Klien: "Werde weiter meinen Weg gehen"
Christian Klien im Interview über seine verzwickte Vertragssituation, die Rascasse-Affäre, seine neue Wohnung in der Schweiz und vieles mehr
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Christian, in Monaco lagst du vor David Coulthard, hättest also an seiner Stelle in der Fürstenloge landen können. Das war wohl einer der bittersten Momente in deiner Karriere - und irgendwie spürte man damals, dass Coulthard daraus einen immensen Vorteil ziehen wird. Hast du da schon geahnt, was kommen wird?"
Christian Klien: "Ich bin in Monaco von Startplatz elf, David ist von Platz sieben aus gestartet. Wir beide hatten nach der ersten Runde je einen Platz gewonnen. Nachdem wir beide unseren ersten und einzigen Boxenstopp absolviert hatten, lag ich auf Platz sieben, 'DC' auf Platz neun. In Runde 49 war dann das Safety-Car auf der Strecke."

© Red Bull
Christian Klien ist momentan das ungeliebte Kind des Red-Bull-A-Teams
"Nach dem Restart lag ich hinter Jarno Trulli auf Platz fünf, vor David, der auf Platz sechs lag. Wenige Runden später schied ich auf dieser Position - vor 'DC' liegend - mit Getriebeschaden aus. 'DC' erzielte mit 1:17.849 Minuten die 19.-schnellste Rennrunde. Meine schnellste Rennrunde war die 20.-schnellste mit 1:17.930 Minuten - was um 81 Tausendstelsekunden langsamer war. Das sind die Fakten. Jeder, der diese Fakten objektiv betrachtet, kann sich ein Bild über meine Leistung auf dieser Fahrerstrecke machen."#w1#
Klien lässt sich von Marko nicht beirren
Frage: "Helmut Marko hat erklärt, das Pendel würde derzeit 'eindeutig für David Coulthard ausschlagen'. Die Fahrerentscheidung für 2007 wird laut ihm nach Hockenheim gefällt. Das sind nur noch vier Rennen. Wie gehst du mit solchen Aussagen um? Hat man dir persönlich auch gesagt, dass man derzeit David Coulthard bevorzugen würde?"
Klien: "Ich kenne dieses Interview nicht. Innerhalb des Red-Bull-Racing-Teams habe ich keine offiziellen Statements vernommen. Ich konzentriere mich mit meinem Team darauf, das Auto schneller zu machen und möglichst das Maximum aus dem zur Verfügung stehenden Paket herauszuholen. Leider waren wir von der Standfestigkeit her bisher nicht sehr begünstigt. Wir arbeiten aber gemeinsam daran, dies in den Griff zu bekommen. Eine alte Rennsportweisheit besagt: Erst muss das Auto ins Ziel kommen, um ein Ergebnis holen zu können."
Frage: "Konkret sagt Helmut Marko, dass bei den letzten acht Rennen bis auf zweimal das Pendel immer für David Coulthard ausgeschlagen habe - und zwar sowohl im Qualifying als auch im Rennen. Außerdem erklärte er, du würdest 'beim Start eher einen Platz verlieren als einen gewinnen' und zudem würdest du 'im Rennen nicht jede Runde am Limit fahren'. Was sagst du dazu?"
Klien: "Nun, aus meiner Sicht sehe ich die Fakten folgendermaßen: Zum Qualifying muss man feststellen, dass ich in dieser Saison speziell in meiner Quali-Runde des Öfteren von diversen Pannen heimgesucht wurde."
"In Australien begann es in meiner schnellen Runde in den letzen beiden Kurven zu regnen. In Imola gab es ein Problem mit dem Speedlimiter, wodurch die Aufwärmphase der Reifen negativ beeinflusst wurde. Auf dem Nürburgring gab es den Zusammenbruch der offiziellen Zeitnehmung und dann eine Blockade durch Takuma Sato. In Monaco gab es Bremsprobleme durch Überhitzen der Hinterachsbremsen. Zu den Rennen: Es gab in der laufenden Saison drei Rennen, in welchen wir beide, David und ich, die Zielflagge gesehen haben. Das waren Bahrain, Barcelona und Silverstone. In diesen drei Grands Prix lag ich in zwei Rennen am Ende vor David."
"Zu den WM-Punkten: Im einzigen Rennen der Saison, wo es viele Punkte für unser Team gab, nämlich in Monaco, holte 'DC' sechs Punkte, ich dagegen ging aufgrund meines technischen Defekts leer aus. Ohne meinen Ausfall hätte ich diese Punkte für unser Red-Bull-Racing-Team eingefahren und 'DC' hätte noch ein paar zusätzliche Zähler an Land gezogen, was unser Team in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft auf Position sechs oder sieben gebracht hätte."
Klien stolz auf seine Leistung in Monaco
Frage: "Nach dem Monaco-Grand-Prix sagte David Coulthard, er hätte dich in Monaco überholt, wenn du nicht ausgefallen wärst. Das wirst du wahrscheinlich etwas anders sehen, oder?"
Klien: "Man muss in Betracht ziehen, dass David dort bereits glänzende Resultate erzielt hat und nach wie vor extrem schnell ist, speziell in Monaco. David hat mit seiner Erfahrung und Schnelligkeit in Monaco schon zweimal gewonnen, er hat die Pole Position und Podiumsplätze eingefahren. Dennoch ist es mir gelungen, im Rennen vor ihm zu liegen."
"Nach dem Ende der Safety-Car-Phase beziehungsweise dem Restart des Rennens in Runde 52 lag ich mit 0,6 Sekunden Abstand direkt hinter Jarno Trulli. Obwohl sich Trullis Rundenzeit in der Folge mit jeder Runde stark verbesserte, konnte ich den Abstand zu ihm konstant auf zirka 0,5 bis 0,7 Sekunden halten. David lag in dieser Phase direkt hinter mir und versuchte mit Scheinattacken etwas Druck auf mich auszuüben, was mich aber wenig beeindruckte. Als ich in Runde 57 mit Antriebsdefekt ausrollte, machte ich vor der Rascasse-Kurve Platz und David konnte mich passieren. Nun lag 'DC' direkt hinter Trulli. Allerdings vergrößerte sich der Abstand von 'DC' auf Trulli bis zum Ausfall des Italieners in Runde 73 auf 2,6 Sekunden."
Frage: "Nach Silverstone zitierte die 'Kronen Zeitung' Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz mit den Worten: 'Wer mehr Punkte hat, bleibt!' Damals hatte David Coulthard bereits jene sechs Punkte mehr auf dem Konto, die er in Monaco holte. Musst du jetzt also in vier Rennen mindestens sieben Punkte holen? Wie soll das mit dem jetzigen Auto funktionieren?"
Klien: "Ich habe persönlich keine derartige Information von Herrn Mateschitz vernommen. Die Kriterien für die Fahrerbewertung liegen schlussendlich beim internen Gremium um Herrn Mateschitz. Unser Team hat es offensichtlich in diesem Jahr schwerer, zu WM-Punkten zu kommen. Wir werden aber bei jedem Rennen versuchen, Punkte zu holen. Wie oft uns das gelingen wird, kann ich nicht einschätzen, da wir derzeit schwer aus eigener Kraft in die Punkteränge kommen. Ich bin aber überzeugt davon, dass wir beide, David und ich, noch Punkte für unser Team holen können."
Winterliche Kühlungsprobleme wirken sich weiterhin aus
Frage: "Das schwächste Glied bei Red Bull Racing ist zurzeit wohl das Auto. Wie würdest du die Probleme mit dem RB2 beschreiben? Woran hapert es? Was muss verbessert werden?"
Klien: "Mit den Kühlungsproblemen in der Vorsaison haben wir uns einen Entwicklungsrückstand eingehandelt. In der Formel 1 kann man einen Zeitrückstand dieser Art aufgrund der extrem raschen Entwicklung nicht so schnell gutmachen. Durch das verringerte Testprogramm konnte sich die Standfestigkeit nicht rasch genug entwickeln, was uns ab und zu aus den Rennen warf. Standfestigkeit und Speed des Autos sind maßgebend, um Punkte liefern zu können. Das ganze Red-Bull-Racing-Team arbeitet aber rastlos daran, den Anschluss an die Punkteplätze zu finden."

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Bild mit Symbolcharakter: Christian Klien beobachtet die rasende Konkurrenz... Zoom
Frage: "Du hast nach Silverstone gesagt, dass die schnellen Strecken dem Auto nicht so gut liegen würden und man sich eher auf langsamere Strecken wie Ungarn konzentrieren solle. Jetzt will man nach Hockenheim und somit vor Ungarn entscheiden - und es kommen jetzt eher schnelle Kurse. Das macht es nicht gerade leichter, oder gab es bei den Tests diesbezüglich einen Aufwärtstrend?"
Klien: "Wir konnten leichte Verbesserungen im Bereich der Aerodynamik und an der Vorderachse vornehmen. Dazu konnten wir weitere Fortschritte in anderen Bereichen erzielen. Leider können wir das neue Getriebe noch nicht einsetzen, von dem wir uns eine weitere Zeitverbesserung erwarten. Das soll aber bald kommen."
Frage: "Noch einmal zurück zur Fahrerdiskussion bei Red Bull Racing: Es heißt immer, einer muss gehen. Ist eigentlich die Möglichkeit, dass ihr beide, David Coulthard und du, im Team bleiben könnt, bereits völlig ausgeschlossen? Muss unbedingt einer von euch beiden gehen?"
Klien: "Das sind Entscheidungen, die das Red-Bull-Racing- und das Red-Bull-Gremium trifft. Ich persönlich habe aber bislang nicht gehört, dass es eine starre Ausgangslage gibt."
Frage: "Welche Möglichkeiten hättest du, wenn man sich tatsächlich für David Coulthard entscheiden sollte? Schaust du dich bereits nach anderen Formel-1-Cockpits um?"
Klien: "Mein Fokus ist es ohne Zweifel, mit dem Red-Bull-Racing-Team weiter als Rennfahrer die begonnene Aufbauarbeit fortzusetzen. Das Team hat ja erst in diesem Jahr sein erstes eigenes Auto mit neuer Mannschaft präsentiert. Dazu sind viele neue und fähige Ingenieure - allen voran Adrian Newey - erst während der Saison 2006 zum Team hinzu gestoßen. Ich denke, dass es etwas Zeit braucht, bis diese Truppe ihre volle Schlagkraft entfaltet, aber es wird passieren. Ich möchte unbedingt dabei sein, wenn wir dann konstant um Punkte, Podestplätze und Siege fahren. Ich bin nach wie vor der jüngste Formel-1-Fahrer von Red Bull."
Klien beteiligt sich nicht an Wechselspekulationen
Frage: "Im österreichischen Medienwald wird ja bereits fleißig an neuen möglichen und unmöglichen Varianten gebastelt. Eine davon wäre die Scuderia Toro Rosso. Dort könntest du mit deiner dreijährigen Erfahrung Aufbauarbeit leisten. Wobei Helmut Marko an kritische Aussagen von Gerhard Berger erinnerte. Wäre das aus deiner Perspektive betrachtet eine Möglichkeit?"
Klien: "Ich denke, es ist das gute Recht der Medien, öffentlich über Fahrerkonstellationen zu diskutieren. Ich sehe aber von meiner Seite aus betrachtet keinen Sinn darin, während der ganzen Saison darüber zu diskutieren. In allen Formel-1-Teams werden solche Diskussionen allenfalls intern geführt."
Frage: "Ein weiteres Gerücht besagt, dass Red Bull Racing schon 2007 mit einem Renault-Motor antreten könnte. Wäre das eine gute Entscheidung?"
Klien: "Dazu kann ich nichts sagen. Am besten bei Christian Horner nachfragen."
Frage: "Man munkelt auch von einer britischen Achse Coulthard/Newey im Team. So gesehen wäre das Rennen um das Cockpit ohnehin entschieden. Spürst du so eine Achse? Haben sich die Fronten zwischen dir und David Coulthard verhärtet?"
Klien: "David und Adrian haben über zehn Jahre hinweg im jeweiligen Formel-1-Team von Williams und McLaren-Mercedes zusammengearbeitet. Daher kennen die beiden einander sicher sehr gut. Ob dies einen Einfluss auf die weitere Zusammenarbeit meinerseits mit Red Bull Racing hat, kann ich nicht beurteilen."
Frage: "Themenwechsel: Was sagst du zur Aktion von Michael Schumacher in Monaco? Hast du nun ein bisschen weniger Respekt vor ihm? Ist es nicht seltsam, dass der erfolgreichste Pilot aller Zeiten eine Reputation hat wie ein Handtaschenräuber?"
Klien: "Michael hat in Monaco in der Rascasse-Kurve einen Fehler gemacht. Das wurde von der Rennleitung mit der Rückversetzung auf den letzten Startplatz geahndet. Damit hat es sich für mich. Dass er ein Ausnahmesportler ist, bleibt für mich unbezweifelt."
Frage: "Hast du mit Michael Schumacher darüber gesprochen? Hast du dich in dem 'GPDA'-Meeting dazu geäußert? Und hast du auch überlegt - wie Jacques Villeneuve - die 'GPDA' zu verlassen?"
Klien: "Ich mische mich grundsätzlich nicht in Angelegenheiten anderer Leute ein. Ich kümmere mich um meine eigene Sache und um jene Dinge, die im Zusammenhang mit meinem Team stehen. Da habe ich genug zu tun."
Kurvengeschwindigkeiten könnten zu hoch werden
Frage: "Mit den weichen Reifen wurden die Autos in den Kurven noch schneller. In Silverstone gab es kritische Fahrerstimmen. Seid ihr am Limit angelangt? Sind die derzeitigen Formel-1-Autos zu schnell in den Kurven?"
Klien: "Die erste Rechtskurve in Silverstone, die nach der Zielgerade, geht nun im Optimalfall voll. Dies macht sie zu einer der schnellsten und aufgrund des geringen Sturzraumes zu einer der potentiell gefährlichsten Kurven der Saison. Einen Defekt sollte man dort nicht haben. Formel 1 ist Fahren am Limit, jedoch darf man das Risiko sicher nicht unüberschaubar werden lassen."
Frage: "Wie geht es dir in deiner neuen Wohnung? Hattest du überhaupt Zeit, dich dort einzurichten?"
Klien: "Ich habe mich nun schon eingerichtet und finde es dort prima. Allerdings bleibt mir wenig Zeit, die neue Wohnung zu nutzen, da ich andauernd unterwegs bin."
Frage: "Du hast deiner Heimatstadt Hohenems einen Brunnen gestiftet. Wie bist du auf diese Idee gekommen?"
Klien: "Ich fuhr und fahre oft beim Mountainbiketraining durch die Bergregion von Hohenems. An dieser Weggabelung auf der Alpe Schuttannen stand immer ein stattlicher Holzbrunnen. Dieser wurde durch einen unschönen Betonbrunnen ersetzt. Ich dachte mir, dass die alte Variante einfach schöner war, und ich habe dann die Initiative ergriffen und der Stadt Hohenems sowie der Alpe Schuttannen diesen Holzbrunnen gestiftet. Der passt bedeutend besser in die herrliche Alpenlandschaft."
Frage: "Schlussfrage: 2006 scheint das härteste Jahr deiner Karriere zu werden beziehungsweise zu sein. Du bist mit 23 noch sehr jung. Hast du dich aufgrund der Ereignisse der letzten Wochen verändert? Wirken sich diese Fragen um deine Zukunft auf dein Privatleben beziehungsweise auf deine Weltsicht aus?"
Klien: "Ich bin zwar schon das dritte Jahr in der Formel 1, bin aber immer noch der jüngste der aktuellen Red-Bull-Formel-1-Fahrer beziehungsweise der zweitjüngste im kompletten Formel-1-Fahrerfeld. Das Erstaunlichste ist für mich in diesem Jahr, dass ich seit dem ersten Rennen in Bahrain, wo ich gleich den ersten WM-Punkt für unser Red-Bull-Racing-Team einholen konnte, permanent mit der Fahrerdiskussion konfrontiert werde. Ich werde meinen Weg weitergehen und auf meinen Erfolg in der Formel 1 hinarbeiten."

