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  • 25.07.2015 19:59

  • von Rencken, Fischer & Nimmervoll

"Kugelsicherer" Medium: Harter Reifen sorgt für Rätsel

Der Mediumreifen ist in Ungarn zwar haltbar, aber viel zu langsam, was schon im Qualifying für einige Probleme gesorgt hat: Ungeliebtes Stiefkind im Rennen?

(Motorsport-Total.com) - Dass Reifenhersteller Pirelli in diesem Jahr nicht gerade große Risiken eingegangen ist, hat sich in den bisherigen neun Saisonläufen der Formel 1 2015 gezeigt. Kaum einmal wurden die gewünschten zwei bis drei Boxenstopps erreicht, am häufigsten kamen die Piloten bislang mit einem Reifenwechsel über die Runden. Auch in Budapest haben die Italiener wieder in die konservativere Kiste gegriffen.

Titel-Bild zur News: Pirelli-Reifen

Weiß und Gelb sind für das Verständnis der Fahrer etwas zu hart gewählt Zoom

Soft und Medium sind die gewählten Mischungen für den morgigen Grand Prix am Hungaroring, dabei hätte es auf dem kurvenreichen, flüssigen Kurs auch eine Spur weicher getan, wenn zuletzt selbst mit Supersofts ein Stopp im Rennen gereicht hat, finden die Piloten. "Der Medium-Reifen ist nicht der richtige Reifen für die Strecke", beklagt sich Toro-Rosso-Pilot Max Verstappen über den weißumrandeten Pneu.

"Ich würde Supersoft und Soft bevorzugen. Mit dem Supersoft kannst du härter pushen und er hat ein größeres Fenster in dem er funktioniert", meint der Niederländer weiter. Auch Jenson Button pflichtet seinem Kollegen bei: "Der Medium-Reifen ist schon ziemlich hart. Auf dem Longrun gestern war er kugelsicher", scherzt der McLaren-Fahrer. Die härtere Mischung dürfte beim Rennen morgen keine Probleme mit der Haltbarkeit verursachen, dennoch dürfte er wohl kaum zu einem Dauereinsatz kommen.

Extremer Performanceunterschied

Denn das Problem ist, dass der Medium auf dem Hungaroring nicht funktioniert. "Der Unterschied zwischen den beiden Mischungen ist extrem hier - zwei bis 2,5 Sekunden", erklärt Button. Mit der Mediummischung würde ein Pilot morgen im Rennen so viel Zeit verlieren, dass kaum einer lange damit fahren wollen würde. Daher wollten sich heute auch im Qualifying alle Piloten den weichen Reifen für das Rennen aufheben - aber vergeblich!

Die Wahl des härteren Pneus in der Qualifikation war durch die enorme Performancedifferenz zu riskant, sodass kein Pilot sparen konnte. Nur Daniel Ricciardo hat im ersten Qualifying-Abschnitt gezockt - und gewonnen! Auf härteren Reifen sicherte er sich Rang zwölf und kam so eine Runde weiter. "Ich denke, ich war der einzige, der dieses Lotteriespiel gespielt hat - und es ging auf", grinst der Red-Bull-Pilot, der somit im Rennen einen neuen Satz Reifen mehr als die Konkurrenz hat.

Daniel Ricciardo

Im Reifenpoker gezockt und gewonnen: Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo Zoom

Und während der Australier Glück hatte, hatten andere Pech - wie zum Beispiel die Silberpfeile, denen ein gestrandeter McLaren in die Suppe gespuckt hat: "Wegen der roten Flaggen im Q2 mussten wir einen Extra-Satz der Options verwenden, während das bei anderen nicht der Fall war", ärgert sich Technikchef Paddy Lowe bei 'Sky Sports F1' über die Defekthexe bei Fernando Alonso, die Nico Rosbergs und Lewis Hamiltons Runde zerstörte.

Zwei oder drei Stopps?

Es könnte also interessant werden, wer morgen die besten Karten im Reifenpoker hat, denn trotz der härteren Wahl wird man am Sonntag wohl kaum mit einem Stopp über die Runden kommen. Bei Pirelli rechnet man mit einem Zweistopp-Rennen. Laut dem Reifenhersteller wäre es am schnellsten, wenn man auf Soft startet, sich einen weiteren Satz in Runde 29 holt und dann in Runde 54 von 70 die Medium-Pneus aufschnallt.

Bei Mercedes geht man allerdings davon aus, dass auch drei Stopps im Rahmen der Möglichkeiten liegen: "Das ist gleich schnell", verrät Niki Lauda, Aufsichtsratsvorsitzender des Mercedes-Teams, bei 'RTL'. "Am Ende sind die gleichen Zeiten raus gekommen, mit zwei oder drei." Auf welche Variante man morgen allerdings setzen wird, das wird erst spontan entschieden, denn das hängt noch von verschiedenen Faktoren ab.


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"Jetzt haben wir 35/36 Grad, morgen sollen es nur 29 sein. Und das macht natürlich wieder einen riesen Unterschied für die Strategie, für den Asphalt, die Reifen und alles, was damit zusammenhängt", erklärt Lauda weiter. Aufgrund der veränderten Temperatursituation wird man erst vor dem Rennen neu berechnen, welche Strategie für das Team die günstigste sein wird. Doch vor allem sollten die Silberpfeile dabei eines bedenken: den Verkehr.

Risiko Verkehr

Da Überholen auf dem Hungaroring von Budapest fast unmöglich ist, ist eine Dreistopp-Strategie definitiv riskanter, denn damit muss man mehr Zeit auf der Strecke gutmachen, was im Verkehr nicht so einfach ist. Hängt man hinter einem anderen Auto fest, verliert man viel Zeit. Und dass man nicht so einfach vorbeikommt, hat das vergangene Jahr gezeigt, als Daniel Ricciardo die Konkurrenz in Schach halten und sich den Sieg sichern konnte.

Und im Gedächtnis bei Mercedes sollte auch der Start aus Silverstone sein, als die Williams plötzlich vor dem Werksteam lagen. Doch Motorsportchef Toto Wolff gibt sich entspannt: "In der Hitze scheinen die Abstände etwas kleiner geworden zu sein. Morgen erwarten wir allerdings niedrigere Temperaturen, was uns hoffentlich zugute kommt", sagt der Österreicher. Wie die Reifen damit umgehen werden, das wird sich erst morgen zeigen.