Irvine: "Michael ist auch nur ein Angestellter Ferraris"
Der frühere Teamkollege des Deutschen erklärt, warum der vierfache Weltmeister seiner Meinung nach richtig handelte
(Motorsport-Total.com) - Die Meinungen über Ferraris mit aller Härte durchgeführten Stallorder beim Großen Preis von Österreich haben weltweit für Entrüstung bei den Motorsportfans gesorgt und auch in der Königsklasse selbst ist die Aktion der "Roten" drei Tage nach dem Vorgefallenen ein heißes Eisen. Eddie Irvine, von 1996 bis 1999 Teamkollege Michael Schumachers, hat sich in seiner Kolumne für die englische Zeitung 'The Sun' nun zum Lager derer bekannt die den vierfachen Weltmeister vor der ihm entgegenschwappenden Welle an Kritik in Schutz nehmen und auch die Entscheidung seines Rennstalls nachvollziehen können.

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Irvine: "Hätte ich mich widersetzt, wäre ich rausgeflogen"
"Aus meiner Sicht muss man das was vorgefallen ist aus zwei Blickwinkeln betrachten", so Irvine, der sich in seiner Ferrari-Zeit - genauso wie Rubens Barrichello jetzt - ebenfalls den Instruktionen der Ferrari-Teamleitung unterordnen hatte müssen. "Vom Teamstandpunkt betrachtet kann ich, wenn für Ferrari, die Sponsoren und die Anteilseigner der erneute Gewinn der Weltmeisterschaft über allem steht, diese Entscheidung nachvollziehen. Jedoch finde ich, dass es keine besonders gute Art und Weise ist wie man die Titelverteidigung so erreichen will", gibt auch der Nordire zu, dass er moralisch gesehen Schwierigkeiten mit der Stallregie hat.
Wer die Anweisungen nicht befolgt fliegt
Aus seiner eigenen Erfahrung weiß der bei Jaguar Racing auf Grund der bescheidenen Konkurrenzfähigkeit des Autos hinterherfahrende Rennfahrer nur zu gut, dass Ferrari zum einen keine Widerworte gelten lässt, zum anderen die Teamorder auch in der Vergangenheit nicht nur einseitig angewendet wurde: "Ich bin drei Jahre lang an Michaels Seite gefahren und habe nie eine Anweisung nicht befolgt. Hätte ich das zum Beispiel 1999 beim Großen Preis von Frankreich, wo ich Michael passieren ließ, sodass er einen WM-Punkt mehr holen konnte, getan, dann hätte man mich entlassen. Die Tatsache, dass sich Michael dann später bem Großbritannien-Grand Prix das Bein brach und mich am Ende auch das Vorbeilassen in Frankreich den Gewinn der Weltmeisterschaft gekostet hat, ist unerheblich", sagt der 36-Jährige, der die negativen wie auch positiven Auswirkungen einer Teamorder zu spüren bekam. In der verletzungsbedingten Pause Schumachers hatte nämlich dessen Ersatz, Mika Salo, seinen Sieg in Hockenheim an Irvine abtreten müssen. Nach Schumachers Geneseung überließ der Deutsche seinem jahrelangen treuen "Wasserträger" bekanntlich auch den Sieg in Malaysia und bewies, dass er ein Teamplayer ist. Am Ende half dies aber alles nichts, denn bekanntlich holte sich Mika Häkkinen mit 2 Punkten Vorsprung den Titel - Irvine wurde Vizeweltmeister.
Michael ist kein Vorwurf zu machen
Nach der in den letzten Tagen an seinem früheren Teamkollegen aufgekommene Kritik, wonach er sich ja bei seinem großen Vorsprung in der Fahrerwertung und angesichts der weiterhin zu befürchtenden Dominanz der roten Renner aus Maranello der Stallregie widersetzen hätte können, ergreift Irvine ungewöhnlich deutlich Partei für Schumacher: "Michael ist kein Vorwurf zu machen. Seine Hände sind ihm genauso gebunden wie sie es Rubens auch sind. Man sollte einfach mal all die Millionen die man ihm bezahlt, all die Siege die er geholt hat und seinen Status vergessen. Was dann übrig bleibt ist doch schlicht und ergreifend, dass auch er nur ein Angestellter Ferraris ist. Er muss machen was man ihm sagt. Hätte er sich widersetzt, so hätte das Probleme ganz anderer Art heraufbeschworen und Michael ist ein wirklich professioneller Rennfahrer und ein Teamplayer."
Möchte auch 2003 in der Formel 1 fahren
Was seine eigene Zukunft in der Königsklasse anbelangt, schließlich läuft sein Vertrag mit Jaguar Racing diese Saison aus, ließ Irvine durchblicken, dass er auch im nächsten Jahr der dienstälteste Pilot im Millionen-Business sein möchte: "Ich werde schauen, dass ich in das bestmögliche Auto komme das ich bekommen kann. Wenn ich jedoch fühle dass Jaguar wirklich ranklotzt, dann würde ich gerne bleiben. Ist dem nicht so, dann muss ich mir ein anderes Team suchen. Es ist aber schwierig sich zu verkaufen, wenn man sich immer am Ende der Startaufstellung qualifiziert", wies Irvine noch auf ein ganz anderes Dilemma hin.
An seinem und dem Beispiel von Jacques Villeneuve kann man nämlich sehen, dass aller guten Vorsätze zum Trotz bei ausbleibenden Resultaten die erfolgshungrigen Piloten sich wieder danach zurücksehnen wovon sie vor ihrem Wagnis die Schnauze voll hatten. Aber die Formel 1 ist ja bekanntlich eine Sportart in der ohnehin nichts vorherzusehen ist und ohne Mut zum Risiko kann man schließlich auch nichts erreichen...

