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  • 19.02.2015 11:46

  • von Roman Wittemeier

Kolumne: Woran Audis Formel-1-Einstieg scheitert

Audi ab 2017 in der Formel 1: Diesen Traum haben viele Fans der Königsklasse - Wer den Einstieg vorantreibt, wer ihn verhindert und das schwierige Gesamtumfeld

Titel-Bild zur News: Dietrich Mateschitz

Dietrich Mateschitz hat sein Red-Bull-Team bei Audi zum Verkauf angeboten Zoom

Liebe Freunde des Drehmoments,

wieder einmal haben die Gerüchte um einen möglichen Formel-1-Einstieg von Audi neuen Schub erhalten. Die Gedankenspiele, sich nach zahlreichen höchst erfolgreichen Auftritten in der Le-Mans-Szene auch mal auf der Bühne der Königsklasse zu zeigen, sind alles andere als neu. Diese Gedanken spuken nicht nur durch die Hirne von Journalisten und Fans, sondern auch manch ein Vorstand bei Audi und innerhalb des Volkswagen-Konzerns hat sich schon mehrfach den Kopf darüber zerbrochen.

Sollte die Marke mit den vier Ringen tatsächlich in die Formel 1 einsteigen, so kann es für die Macher eines solchen Projektes nur ein Ziel geben: Siegen! Wie schwierig ein solches Unterfangen jedoch ist, haben die Beispiel von Toyota, Honda und zuletzt auch Mercedes, wo es vier Jahre bis zum großen Coup dauerte, gezeigt. Dennoch gilt: Erfolg kann man sich in der Formel 1 kaufen - zumindest die wichtigsten Voraussetzungen für Siege kann man mit einem gut gefüllten Geldsack erwerben.

Domenicali hat Machbarkeitsstudie entwickelt

Und so ist es nur logisch, dass Audi für den Fall der Fälle eine Übernahme des lange Zeit so erfolgreichen Rennstalls von Red Bull in Betracht zieht. Stefano Domenicali, der 2014 die Scuderia Ferrari als Teamchef verlassen musste, kennt die Formel 1 aus dem Effeff. Er, der sich offiziell um das Thema Mobilität fernab des Motorsports bei Audi kümmern soll, war es, der gemeinsam mit alten "Königsklassen-Hasen" wie Jörg Zander einfach mal einen realistischen Fahrplan für einen erfolgversprechenden Einstieg aufzeichnen sollte.

Wer gab diese Studie in Auftrag? Einige leitende Persönlichkeiten aus Ingolstadt und - vielleicht sogar eher federführend - einige hohe Herren aus den Vorstandsetagen des Volkswagen-Konzerns. Es gibt diese Strömungen bei Audi und auch in Wolfsburg. Das aktuelle Konstrukt, das Audi in Le Mans und in der Langstrecken-WM gegen die Konzernschwester Porsche rennen lässt, hat sportlich sicherlich seinen Charme, aber kommt nicht überall gut an.

Domenicali und seine Mitstreiter legten der Konzernführung eindeutige Zahlen vor. In Sachen Medienpräsenz und Bekanntheit macht der Formel 1 keiner etwas vor. Bei allem Respekt vor Technologie und Leidenschaft: Dagegen kann die WEC nicht anstinken. Die Zahlen kommen vor allem bei jenen gut an, die den Motorsport nach wie vor als Marketing sehen. Weniger Lächeln gibt es in den Gesichtern der Verantwortlichen, die den Motorsport über die Entwicklung und Darstellung von Technologie argumentieren.


Die ersten Runden des Red-Bull-Renault RB11

Das Red-Bull-"Zebra" dreht mit Daniel Ricciardo am Steuer in Jerez seine ersten Runden Weitere Formel-1-Videos

Piëch trifft letztendlich die Entscheidung

Und genau dies sind die zwei Lager, die es derzeit gibt. Wer hat am Ende das Sagen? Einer, dem Le Mans näher ist als Monaco. Einer, der bei der Erinnerung an die ersten Porsche-Siege an der Sarthe noch jetzt Freudentränen in die Augen bekommt. Einer, der Bernie Ecclestone meidet wie der Teufel das Weihwasser. Ferdinand Piëch, die graue Eminenz aus Österreich, die den deutschen Automobil-Giganten als Vorsitzender des Aufsichtsrates im Griff hat. Piëchs Wort ist Gesetz. Und er sagt nein zur Formel 1.

Es ist ein geschickter Schachzug, wenn Domenicali und Kollegen den Herrscher über Volkswagen mit dem Team Red Bull packen möchten. Nicht, dass Piëch großer Fan des Energydrinks wäre. Nein, der Österreicher würde in den Verhandlungen - die es nach offiziellen Aussagen des Teams und von Audi nie gegeben hat - auf einen Landsmann treffen, mit den ihn eine besondere Geschichte verbindet: Helmut Marko. Der Red-Bull-Motorsportkonsulent hat immerhin 1971 in einer Rekordfahrt die 24 Stunden von Le Mans gewonnen, in einem Porsche 917. Ein Erfolg, der bei Piëch bis heute große Emotionen auslöst.

Roman Wittemeier

Der Stellvertretende Chefredakteur Roman Wittemeier analysiert die Audi-Gerüchte Zoom

Aber Piëch will keine Formel 1. Noch nicht jedenfalls, solange Ecclestone am Ruder sitzt. Das Timing der "Machbarkeitsstudie Formel 1" war bei Audi gut getimt. Kurz vor dem Jahreswechsel drohte der Formel-1-Promoter im Zuge einer Umbesetzung an der Spitze von Formel-1-Mehrheitseigener CVC erheblich an Einfluss zu verlieren. Mit einem abgesägten Bernie wäre Piëch deutlich leichter zu überzeugen gewesen. Es ist aber nicht nur die Abneigung gegen den Briten, die den Einstieg verhindert hat.

Sparprogramm innerhalb des Konzerns

Man muss sich dazu einmal das Gesamtgefüge im Volkswagen-Konzern und im Lager von Audi anschauen. Der Autogigant aus Wolfsburg hat sich selbst ein brutales Sparprogramm auferlegt. Satte fünf Milliarden Euro pro Jahr sollen eingespart werden. In eine solche Konstellation passt der Einstieg in die teure Formel 1 sicherlich nicht besonders gut. Die anstehenden Tarifverhandlungen mit Gewerkschaften tragen in der Gemengelage sicherlich auch zur ablehnenden Haltung bei.

Audi hat ein brandneues Motorsportzentrum in Neuburg an der Donau eröffnet. Die Anlagen sind State of the Art, aber dennoch eher auf den Bau von Le-Mans-Prototypen und DTM-Fahrzeugen ausgelegt. Und genau dies passiert dort gerade unter Hochdruck und mit allen zur Verfügung stehenden Ressourcen. Die Motorenabteilung in Neckarsulm um den erfahrenen Ullrich Baretzky entwickelt einen Zweiliter-Vierzylinder-Turbo für die DTM 2017, gleichzeitig sorgt das LMP-Programm für enorme Arbeitslast.

In der WEC und in Le Mans tritt Audi immer noch mit einem Diesel an. Der Selbstzünder wird jedoch nach Ansicht von Audi in der aktuellen "Equivalence of Technology" (EoT) benachteiligt. Es gibt nur zwei Wege, um wieder auf Augenhöhe mit Toyota und Porsche agieren zu können: ACO/FIA von Anpassungen an der EoT überzeugen (unwahrscheinlich), oder ein enormes Entwicklungsprogramm anfahren, um einen neuen Motor und neue Hybridsysteme zu entwickeln. Genau dies geschieht derzeit in Neuburg. Für die Entwicklung eines Formel-1-Antriebes - wie auch immer er ab 2017 aussehen mag? - fehlt die Zeit.


Fotos: Audi-Sport-Finale 2014


Vorsprung durch Technik

Und noch etwas darf man beim Thema Audi und Formel 1 nicht vergessen. Der Leitspruch der Ingolstädter lautet "Vorsprung durch Technik". Dies lässt sich in der Le-Mans-Szene derzeit besser darstellen als in der Königsklasse, weil für Entwicklungen viel mehr Spielraum vorhanden ist. Außerdem geht es um die Legitimierung und die Finanzierung der Motorsportprojekte. Die Formel 1 müsste aus dem Marketingtopf bezahlt werden. Da rümpft der Controller ganz schnell die Nase. Sobald es um freie Entwicklung von Technologie geht, kann ein Programm mindestens zu einem Teil aus dem Entwicklungsbudget bezahlt werden. So macht es Michelin seit Jahren - und die sind in zahlreichen Serien bestens unterwegs.

Andre Lotterer hat mit seinem Caterham-Gastspiel 2014 in Spa deutlich gezeigt, wie viel größer die Bühne Formel 1 ist. Plötzlich war Audi durch den Le-Mans-Sieger in aller Munde. Aber ganz ehrlich: Die Red-Bull-Übernahmepläne haben einen gewissen Charme, sind aber bei genauerer Betrachtung nicht durchweg logisch. Ich schätze, dass Audi oder der VW-Konzern eher Ferrari kaufen und sich auf italienische Art in der Formel 1 tummeln als dass die Ingolstädter über Milton Keynes einen Boliden am Monte-Carlo-Casino vorbeijagen lassen.

"Andre Lotterer hat gezeigt, wie viel größer die Bühne Formel 1 ist." Roman Wittemeier

Schade, aber es bleibt wohl vorerst alles nur ein Traum.

Viele Grüße,

Timo Glock