Jacques Villeneuve im 'F1Total.com'-Interview (Teil 2)

Klare Worte: Warum "JV" seinen zweiten BAR-Vertrag im Nachhinein bereut, mit welchen Journalisten er nicht kann und vieles mehr...

(Motorsport-Total.com) - Während bei Sauber in Hinwil und bei BMW in München die Vorbereitungen auf die erste Formel-1-Saison des neuen Werksteams auf vollen Touren laufen, vertreibt sich Jacques Villeneuve derzeit in aller Ruhe mit ein paar Freunden in Paris die Zeit. Der Kanadier hat seinen Vertrag für 2006 zwar in der Tasche, doch ob das Team diesen auch einhalten wird, ist eine andere Frage.

Titel-Bild zur News: Jacques Villeneuve

2005 könnte das letzte Jahr in der Karriere von Jacques Villeneuve gewesen sein

Im zweiten Teil des ausführlichen Interviews mit 'F1Total.com', welches wir am Sonntagabend aufgezeichnet haben, machte sich Villeneuve trotzdem Gedanken über die Perspektiven des neuen Rennstalls von BMW, Parallelen zur Tyrrell-Übernahme durch BAR Ende der 90er - und das Bedauern, vor einigen Jahren seiner Karriere mit einer folgenschweren Entscheidung einen maßgeblichen Dämpfer verliehen zu haben.#w1#

"JV" denkt nicht mehr so viel darüber nach, was andere denken...

Außerdem sprach er offen und ehrlich über sein schwieriges Verhältnis zu den Medien - einer unserer Kollegen vom 'Blick' kam dabei ebenso unter die Räder wie die britische Motorsportpresse, die zu Saisonbeginn bewusst das Gerücht lanciert hat, dass Anthony Davidson anstelle des 34-jährigen Ex-Weltmeisters bei Sauber-Petronas andecken könnte. Doch all diese Problemchen scheinen spurloser an Villeneuve vorbeizugehen als noch vor einigen Jahren...

Frage: "Jacques, nehmen wir mal an, dass du 2006 für BMW fahren wirst. Rechnest du dir eine bessere Ausgangsposition aus, denn im Gegensatz zu dieser Saison, als du neu im Team warst, hast jetzt du schon Erfahrung, während Nick Heidfeld als neuer Mann kommt..."
Jacques Villeneuve: "Außerdem werde ich viel Zeit zum Testen haben, um an den Problemen zu arbeiten. Das wird nächstes Jahr sicher kein Problem sein."

Frage: "Kannst du die Entwicklungsrichtung, die das Team einschlägt, tatsächlich beeinflussen?"
Villeneuve: "Das geht nur dann, wenn man um Rat gefragt wird, aber mit mir spricht ja niemand. Insofern ist es schwierig, die Entwicklung zu beeinflussen."

Frage: "BMW wird natürlich die Ressourcen und Finanzen auf ein höheres Niveau anheben, aber es ist dennoch ein neues Projekt. Das Beispiel Toyota zeigt, dass es ein Weilchen dauern kann, an die Spitze gelangen. Was ist deiner Meinung nach eine realistische Perspektive für das erste Jahr?"
Villeneuve: "Es ist kein neues Projekt, sondern eine Fortsetzung von Sauber."

Frage: "Aber mit zum Teil neuen Leuten."
Villeneuve: "Um ehrlich zu sein, weiß ich über den genauen Integrationsablauf nicht so genau Bescheid."

Vergleich zwischen Tyrrell/BAR und Sauber/BMW hinkt

"Es bleibt im Prinzip dasselbe Team, nur mit mehr Geld, mehr Budget, mehr Leuten." Jacques Villeneuve

Frage: "Kann man die Situation mit 1998/99 vergleichen, als 'British American Tobacco' das Tyrrell-Team übernommen und BAR gegründet hat?"
Villeneuve: "Nicht wirklich, denn damals wurde eine ganz neue Fabrik gebaut und alles auf den Kopf gestellt, aber in diesem Fall ändert sich bei Sauber eigentlich nicht allzu viel. Es bleibt im Prinzip dasselbe Team, nur mit mehr Geld, mehr Budget, mehr Leuten."

Frage: "Bei BAR war damals dein Freund und Manager Craig Pollock Teamchef, und es gab auch ein Gerücht, wonach auch du Anteile am Team gehalten haben sollst. Kannst du das ein für alle Mal aufklären?"
Villeneuve: "Nein, das stimmt nicht. Das war immer nur Craig, hatte mit mir aber nichts zu tun."

Frage: "Bereust du deinen Wechsel zu BAR vor Saisonbeginn 1999 eigentlich, denn bei einem anderen Team wärst du womöglich erfolgreicher gewesen..."
Villeneuve: "Den ersten Vertrag bereue ich nicht. Das war ein Traum, den ich mir erfüllen wollte. Wenn man sich ansieht, wie es dann weiter gelaufen ist, bereue ich aber schon, den Vertrag noch einmal verlängert zu haben. Bereuen ist vielleicht das falsche Wort, aber als ich den zweiten Vertrag unterschrieben habe, wusste ich nicht, was auf mich zukommen würde. Ich habe unterschrieben - und dann hat sich alles geändert. Wenn dieser Veränderungsprozess zwei Monate früher eingetreten wäre, hätte ich sicher nicht mehr unterschrieben. Das sage ich im Nachhinein, aber davor konnte ich das ja nicht wissen."

Frage: "Es ist immer einfach, im Nachhinein etwas anders zu sehen, nicht wahr?"
Villeneuve: "Richtig. Zu dem Zeitpunkt, als ich unterschrieben habe, gab es keinen Grund, weshalb es nicht ein gutes Projekt hätte werden können. Gleich danach hat sich aber alles verändert."

Seine Loyalität kam Villeneuve teuer zu stehen

Jacques Villeneuve

Auf Abwegen: Zwischen 1999 und 2003 fuhr Villeneuve eher erfolglos für BAR Zoom

Frage: "Nach der zweiten Unterschrift gab es weiterhin einige sehr attraktive Angebote, die du allesamt ausgeschlagen hast. Kam dir da nie der Gedanke, BAR stehen zu lassen und etwas Neues auszuprobieren?"
Villeneuve: "Nein. Ich lasse niemanden im Regen stehen! Wenn ich einen Vertrag unterschreibe, dann halte ich mich auch daran. Ich stehe zu meinem Wort. So läuft das eben. Das ist das Problem: Prinzipien können einen teuer zu stehen kommen - und ich musste für meine einen hohen Preis zahlen. Zumindest kann ich aber von mir sagen, dass ich meinen Prinzipien treu geblieben bin."

Frage: "Die Leute sagen immer, dass in der Formel 1 vor zehn Jahren alles besser war..."
Villeneuve: "Das haben sie vor zehn Jahren auch schon gesagt, vor 20 Jahren genauso. Das ist wohl der natürliche Lauf der Dinge."

Frage: "Was hat sich wirklich verändert, und ich meine nicht so sehr die Technologie, sondern das Leben im Fahrerlager, in dem sich ja immer mehr Menschen - zum Beispiel Journalisten und Sponsorenvertreter - aufhalten?"
Villeneuve: "Die Leute werden eben älter. Manchmal verlieren sie dadurch gegenüber früheren Jahren ein wenig den Bezug zur Realität (lacht)..."

Frage: "Ist es manchmal vielleicht sogar so, dass du als Fahrer nicht einmal mehr genau weißt, mit wem du da gerade redest?"
Villeneuve: "Nein. Wenn man schon so viele Jahre dabei ist, kennt man die Leute. So viele neue Gesichter gibt es dann auch wieder nicht."

Frage: "Was dich als Persönlichkeit angeht, scheint dich speziell die britische Presse zu sabotieren, obwohl sich gerade die Briten immer aufregen, weil es angeblich keine Charaktere mehr gibt. Warum ist das so, wo du doch ihrem Anforderungsprofil perfekt entsprechen würdest?"
Villeneuve: "Ich weiß es nicht, denn jedes Mal, wenn ich mit einem von ihnen spreche, freuen sie sich, mich zu sehen, weil ich etwas zu sagen habe. Gleichzeitig gibt ihnen das aber Material, etwas zu kritisieren oder Blödsinn daraus zu machen."

Schwerer Stand bei einem Journalisten aus der Schweiz

Frage: "Gibt es bestimmte Journalisten, mit denen du nicht klarkommst?"
Villeneuve: "Es gibt da einen Schweizer, ja (der Kollege ist uns natürlich bekannt, von einer namentlichen Nennung nehmen wir aber bewusst Abstand; Anm. d. Red.). Von dem Moment an, als mich Peter (Sauber; Anm. d. Red.) unter Vertrag genommen hat, hasste er mich, weil er in der ganzen Sache nie um seine Meinung gefragt wurde. Ich habe aber keine Ahnung, warum er mich nicht leiden kann, denn ich habe nie wirklich mit ihm gesprochen. Eigenartig."

"Solange man gut miteinander reden kann, stören mich Journalisten nicht." Jacques Villeneuve

Frage: "Wenn wir schon von Journalisten sprechen: Wir unterhalten uns gerade an einem Sonntagabend während der Winterpause. Geht dir das nicht gewaltig auf den Geist, oder lässt sich das einfach leichter wegstecken, weil du nicht mehr ganz so im Rampenlicht stehst wie früher?"
Villeneuve: "Solange man gut miteinander reden kann, stören mich Journalisten nicht - und wir kommen doch gut miteinander klar, oder?"

Frage: "Ich wollte eher darauf hinaus, ob dich der ganze Medienwirbel generell weniger stört als früher..."
Villeneuve: "Vielleicht ist es das Alter - oder die Tatsache, dass ich die Weltmeisterschaft schon gewonnen habe und niemandem mehr etwas beweisen muss. Das alles hilft sicher."

Frage: "Wann hast du eigentlich deinen nächsten PR- oder Testtag?"
Villeneuve: "Keine Ahnung. Ich habe keinen Kontakt zum Team, weiß es also nicht. Die Tests beginnen wieder am 28. November, aber das Team hat sich noch nicht entschieden, ob Nick fahren soll, ich - oder jemand ganz anderes. Ich kann also nicht sagen, wann ich wieder arbeiten werde."