• 20.01.2009 11:55

Kubica im Porträt: Der Zocker und das Mehr

Robert Kubica sagt über sich selbst: "Ich bin völlig normal", aber der bisherige Lebensweg des fokussierten Polen war alles andere als gewöhnlich

(Motorsport-Total.com) - Manchmal kann dieser junge Mann auch anstrengend sein. Vielleicht ist anstrengend das falsche Wort, wenn man Robert Kubica mit einem Wort beschreiben müsste. Vielleicht wäre fordernd besser. Das trifft es ganz gut. Fordernd - nicht nur gegenüber anderen, sondern vor allem gegenüber sich selbst.

Titel-Bild zur News:

Robert Kubica auf der ersten Ausfahrt des neuen BMW Sauber F1.09

Der 24 Jahre alte Pole will immer das Maximum, und das am liebsten sofort, ohne Umwege. Geduld ist nicht seine Stärke. Und das kann eben manchmal ganz schön anstrengend sein. Denn bisweilen braucht man auch in der Formel 1 Geduld.#w1#

Aber wer den Lebensweg von Kubica verfolgt, der erkennt schnell, warum er genau so ist, wie er ist. Wer aus einem Land ohne Formel-1-Tradition kommt und sich trotzdem dem Traum vom F1-Fahren nicht ausreden lässt; wer mit 13 Jahren sein Elternhaus in Krakau verlässt, um im fremden Italien bei seinem Kart-Team in der Garage zu arbeiten und nachts darüber zu schlafen; wer nach einem fürchterlichen Verkehrsunfall schwer verletzt Angst haben muss, seinen rechten Arm zu verlieren und mit eisernem Willen noch im Krankenbett an seinem Comeback arbeitet, um nur wenige Wochen danach ein Rennen zu gewinnen - wer all dies in nur wenigen Jahren geschafft hat, der weiß: Ich kann noch viel mehr erreichen.

Italienische Gesten

Gerade diese Episoden haben Kubica geprägt: Er ist kurz und knapp in der Ansprache, bescheiden und ohne Allüren im Auftreten, fokussiert und kompromisslos auf der Strecke. Die Schale ist rau, aber irgendwo ist ein weicher Kern versteckt. Den jedoch finden nur Wenige. In langen Gesprächen mit ihm lockert sich die Schale ein wenig.

"Ich bin ganz normal." Robert Kubica

Aber Kubica bleibt immer auch irgendwie unnahbar, selbst wenn er im Motorhome lautstark auf Italienisch parliert und in typischer Manier mit Händen und Füßen dazu gestikuliert. Kein Wunder, dass er manchem Betrachter denn auch gelegentlich schroff und einsilbig erscheint. Dabei arbeitet er konzentriert auf eine Sache hin, will sich nicht vom Weg abbringen lassen, um sein Ziel zu erreichen. Und das lieber früher als später.

"Er hat bei allem, was er tut, einen unbedingten Siegeswillen", sagt sein Manager Daniele Morelli. Den ganzen Rummel in der Formel 1 mag Kubica nicht unbedingt. Er weiß, dass Verpflichtungen für Sponsoren, Partner und Medien genauso dazu gehören wie Foto-Sessions hier oder Autogramme schreiben dort.

Aber am liebsten würde er von morgens bis abends im Auto sitzen und testen oder Rennen fahren. Das ist sein Leben. Da fühlt er sich wohl. "Er ist sehr fokussiert", sagt BMW Motorsport Direktor Mario Theissen. "Ich bin ganz normal", entgegnet Kubica.

Pokern und Bowling

Wirklich? Wer seine wenigen freien Tage am liebsten alleine oder mit seiner Freundin bei einer Rallye oder auf der Kartbahn verbringt, der muss vom Motorsport-Virus infiziert sein. Wer auf die Frage, in welchem Auto er am liebsten bei seiner Hochzeit vorfahren würde, sagt, in einem Formel-1-Zweisitzer, und wer auf eine einsame Insel am liebsten ein Auto, Reifen und Benzin mitnehmen würde, der muss ein besonderes Kaliber sein. Für ihn ist das alles ganz normal.

Robert Kubica

Kein Problem: Vor der Saison 2008 speckte Kubica sieben Kilo ab Zoom

Wie Pokern oder Bowling, zwei andere Leidenschaften. Es war für ihn auch völlig normal, vor der Saison 2008 eine radikale Diät zu machen. Das Team hatte ihm gesagt, wenn er ein paar Kilo leichter wäre, könnte sich dies positiv auf die Balance des Autos auswirken. Gesagt, getan. Und so nahm der ohnehin schlanke Kubica bis zum Saisonstart sieben Kilo ab. Einmal mehr war er hart zu sich selbst. Für den Erfolg tut er alles.

Der Hobby-Zocker kommt aus keiner Rennfahrerfamilie, aber sein Vater Artur mochte den Sport und kaufte seinem vierjährigen Sohn damals ein kleines Auto. "Das war Weihnachts- und Geburtstagsgeschenk in einem. Es hatte einen Viertaktmotor, kaum Leistung, aber fuhr irgendwie 40 km/h. Ich habe den halben Tag darin verbracht und wollte nie aussteigen und nach Hause gehen", erinnert sich der Junior.

Umzug nach Italien

Bis zu seinem ersten Rennen musste er sich gedulden. "Ich bin mit diesem Auto auf Parkplätzen gefahren, zweieinhalb Jahre später bekam ich ein Kart. Ich habe Stunde um Stunde trainiert und musste warten, bis ich zehn war, um die Rennlizenz zu bekommen." Ab dem 7. Dezember 1994 konnte ihn dann nichts mehr aufhalten. Nach drei Jahren Kartsport in Polen war er seiner Konkurrenz entwachsen.

"Das war Weihnachts- und Geburtstagsgeschenk in einem." Robert Kubica

Wenn er weiterkommen wollte, musste er seine Heimat verlassen. Sein Vater fuhr mit ihm nach Italien. Vom Start weg lief alles glatt. Kubica: "Ich hatte Glück, weil wir mit einem der besten polnischen Mechaniker arbeiteten, und so war ich sogar in Italien beim ersten Rennen auf Pole und im Ziel Zweiter." Alsbald packte er dann seine Sachen, zog in das fremde Land und traf dort die Menschen, die für seine Karriere so wichtig wurden. Manager Morelli beispielsweise.

Ab seinem 13. Lebensjahr lebte er in Italien, ohne seine Familie, ohne seine Freunde. Der italienische Kart-Hersteller CRG hatte sein Talent erkannt und ihm eine Chance gegeben. Das Alleinsein in einem Land, in dem er die Sprache erlernen und die Kultur verstehen musste, hätte manchen Teenager entmutigt. Nicht diesen. Er adoptierte Italien, und Italien adoptierte ihn.

Vom Testfahrer zum Rennfahrer

Den sechs Titeln, die er im Kartsport in Polen gewonnen hatte, ließ er weitere Triumphe in Italien folgen. Als er 2001 bereit war für den Schritt in den Formelsport, hatte er schon die Unterstützung von Morelli. Mit ihm ging es rasch voran über die Formel Renault 2000, Formel 3 Euroserie und dann in die World Series by Renault. Dort gewann er nicht nur den Titel, sondern auch einen Formel-1-Test.

Robert Kubica

Der Horrorcrash von Robert Kubica in Montréal 2007 Zoom

Testfahrer jedoch wurde er nicht bei Renault, sondern im BMW Sauber F1 Team, das war im Dezember 2005. "Natürlich war dies ein Risiko, denn Robert ist bei uns nie in einem F1-Auto gefahren", gibt Theissen zu. Doch das Risiko hat sich gelohnt. Kubica stürzte sich 2006 in die neue Herausforderung, und das Team übergab seinem Rookie-Tester nur zu gern wichtige Aufgaben.

Am Ende der Saison hatte er über 25.000 Testkilometer abgespult und den kanadischen Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve bei den letzten sechs Rennen abgelöst; ein Podestplatz in Monza in seinem erst dritten Rennen wurde das Highlight.

Historischer Sieg

2007 verlief für Kubica nicht wie gewünscht. Hinzu kam der Moment, in dem die Formel 1 den Atem anhielt: Montréal, GP Kanada, 27. Runde: Kubica wurde in einen der spektakulärsten Unfälle der jüngeren F1-Geschichte verwickelt. Er hatte sich an Jarno Trullis Toyota den Frontflügel abgerissen, sein Auto stieg auf, krachte unkontrollierbar in eine Mauer, prallte ab, überschlug sich mehrfach, verteilte Einzelteile über die Strecke und schlug nochmals an eine Wand.

Robert Kubica

2008 in Montréal: Der historische Formel-1-Sieg von Robert Kubica Zoom

Es schien unmöglich, dass ein Mensch diesem Wrack ohne schwere Verletzungen entkommen könnte. Doch Kubica hatte einen Schutzengel. Bis auf einen verstauchten Knöchel blieb er unverletzt.

Und ausgerechnet in Montréal schrieb Kubica ein Jahr später ein weiteres Kapitel Motorsport-Geschichte. Er sorgte am 8. Juni für den historischen ersten Sieg des BMW Sauber F1 Teams und stand als erster Pole überhaupt ganz oben auf dem Siegertreppchen. Nick Heidfeld machte als Zweiter den Doppelsieg perfekt. Doch Kubica wollte mehr. Schließlich führte er nach Kanada die WM-Wertung an. Und diese Führung wollte er nicht mehr abgeben, wollte in seiner erst zweiten kompletten Formel-1-Saison den WM-Titel.

Doch letztlich musste der coole Zocker aus Krakau einsehen: Sein Dienstfahrzeug war noch nicht so weit. Die Konkurrenten von McLaren und Ferrari waren noch zu stark. Noch. 2009 soll sich das ändern. Diese Forderung hat er. An sich und an sein Team.