Kaltenborn: Eine Frau schreibt Geschichte

(Motorsport-Total.com/SID) - Es war ein historischer Moment und der Rummel entsprechend gewaltig: Acht Kamerateams, rund 20 Fotografen und 30 Reporter drängelten um die besten Plätze, als Monisha Kaltenborn Geschichte schrieb und endgültig zur mächtigsten Frau der Formel 1 aufstieg. Ab sofort hat die in Indien geborene Österreicherin bei Sauber das Sagen - sie ist damit die erste Frau an der Spitze eines Formel-1-Rennstalls. Und im testosterongesteuerten Umfeld des PS-Zirkus ist das nicht weniger als eine Sensation.

Die 41-Jährige genoss die Aufmerksamkeit und versuchte gleichzeitig die Bedeutung des Moments herunterzuspielen: "Es wäre ja verheerend, wenn man als Frau nicht auch als Frau wahrgenommen werden würde. Also ist es schon gut so und es hat seine Richtigkeit", sagte sie über den Trubel, der sie nicht aus der Ruhe bringen konnte. "Ich verstehe auch, dass es, da es nun mal etwas Neues ist, in den Medien dann ein Thema ist, aber mich selbst berührt das eigentlich nicht."

An ihrer Arbeit würde sich ohnehin nicht viel ändern, sagte Kaltenborn, da sie als Geschäftsführerin des Schweizer Privatteams ohnehin schon viel Verantwortung getragen habe. Nur der Druck erhöhe sich jetzt noch ein bisschen: "Für mich verändert sich primär, dass ich die gesamte Verantwortung auch spüre", sagte die gelernte Juristin. "Das ist eine große Verantwortung und die drückt schon etwas."

Keine Geschenke in der Männerwelt

Doch auch damit wird Kaltenborn umgehen können. Das beweist ein Blick in ihre Vergangenheit - immer hat sie sich durchboxen müssen, denn in der Männer- und Machowelt Formel 1 wurde ihr nie etwas geschenkt. Ihr Aufstieg war langsam, aber stetig. Sie lernte das Geschäft von der der Pike auf. Schritt für Schritt ging es nach oben. So konnte sie mögliche Vorbehalte langsam abbauen.

Heute hat längst keiner der harten Männer mehr Probleme, sich mit ihr an den Verhandlungstisch zu setzen. "Bei Herrn Ecclestone ist das ohnehin kein Thema", sagte sie zuletzt über den 81-jährigen Formel-1-Geschäftsführer. "Er hat immer schon Frauen wichtige Themen anvertraut."

Und jetzt vertraut Patron Peter Sauber die Geschicke seines vor über 40 Jahren gegründeten Rennstalls mit gutem Gewissen Kaltenborn an. "Ich bin ganz sicher, dass Monisha alles Rüstzeug hat, um eine ausgezeichnete Teamchefin zu sein", sagte Sauber. Der 68-Jährige zieht sich aus Altersgründen zurück, bleibt aber Verwaltungsrats-Vorsitzender von Sauber.

Seit 2010 Geschäftsführerin in Hinwil

2000 startete Kaltenborn als Leiterin der Rechtsabteilung bei Sauber ihre Karriere, wenig später wurde sie Mitglied der Geschäftsleitung und übernahm deren Vorsitz im Januar 2010. Ende 2011 überschrieb ihr Peter Sauber bereits ein Drittel der Firmenanteile.

Dass sie einmal Geschichte schreiben würde, hätte Kaltenborn wohl selbst nicht gedacht, als 1971 in Dehradun im Norden Indiens als Monisha Narang geboren wurde und später ein renommiertes Mädcheninternat besuchte. Im Alter von acht Jahren wanderte sie mit ihren Eltern nach Österreich aus, studierte in Wien und London Jura, arbeitete zunächst in Stuttgart, wo sie den Deutschen Jens Kaltenborn kennenlernte und später nach Hindu-Ritus am Fuße des Himalaya heiratete.

Der Einstieg bei Sauber gelang ihr über die Fritz-Kaiser-Gruppe. Ihr damaliger Arbeitgeber war Teilhaber bei Sauber, Kaltenborn als Juristin zuständig für das Engagement im Motorsport. Als sich Kaiser zurückzog, wechselte sie 2000 zu Sauber.

Im Sinne Saubers wolle sie den Rennstall in die Zukunft führen. "Fair und konsequent" seien ihre wichtigsten Maximen, sagte sie. "Ich habe mir hohe Ziele gesetzt und möchte das Team weiterentwickeln und zu Erfolgen führen."