Kritik am neuen Qualifying reißt nicht ab
Noch immer glauben viele, dass das Sonntags-Qualifying nicht der Stein der Weisen ist - keine Live-Übertragungen in Großbritannien
(Motorsport-Total.com) - Zum ersten Mal wird dieses Jahr in der Formel 1 die Startaufstellung in zwei Sessions mit addierten Zeiten ermittelt. Was an und für sich nach einer guten Idee klingt, stößt jedoch vor allem bei den TV-Stationen und Sponsoren immer mehr auf Kritik. Etwas mehr als zwei Wochen vor dem Saisonauftakt ist das Thema jedenfalls noch nicht vom Tisch.

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Für das Fernsehen ist das neue Qualifying nicht gerade der Stein der Weisen
Brisanz kommt vor allem in die Angelegenheit, weil der britische TV-Sender 'ITV', der die Formel 1 auf der Insel überträgt, bekannt gegeben hat, dass man das zweite Qualifying am Sonntagmorgen nicht live ausstrahlen wird. 'ITV' ist damit der erste Sender, der diesen Schritt vollzieht, obwohl auch andernorts gejammert wird, dass man eigentlich nicht auch noch den Vormittag des Familien-Sonntags für die Formel 1 opfern will.#w1#
Williams: "Ich finde, dieses Format ist nicht gut"
"Die Entscheidung von 'ITV', das Sonntags-Qualifying nicht auszustrahlen, kommt für mich überhaupt nicht überraschend", wird BMW WilliamsF1 Teamchef Frank Williams von 'Autosport' zitiert. "Die meisten Fernsehzuschauer sind keine vollblütigen Motorsport-Enthusiasten, daher wird das Interesse fehlen. Ich finde, dieses Format ist nicht gut." Dass selbst im motorsportverrückten Großbritannien Familienprogramme der Formel 1 vorgezogen werden, ist ein klares Zeichen.
FIA-Präsident Max Mosley wiederum sieht die Problematik weniger dramatisch: "Das ist die Entscheidung von 'ITV', aber 'RTL' hat sich zum Beispiel bei Bernie beschwert, dass es kein Warm-Up mehr gibt, weil sie keine Werbung mehr für das Warm-Up verkaufen können. Ich persönlich finde, dass das Warm-Up ist, als würde man der Farbe beim Trocknen zusehen, aber die Leute schalten den Fernseher trotzdem ein."
Mosley glaubt nicht an eine Änderung des Qualifyings
Der Brite selbst betonte, dass er weder Gegner noch Befürworter des für 2005 vorgesehenen Systems ist, sich aber prinzipiell dafür einsetzen will, dass es zumindest dieses Jahr keine kurzfristige Änderung mehr gibt, weil dies dem Sport nur schaden würde. Nur bei Einstimmigkeit aller Teams könnte das Format doch noch gekippt werden, "aber das ist sehr unwahrscheinlich, wenn nicht ein unvorhergesehenes Desaster auf uns zukommt", so Mosley.
Eingeführt wurde das zweigeteilte Qualifying mit einer Session am Sonntag nach dem Wetterchaos von Suzuka im vergangenen Jahr, als aufgrund eines Taifuns erst wenige Stunden vor dem Rennen die Startaufstellung ermittelt werden konnte. Das Publikum vor Ort reagierte wohlwollend auf diese Verschiebung, weil man mehr geboten bekam, und auch im Fernsehen kam die Übertragung auf Anhieb gut rüber.
Allerdings wurden einige Faktoren nicht bedacht, als man das Format zum Formel-1-Standard gemacht hat: So können sich Fans beispielsweise nicht mehr in der Sonntagszeitung über die Startaufstellung informieren, sondern sie müssen am Vormittag den Fernseher einschalten - was für viele, die Familie haben, nicht in Frage kommt. Darüber hinaus gehen den Automobilherstellern und Sponsoren die Schlagzeilen für die Pole Position verloren.
Mehr Zwischenfälle im Qualifying als bisher?
Auch rein sportlich bringt das Sonntags-Qualifying einige Probleme mit sich, denn im Gegensatz zum Zeitfahren am Samstagnachmittag müssen die Piloten dann unaufgewärmt und mit vollen Tanks eine schnelle Runde hinlegen - noch dazu möglicherweise auf sehr rutschiger Fahrbahn, wenn es in der Nacht davor geregnet hat. Fahrerisch ist dies eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, zumal ja so knapp vor dem Rennen niemand sein Auto in die Leitplanken setzen will.
Aus kommerzieller Sicht ist in Zusammenhang mit dem neuen Qualifying auch interessant, dass Inhaber von Paddock-Tickets - meistens Vertreter von wichtigen Sponsoren - bisher am Sonntagmorgen Gelegenheit hatten, durch die Boxengasse zu marschieren, um sich ein Bild von der Formel 1 zu machen. Wenn nun in dieser Zeit ein Qualifying ausgetragen wird, ist dies nicht mehr möglich, was für viele Geschäftsleute den Anreiz verringern könnte.

