• 30.09.2006 20:15

  • von Michael Noir Trawniczek

Johannes Klien: "Mehr Wall Street als Rennstrecke..."

Johannes Klien, Vater und Manager von Sohn Christian, gibt Einblicke in seinen Job als Manager und wie man diesbezüglich in der Formel 1 agieren muss

(Motorsport-Total.com) - Johannes Klien ist nicht nur der Vater, sondern auch der Manager von Christian Klien. Seit drei Jahren atmet auch er die dünne Luft der "Königsklasse des Motorsports". Nach Kliens Austritt aus dem Red Bull-Kader hat Klien Senior begonnen, das Management-Team rund um seinen Filius zu verstärken. Während Christian in der Heimat den Grand Prix von China im Fernsehen mitverfolgt, verhandelt Vater Johannes bereits wieder vor Ort, in Shanghai.

Titel-Bild zur News: Christian Klien

Johannes Klien ist der Manager seines Sohnes Christian

Frage: "Johannes, du bist für das Management von Christian verantwortlich. Ihr verhandelt zum einen mit Spyker, zum anderen aber auch mit einem oder mehreren Werksteams in punkto Testfahrerjob - auch in Hinblick auf ein späteres Aufsteigen zum Einsatzfahrer? Mit Vorbild Alex Wurz?"
Johannes Klien: "Wenn du bei einem Werksteam einen Testfahrerplatz bekommen kannst, mit der Aussicht auf ein Cockpit als Einsatzpilot, dann ist das sicherlich optimal."#w1#

Klien Junior ist zuhause, der Senior vor Ort

Frage: "Du verhandelst direkt in Shanghai..."
Klien: "Du musst vor Ort sein, um alle Möglichkeiten optimal nützen zu können. Ich glaube beispielsweise, dass es 2008 massive Änderungen geben wird. Da wird es auch bei einigen etablierten Piloten vom Alter her einen Punkt geben, an dem sie aufhören werden. Junge Fahrer rücken dann ganz natürlich nach - nur musst du dann im Prinzip auch im Jahr 2007 vor Ort sein, denn sonst wird es auch in Hinblick auf 2008 bereits wieder um einiges schwieriger."

2008 soll die "junge Generation" zum Zug kommen"

Frage: "Apropos 2008: Hast du auch mit David Richards Kontakt aufgenommen? Prodrive wird ja 2008 in die Formel 1 einsteigen."
Klien: "Auch. 2008 wird es einige Möglichkeiten geben, du hast auf jeden Fall um zwei Einsatzcockpits mehr zur Verfügung. Da wird es mehr Bewegung geben, als es in den letzten Jahren der Fall war. Es werden junge Fahrer nachrücken und es wird auch zu einer Gehaltsreduktion kommen. Denn diese großen Gehälter, die derzeit bezahlt werden, die wird es dann nicht mehr geben."

"Vor allem wenn es den jungen Piloten gelingen sollte, dass sie aufzeigen können, dass sie auf dem gleichen Niveau wie die arrivierten Fahrer agieren können. Dann wird man sich darüber sicher Gedanken machen - einfach weil die jüngeren Fahrer preiswerter sind."

Frage: "Aber in eurem Fall geht es ja weniger um das liebe Geld als um eine Fortsetzung der Karriere?"
Klien: "Ja, das hat jetzt nichts mit unserem konkreten Fall zu tun - es geht darum, dass Christian in der Liga, in der er bislang gefahren ist, weiterfahren kann. Und dass er seine bislang gemachten Erfahrungen nützen kann."

Spyker ist die Option Nummer 1

Frage: "Spyker ist aber ganz klar die Hauptoption, oder? Es gibt ja auch sonst keine Einsatzcockpits mehr, die in Frage kommen würden."
Klien: "Ganz klar. Wenn die Entscheidung bei Red Bull Racing früher gefallen wäre, beispielsweise im Juni, dann hätte es sehr viel mehr Optionen für den Christian gegeben. Im August gibt es naturgemäß viel weniger Möglichkeiten, das ist ganz klar."

Frage: "Spyker-Teamchef Colin Kolles kennt Christian schon aus der Formel 3..."
Klien: "Schon früher, sie kannten einander bereits in der Formel Renault. Wir standen auch ständig in Kontakt."

Frage: "Und damals war Christian ja sehr schnell unterwegs, als Sieger des Marlboro-Masters zum Beispiel."
Klien: "Ja, ich denke, der Herr Kolles kann die Fähigkeiten von Christian sicherlich richtig einschätzen. Und es ist ja auch so, dass sich das Team an uns gewendet hat - sie sind auf uns zugekommen, nicht wir auf sie. Das Problem lag auch darin, dass viele Manager geglaubt haben, dass Christian bei Red Bull Racing bleiben würde und dass sie ihn deshalb erst gar nicht auf ihrer Liste stehen hatten. Erst jetzt sehen sie, dass er zu haben ist. Das Interesse ist jedenfalls da."

Klien und der Vergleich mit David Coulthard

Frage: "Christian bringt mit 23 Jahren bereits drei Jahre an Formel-1-Erfahrung mit. Was sagst du zu der Aussage von David Coulthard, wonach der Christian einfach zu früh in die Formel 1 kam und quasi verheizt wurde?"
Klien: "Ich weiß nicht genau, was David gesagt hat, das muss der Christian beantworten. Aber was Christian mir gesagt hat, glaubt er nicht, dass er zu früh in die Formel 1 kam. Denn es war ja eigentlich von Anfang an ein Dreijahresplan vorgesehen."

"Anders geht es auch nicht. Denn du bist dann vielleicht im ersten Jahr vorn dabei, das hat man bei Nico Rosberg gesehen, der hatte am Beginn der Saison ein verdammt schnelles Auto, danach war das Auto nicht mehr so schnell und dann läuft es halt auch nicht mehr so gut. Und es sind halt auch ganz unterschiedliche Pakete unterwegs. "

"Und wenn man nur auf die WM-Punkte schaut, dann muss man sich Gedanken machen, wie diese Punkte zustande gekommen sind. Wenn man die Rennperformance betrachtet und man sieht, dass Christian und David bei acht Rennen gemeinsam die Zielflagge erreicht haben, dann sieht man, dass der Christian davon fünfmal vor Coulthard ins Ziel gekommen ist."

"In diesen acht Rennen hat Christian siebenmal die schnellere Rennrunde gefahren. Da erkennt man dann eigentlich, dass sich der Christian mit dem immerhin viertbesten Fahrer aller Zeiten zumindest auf einem Niveau bewegt."

Kritik: Berechtigt oder unberechtigt?

Frage: "In Bahrain wurde Christian Achter. Dabei hieß es vorher immer, man wisse nicht, ob man überhaupt die Zielflagge sehen werde, weil man bei den Tests ja lange Zeit wegen der zu kleinen Kühler nur drei Runden am Stück fahren konnte. Zu diesem achten Platz sagte Dr. Helmut Marko: 'Achte Plätze sind nicht genug. Warum sind wir nicht Zweiter, wie Ferrari?' Daran kann ich mich noch gut erinnern, weil ich mir dachte: Warum sagt er nicht etwas wie: 'Toll, dass wir nicht nur ins Ziel gekommen sind, sondern auch noch einen Punkt erhalten haben'."
Klien: "Und genau deshalb ist Ferrari auch weiter vorne als Red Bull Racing - weil man eben bei den Tests nicht nur drei Runden am Stück fahren konnte."

Frage: "Man hat auch immer wieder gehört, dass es Red Bull Racing respektive Dr. Marko gestört haben soll, dass du immer vor Ort bist. Als Manager von Christian musst du ja vor Ort sein, oder?"
Klien: "Klar, mich interessiert halt auch, dass ich weiß, was Sache ist, und das erfährst du nur vor Ort. Man sieht und erkennt einfach mehr die Zusammenhänge, wenn man vor Ort ist. Außerdem interessiert es mich auch als Motorsportler - da bin ich schon froh, wenn ich nicht über den Zaun klettern muss, da gehe ich dann schon lieber ins Fahrerlager. (lacht)"

Vettel hat seine Chance verdient

Frage: "Eine prinzipielle Frage: Sebastian Vettel kam als Freitagsfahrer schon mit 19 Jahren in die Formel 1. Ist das nicht ein bisschen zu früh?"
Klien: "Das ist für den Sebastian Vettel keine schlechte Möglichkeit, denn momentan hat er ein sehr schnelles Auto zur Verfügung. Wenn du dann als Fahrer eine derart gute Unterstützung bekommst, wie das bei ihm offensichtlich der Fall ist und du mit neuen Reifen, mit voller Drehzahl, mit leeren Tanks wirklich etwas zeigen kannst, und er hat etwas gezeigt, dann finde ich das nicht so schlecht."

"Vettel ist ja noch nicht voll in der Formel 1 integriert, er hat noch keinen Druck auf seinen Schultern lasten. Er muss ja noch nicht mit wenigen Trainingsrunden im Qualifying bestehen und sich im Rennen beweisen."

"Wenn man einen jungen Fahrer auf diese Art und Weise an die Materie heranführt, kommt das dem Fahrer auch zugute. Es kommt sicher auch auf den jeweiligen Fahrer an - aber wenn der Fahrer dazu in der Lage ist und er noch dazu ein geeignetes, konkurrenzfähiges Auto zur Verfügung hat, dann ist das sicher nicht verkehrt"

Die Formel 1 und ihr "Freitagsproblem"

Frage: "Aber vermittelt das nicht auch ein bisschen den Eindruck, dass die heutige Formel 1 zu leicht zu handeln ist? Wenn man als junger Fahrer gleich in der Lage ist, Bestzeit zu fahren? Sicher - mit dem enormen Vorteil von mehr Runden, weniger Sprit, neuen Reifen, höheren Drehzahlen."
Klien: "Die Medien werden es dann vielleicht schon verstehen und dann auch richtig wiedergeben - indem man auch dazu sagt, dass es sich hier eben um diese spezielle Freitagsgeschichte handelt. Und die Freitagsgeschichte muss man dann schon, wie du es richtig sagst, realistisch einschätzen."

"Was passiert da am Freitag? Der Pilot, der mit voller Drehzahl, unbegrenzten Runden, siebenmal neuen Reifen und wenig Sprit im Tank seine Runden dreht, hat natürlich ein anderes Ergebnis als jener Fahrer, der vielleicht zehn volle Runden drehen darf, mit vollen Tanks und der auf die Rennabstimmung schauen muss."

"Da sehen die Rundenzeiten natürlich vollkommen unterschiedlich aus. Und man kann das auch nicht eins zu eins umsetzen, indem man sagt: Okay, das hat mit diesem oder jenem Fahrer am Freitag super funktioniert und deshalb klappt es im Rennen auch.

"Es geht ja auch darum, wie stark das Paket ist, und das wiederum ändert sich auch laufend. Der David Coulthard hat gezeigt, dass er ständig im Podestbereich fahren kann, wenn er das richtige Auto hat. Heuer hat er das nicht und daher fährt er auch nicht ständig in Podestnähe. Das muss man schon auch erkennen."

Frage: "Derzeit ist es nicht sicher, ob es im kommenden Jahr überhaupt einen Freitagstester geben wird. Ist es dann nicht auch schwierig, hinsichtlich des Testpilotenjobs mit den Teams zu verhandeln?"
Klien: "Das Reglement ist in dieser Angelegenheit noch nicht ganz klar. Zudem gibt es noch mehr offene Fragen. Die Teams haben, soweit ich weiß, ein Abkommen erzielt, das jedoch nur ein Gentlemans Agreement ist. Dieses Abkommen besagt, dass man 30.000 Kilometer pro Saison testen darf."

"Nur, jetzt kommt der Punkt - das Zünglein an der Waage wird nämlich der Reifenhersteller sein, der es als Monopolist in der Hand hat, zu bestimmen, wie viele Testkilometer abgespult werden. Wenn Bridgestone also sagt, dass es nur Reifen für 20.000 Kilometer gibt, dann kann man nicht 30.000 Kilometer fahren."

"Diese Geschichte ist derzeit noch nicht spruchreif. Und deshalb ist es auch schwierig für die Topteams, zu entscheiden, welche Aufgaben dem Testfahrer oder den Testfahrern zugesprochen werden."

"Und das ist genau der Punkt, warum man bei den Verhandlungen nicht so schnell vorankommt. Es sollte aber in der nächsten Woche oder spätestens in Japan in dieser Frage Klarheit herrschen. Und erst dann kann man die Verhandlungen fortsetzen - es braucht eben in gewissen Punkten Zeit, um die Lage auch beurteilen zu können."

Wenn der Vater mit dem Sohn...

Frage: "Wie kann man sich das vorstellen? Christian und du, ihr beide sprecht dann wirklich persönlich mit den jeweiligen Teammanagern?"
Klien: "Ja, mit den Teams machen wir das meistens gemeinsam. Da sitzen wir dann auch gemeinsam an einem Tisch."

Frage: "Also kann man sich das so vorstellen, dass da wirklich Vater und Sohn an einem Tisch sitzen und mit den Entscheidungsträgern verhandeln? Klingt ja irgendwie idyllisch..."
Klien: "Man versucht halt, das auch mit seriösen Backgroundinformationen vernünftig aufzubauen. Natürlich machen wir das nicht nur zu zweit - es gibt dann schon auch Leute, die im Hintergrund für uns arbeiten. Das sind Leute, die bereits Erfahrung im Motorsportbusiness gesammelt haben. Und wir haben jetzt auch jemanden, der neu hinzu stoßen wird."

Verstärkung für Kliens Management-Team

Frage: "Und wer wird das sein? Ein bekannter Name?"
Klien: "Ich kann dir maximal verraten, wie viele Buchstaben der Name aufweist (lacht). Nein, aber man darf in diesem Medienbusiness ja nicht einfach ins Blaue hinein arbeiten. Da genügt es nicht, wenn du einfach nur Idealist bist. Da muss man schon gewieft sein, da braucht man dann schon die richtigen Leute und richtigen Connections."

Formel 1 ist Business

Frage: "Ganz klar, weil ja auch jedes falsche Wort sofort gegen dich verwendet werden könnte. Andererseits tötet man damit eben auch das Spontane. Einerseits möchte man die viel zitierten Charakterköpfe, die etwas zu sagen haben und andererseits knebelt man die Fahrer mit Maulkorbverträgen. Das ist ein nahezu unüberwindbarer Spagat, oder?"
Klien: "Schau, du musst dir das so vorstellen: Das sind ja Sportler, das sind ja keine Businessleute. Da kommen junge Sportler, Motorsportler. Ihr Leben lang ist der Sport relativ gesehen im Mittelpunkt, der Großteil ihres Lebens dreht sich um sportliche Leistungen."

"Und dann kommt auf einmal das Formel-1-Business. Und wenn du in den Paddock hinein gehst, dann hast du eher das Gefühl, du kommst nach New York an die Wall Street als auf eine Rennstrecke."

"Und dort, an der Rennstrecke, sind natürlich sehr gewiefte und sehr erfahrene Businessleute unterwegs. Und dann kommen die jungen Sportler daher, die ja eigentlich hauptsächlich darauf aus sind, Rennsport zu betreiben und ihre Gegner zu schlagen. Und die prallen natürlich mit ihren Vorstellungen auf diese Businesswelt."

"Und da bist du dann gut beraten, dass du dich in deinem Team erst einmal unterordnest. Damit du als junger Fahrer nicht gleich in ein Fettnäpfchen hinein trittst. Das ist ja ganz normal, da bleibt dir auch gar nichts anderes übrig. Die Presse hat natürlich keine Freude damit - aber es handelt sich um eine Zwangssituation, irgendwie."

Frage: "Das sehe ich auch so - dass man den Fahrern nicht die Hauptschuld daran geben darf. Das ist schon klar, dass die von ihren Teams dazu angehalten werden, so wenig wie möglich zu sagen."
Klien: "Oder auch bei den Verhandlungen - wenn man da beispielsweise bereits eine Einigung erzielt hat, da kann ja unmöglich der Fahrer diese Einigung bekannt geben. Das möchte man einfach nicht, das ist Aufgabe der Teams."

"Es kann auch sein, dass eine Entscheidung im Herbst gefällt wird und trotzdem wird sie erst im Januar bekannt gegeben - obwohl bereits alles unterschrieben ist. Und da funktioniert die Kommunikation einfach so, dass es eben die Teams sind, die diese Nachricht dann herausgeben. Der Fahrer hängt dann in der Luft. Er freut sich, würde auch gern etwas sagen - aber er darf nicht... "