Kreyer: "In der Formel 1 kommen sich viele wichtig vor"

Im zweiten Teil des 'F1Total.com'-Interviews erklärt Norbert Kreyer, warum sich bei Toyota bisher noch kein Erfolg eingestellt hat

(Motorsport-Total.com) - Im August dieses Jahres hat Toyota überraschend die Trennung von Norbert Kreyer bekannt gegeben, der ursprünglich für die Motorenabteilung verantwortlich war, dann aber in den Chassisbereich versetzt wurde. Wie 'F1Total.com'-Leser seit gestern wissen, hat der 52-Jährige selbst aus freien Stücken das Handtuch geworfen, weil er unter der derzeitigen Führung keine Perspektive mehr sah.

Titel-Bild zur News: Norbert Kreyer

Momentan hat Norbert Kreyer noch keine konkreten Pläne für die Zukunft

Im zweiten Teil unseres Interviews schätzt Kreyer ein, wie stark das Toyota-Paket im Vergleich zur Konkurrenz ist, er spricht über die Handicaps des Standorts Köln und gibt zu, dass er gerne weiterhin in der Formel 1 arbeiten möchte, obwohl nicht alles, was in der Königsklasse ist, glänzt: "Man darf es nicht zu laut sagen, aber es gibt viele Menschen in der Formel 1, die sich unheimlich wichtig vorkommen", so der Niederzissener.#w1#

Der Windkanal alleine macht noch kein gutes Auto

Frage: "Ich erinnere mich noch gut an einen Tag in Köln vor ein paar Jahren, als die Fabrik den Medien gezeigt wurde. Damals haben alle vom Windkanal, mit dem es noch Kalibrierungsprobleme gegeben hat zu der Zeit, geschwärmt. Warum schafft es Toyota nicht, trotz dieses Windkanals die Aerodynamik auf die Reihe zu kriegen?"
Norbert Kreyer: "Wenn Sie einen Windkanal haben, haben Sie deswegen nicht automatisch ein gutes Auto. Da verhält es sich genau wie mit dem Motorenprüfstand, denn der alleine macht auch noch keinen guten Motor. Ein Windkanal ist ein Werkzeug und ein Motorenprüfstand ist genauso ein Werkzeug. Die Leute, die dahinter stehen, müssen das voll ausnutzen. Okay, Kalibrierungsprobleme, aber bei so etwas muss die ganze Organisation dahinter stimmen. Der Modellbau zum Beispiel, alles drum und dran, das muss alles passen, und dann braucht man noch die Leute, die es umsetzen können."

Frage: "Umgekehrt gilt der Motor als die große Stärke von Toyota. Wo würden Sie den Motor im Vergleich zur Konkurrenz einstufen?"
Kreyer: "Das ist schwierig, obwohl man in etwa die Daten von den anderen Teams kennt. Der Toyota-Motor ist von der Zuverlässigkeit her sehr, sehr stark, obwohl es dieses Jahr einen Motorschaden in Spa gegeben hat. Generell ist der Motor aber das Stärkste am ganzen Auto, auch das Zuverlässigste. Man konnte sich immer auf den Motor verlassen. Wenn man beim Motor zehn oder 15 PS findet, fahren die vielleicht ein Zehntel schneller. In dem Bereich tut sich da nicht mehr so viel. BMW, Honda, Ferrari und Toyota liegen meiner Schätzung nach alle in einem Bereich von zehn bis 15 PS. Da sind die Unterschiede nicht allzu groß."

Frage: "Gerade zu Beginn Ihrer Formel-1-Zeit haben Sie sicher die Frage oft gehört, ob Toyota ein Standortproblem hat. Ich frage Sie jetzt, nachdem Sie aus dem Projekt ausgeschieden sind, trotzdem noch einmal. Hat es vielleicht irgendwann Schwierigkeiten mit Zulieferern oder dergleichen gegeben?"
Kreyer: "Zulieferprobleme hat es sicher nie gegeben. Wir hatten ja auch viele Zulieferer, die in Deutschland arbeiten - ob das jetzt Karbonteile sind oder Motorenteile. Davon wird sehr viel in Deutschland gemacht. Was schon stimmt, ist, dass die Teams in England von der Konstellation der Mitarbeiter her viel mehr Auswahl haben. Das ist ja auch klar, wenn fünf oder sechs Teams in England sind. Jedes Team braucht Mitarbeiter."

"Im Teilebau waren uns die Engländer immer überlegen"

"Ich schätze, die Hälfte aller Menschen, die in der Formel 1 arbeiten, sind Engländer. Bei Toyota arbeiten um die 30 Nationalitäten, wenn ich mich nicht irre. Im Teilebau waren uns zum Beispiel die Engländer immer überlegen, denn solche Jobs gibt es bei uns einfach nicht. Da mussten anfangs immer die Engländer ran, aber inzwischen ist Toyota auch soweit, dass man eigene Leute ausgebildet hat. Ich sehe den Standort Deutschland aber sicher nicht negativ."

Frage: "Dennoch sind die meisten Fachleute in England zuhause. Es ist sicher schwierig, diese samt ihren Familien nach Deutschland zu holen, nicht wahr?"
Kreyer: "Das ist richtig. Eigenartigerweise scheinen die Motorenleute sesshafter zu sein als die Fahrwerksleute. Die Motorenleute lassen sich schwieriger zu einem Wechsel überreden. Das ist zumindest das, was ich festgestellt habe."

Frage: "Mit welchem Fahrer haben Sie in den letzten Jahren am liebsten zusammengearbeitet?"
Kreyer: "Gut, ich habe ja nur zwei Jahre mit Panis und da Matta gearbeitet und davor mit Salo und McNish. Das war an und für sich nie ein Problem. Mika Salo kennt man ein bisschen aufgeregt und von der Aussprache aggressiv, aber im Kern war er okay, und Allan McNish war ein ganz netter Kerl. Mit Panis und da Matta hat es auch nie Schwierigkeiten gegeben. Menschlich waren das immer feine Kerle, kein Thema."

Bei 'Weigl' und Midland gibt es "nichts Konkretes" für Kreyer

Frage: "Am Dienstag ist mir eine Fachzeitschrift in die Hände geflattert, die schreibt, dass Norbert Kreyer mit der deutschen Firma 'Weigl' für das Midland-Projekt den Motor bauen wird. Was können Sie darüber verraten?"
Kreyer: "Es ist so, dass ich den Herrn Weigl einmal getroffen habe. Er hat mich gefragt, was man zahlenmäßig braucht und wie man das aufziehen könnte, aber mehr ist da wirklich nicht gewesen. Von Midland weiß ich gar nichts. Er hat sich nur erkundigt, ob das machbar wäre, was dafür nötig ist, wie viele Leute und wie viel Geld man dafür braucht. Mehr ist nicht gewesen. Wir sind im Gespräch gewesen, aber da war nichts Konkretes und ich habe auch im Moment noch nichts Konkretes."

Frage: "Was planen Sie für die Zukunft? Gibt es den Wunsch, in irgendeiner Form in der Formel 1 zu bleiben?"
Kreyer: "Ach, das muss nicht unbedingt die Formel 1 sein. Ich bin gerade dabei, mich zu orientieren, denn ich habe mich bisher zurückgehalten. Wenn es eine Möglichkeit gibt, in die Formel 1 zurückzukehren, werde ich das sicherlich machen, aber es muss nicht unbedingt die Formel 1 sein."

Frage: "Gibt es seitens Toyota ein Arbeitsverbot?"
Kreyer: "Ich hätte von Toyota aus wechseln können."

Frage: "Mit Vertragsablauf sind Sie also dann frei?"
Kreyer: "Ja."

Frage: "Die Formel 1 gilt als sehr abgehobenes Business mit all den VIPs. Teilweise ist sie auch sehr oberflächlich. Wird das für einen bodenständigen Menschen, als den ich Sie einschätze, irgendwann ermüdend?"
Kreyer: "Nein, ich habe gerne in der Formel 1 gearbeitet. Es gibt überall Menschen, mit denen man besser klarkommt, und Menschen, mit denen man nicht so ganz klarkommt. Man darf es nicht zu laut sagen, aber es gibt viele Menschen in der Formel 1, die sich unheimlich wichtig vorkommen."

Frage: "Sie sind jetzt 52 Jahre alt und genießen gerade eine Auszeit vom Motorsport. Können Sie sich ein Leben nach dem Motorsport schon vorstellen?"
Kreyer: "Dafür bin ich noch zu jung. Ich will noch etwas machen. Das ist zu früh, ich kann es mir nicht vorstellen."