• 02.02.2003 18:36

Jos Verstappen im Interview – Teil 1

Im ersten Interview-Teil spricht Jos Verstappen über sein Formel-1-Comeback, das Minardi-Team und die neuen Regeln in der Formel

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Was ist es für ein Gefühl, für Minardi zu fahren? Was macht Minardi unter den Grand-Prix-Teams so besonders?"
Jos Verstappen: "Zunächst einmal kenne ich Paul Stoddart sehr gut. Ich kenne ihn nun schon seit sieben oder acht Jahren, als er im Team Sponsor war, für das ich fuhr, und ich denke, dass wir eine Beziehung zueinander aufgebaut haben. Zusätzlich habe ich im letzten Jahr begonnen mit Paul zu sprechen. Ich sagte ihm, dass ich sehr interessiert bin, wenn er einen Cosworth-Motor bekommt, denn ich kenne die Details des Autos genau von meinem Ingenieur, der bei Arrows gearbeitet hat und er ist mit den Aerodynamik-Zahlen sehr zufrieden. Ich habe deshalb begonnen, mich für das Team richtig zu interessieren. Ich muss sagen, dass die Atmosphäre im Team sehr entspannt war, als ich vor zwei Wochen in Italien war und ich denke, dass es ein sehr nettes Team ist."

Titel-Bild zur News: Jos Verstappen

Jos Verstappen saß diese Woche zum ersten Mal wieder im Formel-1-Auto

Frage: "Es gibt ja so viele Änderungen in der Formel 1 in diesem Jahr, freust du dich vielleicht schon darauf, die Autos ohne die Elektronik zu fahren?"
Verstappen: "Absolut. Ich denke, dass es sehr gut ist, was sie da an der Formel 1 geändert haben, die ganze Elektronik abzuschaffen. Ich glaube, dass dies genau das ist, was ein Formel-1-Fahrer braucht. Aus diesem Grund sind wir alle Formel-1-Fahrer. Sie müssen selbst fahren. Im letzten Jahr hing meiner Meinung nach viel von der Elektronik und dem Auto ab. Wenn das alles stimmt, dann kann man wirklich schnell fahren, aber ich denke, das sollte alles in den Händen des Fahrers liegen."

"Es war schwierig, zurückzukommen"

Frage: "Was ist es für ein Gefühl, nach einer Auszeit wieder ein Formel-1-Auto auszuprobieren? Wie schwierig ist es zu fahren und wie sehr muss man sich wieder einschießen, um mit den neuen Elektroniken umgehen zu können?"
Verstappen: "Die neuen Elektroniken wurden ja zur Saisonmitte (2001) eingeführt. Ich denke, dass es nicht sehr leicht ist, in die Formel 1 zurückzukommen, wenn man ein ganzes Jahr weg war, denn die Leute vergessen einen sehr schnell, es war deshalb sehr schwer, zurückzukommen. Wir mussten uns natürlich auch nach ein paar Sponsoren umschauen. Es war nicht leicht, besonders in der wirtschaftlich schwierigen Zeit im Moment. Es ist alles nicht so gut, es war wirklich schwierig, zurückzukommen und aus diesem Grund bin ich wirklich froh, für Minardi zu fahren und mit Paul zusammenzuarbeiten."

"Der Abstand wird kleiner sein"

Frage: "Glaubst du, dass du dank den kommenden Reglementsänderungen eine Chance haben wirst, im Minardi das Feld weiter vorne aufzumischen?"
Verstappen: "Das hoffe ich definitiv. Diese Regeländerungen werden definitiv den kleineren Teams helfen, denn in den großen Teams arbeiten so viele Leute an diesen Elektroniken, die die kleinen Teams nicht haben, es wird für die kleinen Teams aus diesem Grund ein wenig einfacher sein, zu den größeren Teams vorzustoßen. Aber mit Sicherheit wird der Abstand immer da sein, aber ich glaube, dass er kleiner sein wird."

Verstappen als Kart-Team-Chef erfolgreich

Frage: "Kannst du uns verraten, was du letztes Jahr gemacht hast, als du kein Formel-1-Auto fuhrst? Was hast du so getrieben? Und vor allem, wie hast du deine Fitness aufrecht erhalten?"
Verstappen: "Ich muss sagen, dass ich im letzten Jahr ziemlich viel Fahrrad gefahren bin, denn das ist eines meiner Hobbies und wir sind eine Menge Freunde, die das zusammen tun. Zwei, drei oder sogar manchmal vier Mal am Tag sind wir rund 70 bis 80 Kilometer am Tag gefahren. Und so habe ich meine Fitness aufrechterhalten. Von der Fitness her habe ich nicht viel gemacht, denn es fällt mir sehr schwer, all diese Fitness-Arbeit durchzuziehen, wenn man nicht fährt und diese Arbeit nicht machen muss."

"Das andere, was ich im letzten Jahr gemacht habe, ist Go-Kart-Fahren, da ich seit langer Zeit ein eigenes Team besitze und einem jungen Talent in Holland helfe. Wir gewannen den Titel in der Formel Super A, das ist die höchste Go-Kart-Klasse. Und ich bereitete die Motoren vor, denn das ist eines meiner Hobbies. Wir waren also gestern wirklich gut unterwegs. Ich habe es genossen. Ich meine, ich war viel mehr zu Hause bei meinen Kindern. Ich hatte sehr viel Spaß. Auf der anderen Seite habe ich aber das Fahren vermisst, aus diesem Grund habe ich sehr, sehr hart an meinem Comeback gearbeitet."

Frage: "Du hast die Kinder erwähnt. Vielleicht kannst du uns sagen, wie viele Kinder du hast, Jungen oder Mädchen, und wie alt sie sind?"
Verstappen: "Ich habe einen Jungen, der fünf Jahre alt ist, sein Name ist Max. Und ich habe ein kleines Mädchen, sie ist drei Jahre alt."

Frage: "Hast du Max nach Max Mosley benannt?"
Verstappen: "Nein. Meine Frau hat diesen Namen ausgewählt. Ich denke, dass sie ihn eher nach Max Biaggi so benannt hat. Sie wollte auch einen starken und kurzen Namen und ich denke, dass da Max sehr gut ist."

Verstappen fordert weniger Abtrieb

Frage: "Glaubst du, dass die Formel 1 bei den Reglementsänderungen weit genug gegangen ist oder was hättest du gerne noch geändert gesehen?"
Verstappen: "Von dem was ich weiß, gehen sie in die richtige Richtung, auch bei der Aerodynamik. Im nächsten Jahr werden wir alle denselben Heckflügel fahren müssen, das ist ein guter Schritt nach vorne. Ich denke, dass sie den Abtrieb noch deutlich mehr verringern sollten und dann wieder Slick-Reifen einführen sollten, so dass wir ein wenig mehr mechanischen und weniger aerodynamischen Abtrieb haben, so dass wir dichter aufeinander fahren können, um spannendere Rennen zu bekommen."

Verstappen freut sich auf den Rummel

Frage: "Hast du eine Idee, was du erwarten kannst, wenn du nach Australien kommst? Der Empfang von Minardi, das ja dort das Heim-Team ist, war ja letztes Jahr gigantisch. Freust du dich auf solche Dinge?"
Verstappen: "Ja, darüber habe ich mich mit Paul unterhalten, denn es ist seine Heimatstadt und er hat gesagt, dass ich dort ein sehr beschäftigtes Wochenende haben werde und ich mich darauf vorbereiten muss. Aber ich freue mich darauf. Es ist immer gut mit Paul. Ich war in so vielen Teams, wo es manchmal schwierig war, mit den Leuten zu arbeiten, aber mit Paul werden wir definitiv eine fantastische Saison haben."

Stoddart hielt einst Verstappens Boxentafel

Frage: "Woher kommt diese Beziehung? Rührt diese aus den Tyrrell-Zeiten her?"
Verstappen: "Ja, sie wurde in der Tyrrell-Zeit geboren. Er war ein Sponsor und er war immer im Team, man bekommt Kontakt zu den Sponsoren und Paul war einfach nur ein völlig normaler Mensch, nicht der Sponsor-Typ, und er war Teil des Teams. Er hielt meine Boxentafel, auch bei Arrows, und hat immer sehr gut gearbeitet. Ich habe ihn deshalb gefragt, ob er auch in diesem Jahr meine Boxentafel halten möchte."

Verstappen ist vom neuen Qualifying-Modus begeistert

Frage: "Aus der Sicht eines Fahrers, wie wird das Qualifying werden, wenn man nur eine Runde fahren darf und kein Ersatzauto hat? Denkst du, dass die Fahrer so hart wie immer fahren werden oder werden sie es lockerer angehen lassen?"
Verstappen: "Das weiß man nie, denn man hat es ja zuvor noch nie gemacht. Ich denke aber, dass es das Qualifying sehr interessant machen wird. Man weiß ja auch nie, wie sich das Wetter verhält. Vielleicht beginnt es zur Hälfte des Qualifyings zu regnen und dann starten die schnelleren Autos plötzlich von hinten im Feld und man erhält ein fantastisches Rennen. Aber ich mag die Qualifying-Regelung wirklich, eine Runde und wir müssen wieder an die Box. Wenn du es nicht packst, dann startest du als Letzter, ich denke also, dass das Feld ein wenig aufgemischt werden wird und ich glaube, dass die Leute genau das sehen wollen: Michael Schumacher rollt das Feld von hinten auf, wird von ein paar langsameren Autos aufgehalten und dadurch erhält man sehr aufregende Rennen."

Neuer Minardi um den 12. Februar herum fertig

Frage: "Die neue Saison steht kurz bevor, es ist nur noch ein Monat. Denkst du, dass du genug Zeit haben wirst, dich an ein Formel-1-Auto zu gewöhnen, bis es in Melbourne losgeht?"
Verstappen: "Das hoffen wir definitiv. Ich muss mich natürlich erst wieder an ein Formel-1-Auto gewöhnen, es ist ja schon 13, 14 Monate her, dass ich ein Formel-1-Auto gefahren bin. Ich hoffe, dass das neue Auto um den 12. Februar herum fertig sein wird, wir können also hoffentlich fünf, sechs Tage mit ihm fahren, das wäre genug. Natürlich ist es nicht genug, wenn man sieht, wie viel Ferrari testet, sie fahren drei oder vier Mal in der Woche. Aber so ist es nun einmal, damit müssen wir leben."

Frage: "Liegt es daran, dass ihr mit dem PS01 testeten musstet, weil dieses Auto den Cosworth-Motor aufnehmen kann wohingegen das 2002er-Auto für den Asiatech-Motor gebaut war?"
Verstappen: "Das ist richtig. Das letztjährige Auto hatte einen Asiatech-Motor und sie stellen diese Motoren nicht mehr her, aus diesem Grund mussten wir das Auto des Vorjahres fahren, wo wir den Cosworth-Motor hatten. Aber es ist nicht die Motorversion, die wir dieses Jahr fahren werden."

Was macht Verstappen eigentlich bei Minardi?

Frage: "Was versprichst du dir davon, wenn du mit Minardi in die Formel 1 zurückkehrst? Du warst zunächst bei Benetton in einem sehr guten Team und du warst in den vergangenen Jahren in Teams, die ganz offensichtlich nicht so gut waren. Ein junger Fahrer könnte Minardi als Sprungbrett zu einem besseren Team ansehen, aber was kann sich ein Jos Verstappen von einem Vertrag bei Minardi versprechen?"
Verstappen: "Ich bin im letzten Jahr nicht in der Formel 1 gefahren und ich habe das Rennfahren wirklich vermisst. Mir wurde angeboten, Tourenwagen und IndyCars zu fahren, aber ich denke, dass die Formel 1 technologisch weiter ist und dort möchte ich sein, so lange ich kann. Ich denke, dass Minardi in diesem Jahr das beste Paket aller Zeit hat, sie haben Justin Wilson, er ist ein sehr guter Fahrer, jeder schätzt ihn sehr hoch ein, und wenn ich besser sein kann als er, dann werden sich die Teams auch für mich interessieren. Und vielleicht bleibe ich auch bei Minardi, wenn sie gut sind. Wenn sie ein ordentliches Budget zusammentragen können, dann denke ich, dass im Team sehr gute Leute sind, die das positiv nutzen können."

Verstappen hat kein Problem, ein "Bezahlfahrer" zu sein

Frage: "War es für dich schwierig zu akzeptieren, dass du dieses Mal Sponsoren mitbringen musstest? Davor hattest du dies scheinbar nie tun müssen, aber Paul Stoddart stellte klar, dass wer auch immer für ihn fahren wird, Sponsoren mitbringen muss, um dem Team beim Überleben zu helfen. War das für dich schwierig zu akzeptieren?"
Verstappen: "Nicht wirklich. Ich meine, jeder weiß doch wie die Situation in der ganzen Welt ist und ich denke, dass mehr Teams als nur Paul Stoddart Geld brauchen. Man schaue sich zum Beispiel Jordan an. Ich denke mehr auch an die größeren Teams. Die Sponsoren sind in der Formel 1 sehr wichtig und wenn ein Fahrer helfen kann, so ist das eine Hilfe."

Frage: "Helfen die neuen Regeln dabei, Sponsoren zu finden? Kannst du ihnen nun die Idee verkaufen, dass jetzt sogar ein Minardi regelmäßig in die Punkte fahren kann?"
Verstappen: "Besonders, da man ja nun bis zum achten Platz Punkte erhält, ja. Ich denke wirklich, dass Minardi ein gutes Paket haben wird, wir werden aber natürlich noch abwarten müssen, welche Leistung das Auto bringen wird, wenn wir es das erste Mal ausprobieren, es ist also schwierig, etwas darüber zu sagen. Aber Michael hat es für die Sponsoren im letzten Jahr nicht leichter gemacht, da er die Meisterschaft schon im achten oder neunten Rennen gewann und aus diesem Grund hat die FIA so viel an den Regeln verändert, denn sie wollen die Formel 1 für die Leute wieder attraktiver gestalten."

Verstappen würde voll gegen Schumacher dagegenhalten

Frage: "Es kann ja durch die Regeln passieren, dass jemand wie Michael Schumacher am Start des Rennens hinter dir steht. Wie sehr würdest du gegen einen Fahrer wie diesen kämpfen, um deine Position zu verteidigen?"
Verstappen: "So sehr wie ich kann. Wir sind abseits der Strecke Freunde, aber sobald wir Rennen fahren, fahren wir richtig gegeneinander und je länger ich ihn halten kann, desto besser ist das natürlich für mich, in dieser Situation kann man zeigen, welch guter Fahrer man ist."

Frage: "Denkst du, dass wir viele Situationen sehen werden wir vor ein paar Jahren, als Enrique Bernoldi in Monaco David Coulthard für fast das ganze Rennen aufhielt?"
Verstappen: "Ich denke, dass das die Idee ist, die dahinter steckt."