• 08.07.2002 20:43

  • von Fabian Hust

König Formel 1 auf Fastenkur

Hinter den Kulissen arbeitet man in der Formel 1 an Sparprogrammen - Arrows kämpft um das blanke Überleben

(Motorsport-Total.com) - So schnell wie in diesem Jahr der Weltmeisterschaft die Spannung verloren ging scheint sich auch das Konto einiger Teams zu leeren. Das BAR-Honda-Team hat 250 Millionen Euro Schulden, das ist das Jahres-Budget von Ferrari. Wie das Team um David Richards, der die Schulden allerdings als Neuverpflichtung von seinem Vorgänger Craig Pollock übernahm, die roten Zahlen jemals in schwarze Ziffern umwandeln will ist völlig unklar. Das Team müsste gewaltige Summe beiseite legen, das wiederum hätte sportlich katastrophale Folgen, die zu finanziellen Einbußen führen würden. Ein Teufelskreislauf, aus dem man so schnell nicht wieder herauskommt.

Titel-Bild zur News: Arrows-Mechaniker

Das Arrows-Team steht kurz vor dem Aus - nach 24 Jahren Formel 1

Je höher der Konkurrenzdruck, desto eher sehen sich die Manager gezwungen, mehr Geld auszugeben als eigentlich vorhanden ist. In der Hoffnung, dadurch einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu erzielen und so mehr Sponsoren an Land zu ziehen, stürzen sie ihr Team in Schulden. So wie Arrows-Teamchef Tom Walkinshaw, der erklärte, niemanden zu entlassen, um ein Team zu haben, das siegfähig ist. Die Folge: Arrows ist nun zahlungsunfähig. In Silverstone konnte Heinz-Harald Frentzen nur an den Start gehen, da der Schotte mit seinem Privatvermögen die Leasinggebühr abdeckte.

Im letzten Jahr war es das Prost-Team, das die Formel 1 völlig überschuldet verlassen musste, in diesem Jahr drohte Minardi-Teamchef Paul Stoddart damit, sofort die Motoren schweigen zu lassen, wenn er nicht an die Prost-TV-Gelder käme. Auch wenn viele Stoddarts PR-trächtigen Auftritt als cleveren Schachzug ansehen, um das Budget des Teams aufzustoken, befürchtet einer, der es wissen muss, dass Minardi 2003 nicht mehr dabei ist: Formel-1-Boss Bernie Ecclestone.

Fragwürdige Schubladenlösung für Formel-1-GAU

Der Brite hat für die kommende Saison das schlimmste Szenario schon ausgemahlt. Arrows und Minardi sind Kandidaten, die nicht mehr am Start sein könnten, dann würde das Feld nur noch aus neun Teams bestehen. Zu wenig, denn der "Formel-1-Zappano" muss sicherstellen, dass die Formel 1 attraktiv genug ist, damit er die Verträge mit den Streckenbetreibern und Fernsehanstalten einhalten kann, die für ihre saftigen Lizenzgebühren auch eine Gegenleistung erhalten wollen.

Kein Wunder also, dass "Mr. Formel 1" schon längst einen Notplan in der Schublade griffbereit liegen hat: "Statt zwei werden wir drei Autos pro Team haben", orakelt Ecclestone in der 'Sportbusiness'. "Vielleicht haben wir drei Fahrer und drei Autos und das kann vielleicht schon nächstes Jahr passieren. Wir brauchen einfach 18 bis 20 Autos. Leider sind es jetzt nur noch 22, wenn wir Arrows verlieren dann haben wir 20 und wenn wir Minardi verlieren werden wir 18 haben."

Führt Ecclestones Plan die Formel 1 in den Ruin?

Doch ein drittes Auto und ein dritter Fahrer sorgen für riesige Zusatzkosten. Die Folge: Nur die großen Teams können es sich wenn überhaupt leisten, drei Autos einzusetzen. Von den Teamchefs der drei Top-Teams war schon ein unmissverständliches Grummeln in Richtung Ecclestone zu vernehmen. Unter den kleinen Teams könnten durchaus Opfer entstehen, wenn die Zusatzkosten nicht getragen werden können. Und ? wann sollen die kleinen Teams denn Punkte einfahren, wenn Ferrari, BMW-Williams und McLaren-Mercedes insgesamt mit neun Autos (!) an den Start rollen?

Es ist also eine unkluge Idee von Bernie Ecclestone. Stattdessen gilt es, den Teams mehr Geld aus den TV-Einnahmen zuzugestehen. Wenn Bernie Ecclestone in Milliarden schwimmt, ist noch genügend Geld vorhanden. Aber auch die Teams selbst müssen intelligent genug sein, dass sie nur das ausgeben können, das ihnen zur Verfügung steht und das keiner etwas davon hat, wenn die großen Teams die kleinen Teams nicht nur auf der Strecke, sondern auch abseits regelrecht kaputtwirtschaften. Doch verlangen Sie einmal von Ferrari und Co. weniger auszugeben?

Musterbeispiel Sauber

Wie man mit einem kleinen Budget relativ weit vorne mitfährt, zeigt das Sauber-Team, wo man die Gäste in einem einfachen Zelt empfängt und in keinen Marmor-Glas-Palästen, wie man das bei der Konkurrenz tut. Statt Millionen in die Hospitality zu investieren steckt man das Geld lieber in die Technik. Scheinbar haben einige Teams nicht begriffen, dass der schönste Palast nichts bringt, wenn man sportlich hinterherfährt. Ein paar wenige Gäste kann man beeindrucken, aber die Masse, der man eigentlich imponieren will, sind die Fans und diese kann man nur durch Siege und WM-Punkte stimulieren.

"Die kleinen Teams haben schon immer ein wenig von der Hand in den Mund gelebt", erklärt BAR-Honda-Teamchef David Richards der 'Times'. "Sie leben Jahr für Jahr von kleinen Verträgen, die der Überschuss bei den Marketing-Budgets der Unternehmen zu sein scheinen." Minardi ist das beste Beispiel. Dutzende von Sponsoren-Aufklebern zieren das Auto, die meist sechs- und fünfstellige Beträge in das Team pumpen, große Sponsoren wie sie die Top-Teams haben, gibt es nur wenige.

Der gefährliche Teufelskreislauf

Die kleinen Teams verlieren den Anschluss an die Top-Teams, weil sie kein Geld haben. Weil sie den Anschluss verlieren fahren sie hinterher und die Sponsoren engagieren sich viel lieber bei den Top-Teams. Ein Teufelskreislauf. Hinzu kommt, dass die erfolgreichen Teams mehr Gelder von der FIA erhalten. Wie bitteschön soll das gut gehen? Klar, Teams wie Arrows können sich von einem Sieg viel weniger kaufen als eine Marke wie BMW, weswegen Erfolge immer noch finanziell belohnt werden sollen, doch der Unterschied muss geringer werden.

"Der Abgrund ist nichts mehr Neues", sieht Ian Philips, Jordans Geschäftsdirektor schwarz. "Das Problem ist, dass die Budgets größer und größer werden. Wir wollen Rennen gewinnen, müssen aber gleichzeitig akzeptieren, dass unsere Mittel begrenzt sind." David Richards sitzt als neuer BAR-Teamchef auf einem Scherbenhaufen, den man fast nicht wieder zusammensetzen kann: "Genauer betrachtet sind die getätigten Investitionen nicht vertretbar." Kann man dann noch einen Fahrer halten, der nach Aussage von Richards ein Viertel des gesamten Budgets verschlingt? Wohl kaum.

Arrows hat angeblich 100 Millionen Euro Schulden

BAR-Honda hat das Glück, mit British American Tobacco einen finanziell sehr starken Partner hinter sich stehen zu haben, der das Team mit einer Geldspritze falls notwendig retten kann. Doch bei Arrows sieht das anders aus. Weil sich der Anteilseigner Morgan Grenfell dagegen gerichtlich gewehrt hat, dass das Team von Red Bull aufgekauft werden soll, droht dem Team das Aus. Nur ein neuer Investor könnte kurzfristig die Geldsorgen aus der Welt schaffen. Schon in zwei Wochen muss Teamchef Tom Walkinshaw erneut eine Rate für die Cosworth-Motoren aufbringen, das Geld ist logischerweise nicht da, wenn nicht ein Wunder passiert oder Walkinshaw erneut privat bezahlt.

Angeblich ist das Arrows-Team mit 100 Millionen Euro kräftig verschuldet, bei dieser Zahl dürfte es selbst Multimillionär Tom Walkinshaw schwindlig werden. Man verhandele aber mit drei Partnern, die das Team übernehmen könnten, heißt es. Der Kaufpreis dürfte niedrig sein, die Schulden, die der Käufer tragen müsste, umso höher. Doch die Situation ist laut dem Schotten "sehr kompliziert" da sich die Morgan Grenfell-Bank bisher quer stellt. Sie möchte offenbar ihre Anteile nicht für einen Appel und ein Ei verkaufen.

Arrows: Neuanfang oder Aufgabe?

Hinter den Kulissen kämpft das Arrows-Team diese Woche um das blanke Überleben. Heinz-Harald Frentzen weiß nicht, ob er in Magny-Cours zuschauen muss oder ob er fahren darf. Angeblich hat sich Walkinshaw eine Deadline gesetzt. Findet er bis Magny-Cours keinen Ausweg, könnte Arrows Insolvenz anmelden und wäre damit mitten in der Saison außer Gefecht gesetzt. Doch auch bei Morgan Grenfell dürfte man daran interessiert sein, dass die Anteile nicht komplett über den Äther gehen, das ist zumindest ein Hoffnungsschimmer.

Ein gutes Zeichen ist die Tatsache, dass sich das Arrows-Team für Mittwoch, Donnerstag und Freitag zu Testfahrten in Valencia angemeldet hat und dort auch erscheinen möchte. Mit Cosworth hat man die Einigung getroffen, dass ab sofort das Geld bis Mittwoch vor dem Rennen da sein muss, ansonsten gibt es keine Motoren. Noch einmal wird sich Niki Lauda nicht den Stress machen, mitten am Rennwochenende zu verhandeln.