 auf das gleiche Material zurückgreifen konnte wie das A-Team, wodurch man Kosten sparte.

Titel-Bild zur News: Norbert Haug (Mercedes-Motorsportchef), Bernie Ecclestone (Formel-1-Chef)

Haug will nicht, dass Kundenautos im Concorde-Agreement erlaubt werden

Das aktuelle Concorde-Agreement - der Vertrag zwischen Promoter, Teams und Rennstrecken-Besitzern - läuft Ende 2012 aus und wird derzeit mit Formel-1-Boss Bernie Ecclestone neu verhandelt. Daher ist es derzeit ungewiss, ob es nicht doch noch zu einem Comeback der Kundenautos kommen könnte. Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug, dessen Team klar hinter der FOTA steht, ist jedenfalls nach wie vor vehementer Gegner einer dementsprechenden Regelung. Auch aus Gründen der Tradition.

Haug stellt sich schützend vor Williams

"Die Formel 1 hat ein Erbe und eine Geschichte", meint der Schwabe. "Ich finde nicht, dass ein Lotus ein McLaren sein sollte, oder ein HRT ein McLaren. Da wäre aber der Fall, wenn es dritte Autos oder Kundenautos gibt. Das stand zur Diskussion und steht noch zur Diskussion."

Haug springt für die kleineren Traditionsteams in die Bresche, die durch eine Aufhebung des Kundenauto-Verbots kaum noch Chancen hätten, erfolgreich als Konstrukteur aufzutreten: "Wir dürfen Mannschaften wie das in der Vergangenheit sehr erfolgreiche Williams-Team nicht vergessen. Die unabhängigen Teams sind für die Formel 1 sehr wichtig. Sauber ist seit 1993 dabei und sie haben das Recht, ihr eigenes Auto zu bauen. Sie haben glaube ich ein großes Interesse, ein eigenes Auto zu bauen. Das ist meiner Meinung nach ein wichtiges Element in der Formel 1."

Sebastian Vettel und David Coulthard

Vettel war im Toro-Rosso-Kundenauto oft schneller als Red Bull Zoom

Boullier lehnt Kundenautos nicht kategorisch ab

Lotus-Teamchef Eric Boullier, der als Vize-Vorsitzender der FOTA agiert, weist ebenfalls auf das Erbe der Königsklasse hin: "Die Formel 1 ist seit vielen Jahren eine Konstrukteurs-WM. Es ist Teil der Herausforderung in der Formel 1, unter diesem Reglement ein Auto zu bauen und damit anzutreten. Kundenautos sind eine andere Herangehensweise. Dafür müssten wir das Reglement drastisch ändern und auch der Geist der Formel 1 würde sich ändern."

Boullier möchte eine Einführung der Kundenautos aber nicht kategorisch ausschließen: "Es gab Diskussionen darüber, das eines Tages zu ändern, weil die Wirtschaftslage schwierig ist. Möglicherweise müssen wir das Business-Modell in der Formel 1 in Zukunft ändern und uns für Kundenautos entscheiden. Darüber wird gesprochen, aber dafür ist es noch zu früh."

Günstige Motoren als ebenbürtige Lösung?

Haug hält es für einen Trugschluss, dass die Formel 1 durch Kundenautos billiger werden würde: "Auf den ersten Blick sagt man, dass es dadurch günstiger wird, aber wenn man es sich genau ansieht, dann erkennt man, dass es nicht unbedingt weniger Geld kosten wird. Es ist nicht die ideale Lösung. Wäre sie das, hätten wir uns längst zu diesem Schritt entschlossen."

Zumal es längst Kooperations-Möglichkeiten zwischen Teams gibt, die es kleineren Rennställen ermöglichen, günstiger davonzukommen. "Bei den Motoren wurde ein großer Schritt gemacht, als dafür gesorgt wurde, dass Kundenteams die gleichen Motoren erhalten wie die Herstellerteams", gibt der Mercedes-Motorsportchef ein Beispiel. "Das war vor zehn Jahren in der Formel 1 noch nicht der Fall - die gleichen Ausbaustufen zu einem sehr attraktiven Preis."

Neale verweist auf technische Partnerschaften

Auch McLaren-Geschäftsführer Jonathan Neale glaubt nicht, dass eine Aufhebung des Kundenauto-Verbots notwendig ist, damit die kleinen Teams Kosten sparen können. "Es gibt eine Reihe von Business-Modellen, die eine Unterstützung der kleinen Teams gewährleisten würden, ohne vom Verkauf eines B-Autos auszugehen", sagt der Brite. "Es gibt technische Kooperationen, wie auch wir sie haben und andere sie hatten."

So existieren technische Partnerschaften zwischen McLaren und den Rennställen Force India und Marussia. Red Bull und Renault liefern Motoren und Kraftübertragung an Caterham, HRT arbeitet mit Williams zusammen. Neale hält dies für gut und richtig, denn "die Formel 1 benötigt ein volles Starterfeld. Die FOTA hat bei der Kostenreduktion eine gute Arbeit geleistet, wodurch auch die Eintrittsschranken in die Formel 1 niedriger wurden. Das bedeutet aber nicht, dass es jetzt leicht ist."

HRT setzt aus Geldmangel zum dritten Mal das alte Dallara-Chassis ein Zoom

Perez-Sala würde gerne Ferrari oder Mercedes kaufen

Luis Perez-Sala, Teamchef von HRT, macht derzeit genau diese Erfahrung. Durch den Bruch mit Colin Kolles sah sich sein Rennstall zu einem Neuanfang gezwungen - man besitzt nicht einmal eine Fabrik, in der man eigene Teile herstellen kann. "Derzeit arbeiten wir mit Williams und auch mit Mercedes - wir benützen ihren Windkanal - zusammen", schildert er die Arbeitsweise von HRT. "Von Williams erhalten wir die Kraftübertragung - also alles, was das Concorde-Abkommen zulässt."


Fotos: Shakedown des HRT-Cosworth F112


Für sein Team wäre eine Aufhebung des Verbots ein Vorteil: "Durch die existierenden Beschränkungen kommt man nicht in den Genuss gewisser Einsparungs-Möglichkeiten, aber es ist nicht leicht, in diesem Bereich die Grenzen zu ziehen. Für uns ist es schwierig, ein Budget aufzubringen. Wenn man ein Auto kaufen kann, dann würde alles vom Preis abhängen. Ich würde mir wünschen, einen Ferrari oder einen Mercedes kaufen zu können, aber das ist keine einfache Lösung."

Der Spanier sieht in der Formel 1 aber noch andere Einsparungsmöglichkeiten: "Viel Geld wird für Technologie ausgegeben, von der die Zuschauer nichts mitbekommen. Teams, die um den Titel kämpfen, investieren viel mehr, denn sie wollen die beste Aerodynamik, die beste Zuverlässigkeit. Da können wir kleinen Teams nicht mithalten."