Kubica: Warum Freitage in Polen angesagt sind...
Interview mit dem BMW Sauber F1 Team Testfahrer über Formel-1-Fieber in Polen, die bisherigen Tests, Freunde im Motorsport und vieles mehr
(Motorsport-Total.com) - Als das BMW Sauber F1 Team - für viele überraschend - Jacques Villeneuve als zweiten Fahrer für die kommende Saison bestätigte, rechneten die meisten Experten damit, dass Alexander Wurz den Zuschlag als Testpilot bekommen würde. Stattdessen setzte man in Hinwil und München aber auf die Jugend, weshalb Robert Kubica den Zuschlag bekam.

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Robert Kubica steht mit 21 Jahren vor seiner ersten Saison als Freitagsfahrer
Der 21-Jährige empfahl sich 2005 mit dem Gesamtsieg in der Renault-World-Series, die sich immer mehr als ideales Sprungbrett in die Formel 1 entpuppt. In seiner polnischen Heimat war die Begeisterung über Kubicas Siege so groß, dass die Rennen von einem kleinen TV-Sender sogar live übertragen wurden - und 2006 werden wohl mehr Fans die Freitagstrainings, in denen ihr Held dabei sein darf, verfolgen als die Rennen...#w1#
Guter Einstand im BMW Sauber F1 Team
Am Rande der Testfahrten in Jerez de la Frontera stellte sich der Pole vergangene Woche den Fragen von 'F1Total.com'-Reporterin Inga Stracke. Das Transkript des Interviews kann nun in voller Länge nachgelesen werden.
Frage: "Robert, du hast bei deinen bisherigen Testfahrten kaum Fehler gemacht, was für einen jungen Fahrer nicht schlecht ist. Valentino Rossi hat sich an seinem ersten Testtag ungefähr sieben Mal gedreht..."
Robert Kubica: "Das ist der Unterschied, den die letzten vier oder fünf Jahre ausmachen: Als junger Fahrer mit 16 Jahren geht man manchmal über das Limit. Damals habe ich noch Dinge ausprobiert, die nicht wirklich clever waren. In den vergangenen beiden Jahren habe ich diesen Aspekt des Fahrens aber stark verbessert. Ich bin jetzt konstanter und mache so wenige Fehler wie möglich. Ich denke, dass das vergangene Jahr beweist - genau wie die drei bisherigen Tests -, dass ich mich in dieser Hinsicht enorm gesteigert habe."
Frage: "Deine Zeiten sehen nicht schlecht aus..."
Kubica: "Das Potenzial ist da. Es gibt aber noch viel zu erledigen - für mich genauso wie für das Team. Wir bewegen uns in die richtige Richtung. Natürlich brauche ich noch etwas mehr Zeit, um zu verstehen, wie die Formel 1 funktioniert - wie die Reifen arbeiten zum Beispiel, denn die Formel-1-Rillenreifen sind sehr stark temperaturabhängig. Wenn die Außentemperatur niedriger ist, muss man die Aufwärmrunde anders fahren und so weiter. Diese kleinen Details muss ich erst verstehen lernen, aber genau das macht unterm Strich den Unterschied."
Frage: "Am Ende dieser Saison wirst du alle 18 Strecken kennen - und dann bist du bereit für die Formel 1, oder?"
Kubica: "Das hoffe ich! Ich muss mich aber erst einmal auf diese Saison konzentrieren."
Beim Formel-1-Einstieg um zehn Jahre jünger als Regazzoni
Frage: "Du bist erst 21 und hast noch ein bisschen Zeit, bis du 22 oder 23 wirst..."
Kubica: "Natürlich ist dies eine großartige Chance für mich. Ich hoffe, dass ich einen guten Job machen werde."
Frage: "Clay Regazzoni war schon 31, als er in die Formel 1 gekommen ist..."
Kubica: "Der Trend geht immer mehr zu jüngeren Fahrern."
Frage: "Was bedeutet es dir, dein Land in der Formel 1 repräsentieren zu dürfen?"
Kubica: "Während meiner gesamten Karriere war ich immer der einzige Fahrer aus Polen, also bin ich inzwischen daran gewöhnt. Das ist schon etwas Besonderes für mich, weil ich Pole bin und ein großes Land repräsentiere. Leider kennen in meiner Heimat nur wenige die Formel 1. Das ist ein Umstand, der mir nicht gerade hilft. Die Leute verstehen nur zum Teil, was die Formel 1 ist; sie sehen die Autos und denken, dass man damit einfach fahren muss. Ich hoffe aber, dass die Leute in ein paar Jahren Gelegenheit haben werden, die Formel 1 besser kennen zu lernen."
Frage: "Interessieren sich jetzt auch die Medien mehr für dich - zum Beispiel das Fernsehen oder Magazine?"
Kubica: "In Polen ist das etwas Besonderes. In jedem Land wird man populärer und das Interesse steigt, wenn man erfolgreich ist und Resultate einfährt. Als ich vergangenes Jahr die Renault-World-Series gewonnen habe, war das genauso, denn wegen meiner Siege gab es einen regelrechten Medienboom. Das hilft einem, klar, aber unterm Strich zählt für mich nur das Fahren und nicht die Popularität. "
Frage: "Wird die Formel 1 in Polen überhaupt im Fernsehen übertragen?"
Kubica: "Ja, seit zwei Jahren. Davor war das nicht so. Übrigens wurden auch meine Rennen in der Renault-World-Series live übertragen, aber nur von einem kleinen TV-Sender."
Freitagstrainings könnten in Polen zum Renner werden
Frage: "Jetzt wäre es doch gut, wenn sie auch den Freitag übertragen würden..."
Kubica: "Ja, sie arbeiten daran. Das Risiko, dass sich dann mehr Leute das Freie Training am Freitag ansehen werden als das Rennen, ist vorhanden, denn es gibt nicht so viele Menschen in Polen, die die Formel 1 verfolgen."
Frage: "Kennst du andere polnische Spitzensportler, zum Beispiel den Skispringer Adam Malysz?"
Kubica: "Ich habe ihn einmal kurz getroffen. Ich kenne schon ein paar Sportler - überwiegend solche aus dem Motorsport und aus dem Schwimmsport. Ich verbringe nicht allzu viel Zeit in Polen und bin auch nicht auf Partys, die einige Leute immer wieder veranstalten. Da konzentriere ich mich lieber auf meinen Job."
Frage: "Gehst du im Winter manchmal auf Partys?"
Kubica: "Nicht wirklich. Das hat vielleicht damit zu tun, dass ich als 14-Jähriger alleine in Italien gelebt habe. Meine Familie war nicht bei mir. Ich will nicht sagen, dass ich damals schon hart gearbeitet habe, aber ich bin viel mit Karts gefahren. Außerdem lebte ich in den Bergen und hatte nicht einmal ein Moped..."
Frage: "Kamst du damals auch zum Skifahren?"
Kubica: "Ich fahre gerne Ski, aber seit drei Jahren habe ich es nicht mehr getan."
Frage: "Darfst du vom Vertrag her überhaupt Skifahren?"
Kubica: "Nein."
Frage: "Hast du Vorbilder in der Formel 1, Menschen, die du als Idole bezeichnen würdest?"
Kubica: "Ich habe keine Idole - und Michael Schumacher wäre eine sehr einfallslose Antwort! Er hat schon bewiesen, dass er der beste Formel-1-Fahrer dieser Ära ist. Jetzt hat sich das vielleicht ein bisschen verändert. Als ich noch jünger war, mochte ich Giancarlo Fisichella sehr. Die Art und Weise, wie er fährt, und seine Persönlichkeit haben mich sehr beeindruckt. Außerdem kenne ich viele Geschichten über ihn, als er noch Karts gefahren ist, und vielleicht habe ich ihm deshalb immer die Daumen gedrückt."
Kein Respekt vor Schumacher, Räikkönen und Co.
Frage: "Wie ist es für dich, diese Jungs jetzt selbst zu treffen und mit ihnen an den Freitagen und bei Tests im Wettbewerb zu stehen?"
Kubica: "Es ist sicher gut und neu für mich, aber sie sind auch nur Menschen - Rennfahrer, wie ich es auch bin. Sie mussten auch einmal klein anfangen, und ich hoffe, dass ich eines Tages ein Topfahrer wie Räikkönen oder Alonso sein werde. Wer weiß?"
Frage: "Was das Testen angeht: Wenn du die anderen Teams beobachtest, kannst du dann beurteilen, in welchen Bereichen ihr eure Stärken habt und in welchen Bereichen die Konkurrenz besser ist?"
Kubica: "Die Formel 1 ist nicht einfach, sondern wirklich kompliziert. Manche Teams sind bei den Tests verdammt schnell, andere wieder nicht, aber ich denke, dass die Tests nicht die wahre Stärke der Teams reflektieren. Natürlich sehen Renault und Honda sehr schnell aus, aber ich hoffe, dass auch das BMW Sauber F1 Team gut dabei ist. Wir hoffen auf einen guten Saisonauftakt, aber erst in Bahrain werden wir wirklich sehen, wer stark ist."
Frage: "Wie gefällt dir die Schweiz? Verbringst du jetzt viel Zeit dort?"
Kubica: "Nicht wirklich, denn ich reise viel, weil wir ja fast jede Woche testen. Ich war vielleicht drei- oder viermal in Hinwil, aber während der Saison werde ich vielleicht öfter dort sein."
Frage: "Ich dachte, du wolltest dir dort eine Wohnung nehmen?"
Kubica: "Das hatte ich auch vor, aber vielleicht ziehe ich jetzt doch nicht nach Hinwil. Ich werde ab und zu nach Hinwil kommen, aber eine Wohnung nehme ich mir im Moment nicht, denn neben 18 Rennen haben wir so viele Testtage, dass ich sowieso kaum dort wäre. Wenn ich mal dort bin, bleibe ich in einem Hotel."
Kubica muss in Hinwil im Hotel schlafen
Frage: "Kannst du nicht bei Nick Heidfeld schlafen?"
Kubica: "Nein... (lacht)"

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Robert Kubica machte bei den bisherigen Testfahrten einen guten Eindruck Zoom
Frage: "Wo lebst du jetzt?"
Kubica: "In Polen. Ich werde aber nicht oft dort sein."
Frage: "Wie viele der Strecken in diesem Jahr sind eigentlich neu für dich?"
Kubica: "Vielleicht zähle ich besser diejenigen auf, die ich schon kenne: Ich kenne elf der 18 Strecken - also alle in Europa und Istanbul. São Paulo kenne ich auch - als einzige Strecke in Übersee. Japan, China, Bahrain, Melbourne, Malaysia, Indianapolis und Montréal sind neu für mich. "
Frage: "Hast du viele Freunde im Motorsport?"
Kubica: "Ich habe schon einige Freunde, aber es ist wirklich schwierig, Freundschaften zu knüpfen, wenn man gegeneinander Rennen fährt. Gerade in der Formel 1 ist das sehr, sehr schwierig. Abseits der Rennstrecke versuche ich, mich mit allen gut zu verstehen, aber wenn wir unsere Visiere runterklappen, gibt es keine Freundschaften mehr."
Frage: "Was ist dein Ziel im Rennsport?"
Kubica: "Ich halte es für sehr wichtig, an sich selbst zu glauben - vielleicht nicht zu sehr, aber man sollte schon daran glauben, dass man etwas Gutes schaffen kann. Es ist wichtig, dass man eine klare Vision hat, wenn man morgens aufwacht. Man darf nicht denken, dass man ein Loser ist. Ich denke aber nicht viel an die Zukunft, sondern ich konzentriere mich auf dieses Jahr. In den vergangenen paar Jahren habe ich gelernt, nicht an die Zukunft zu denken, sondern im Moment zu leben, denn wenn man etwas Bestimmtes erwartet, trifft es vielleicht nicht ein. Daher denke ich nur an die Gegenwart - und wenn dann etwas Positives passiert, ist es eine angenehme Überraschung!"
Frage: "Nick Heidfeld sagt, dass das BMW Sauber F1 Team Platz sechs in der Konstrukteurs-WM als Ziel hat. Ist das realistisch?"
Kubica: "Ja. Ich denke, dass das möglich ist."

