• 26.01.2007 14:33

  • von Michael Noir Trawniczek

Interview zum Formel-1-Engagement von 'Oerlikon'

'Oerlikon'-Geschäftsführer Thomas Limberger erläutert, wie die Partnerschaft zwischen seinem Unternehmen und Red Bull Racing ablaufen wird

(Motorsport-Total.com) - Ein großer Technologiekonzern und ein Formel-1-Team gehen eine Kooperation ein - so wurde es bei einer Pressekonferenz im Salzburger 'Hangar-7' bekannt gegeben. "Für uns bietet die Zusammenarbeit eine ideale Plattform, um die Qualitäten und Technologien unseres Unternehmens einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Im Gegenzug erhält Red Bull Racing den unmittelbaren Zugriff auf die rund 1.500 Wissenschaftler und Ingenieure, die Innovation von morgen entwickeln", heißt es im Pressetext.

Titel-Bild zur News: Thomas Limberger

Thomas Limberger von 'Oerlikon' im Rahmen einer Pressekonferenz

Doch was genau passiert in einer solchen Kooperation? Wie kann man sich die Zusammenarbeit zwischen einem Formel-1-Rennstall und 1.500 Wissenschaftlern vorstellen? Wir haben nachgefragt - bei 'Oerlikon'-Geschäftsführer Thomas Limberger.#w1#

Partnerschaft steht ganz am Anfang

Frage: "Herr Limberger, wie kann man sich diese Kooperation vorstellen? Sind Sie über ein Datennetz verbunden? Wussten Sie schon vor der Präsentation, wie der neue Red-Bull-Renault RB3 aussehen wird?"
Thomas Limberger: "Nein. Wir sind ja erst am Startpunkt für diese Kooperation. Wenn wir dieses Gespräch vielleicht in einem Jahr führen, oder wahrscheinlich auch in weniger als einem Jahr, dann würde die Antwort wahrscheinlich Ja lauten. Wir sind jetzt gerade dabei, die Leute zusammenzuführen, die ersten Kontakte zu knüpfen. Und in der Zukunft kann ich Ihnen dann hoffentlich auch ganz gezielt erzählen, wo wir bestimmte Komponenten drin haben - denn das ist ja die Idee dahinter."

Frage: "Sie sprachen in der Pressekonferenz davon, dass Adrian Newey mit 1.500 Fachmenschen kommunizieren könne - die Formel 1 ist zugleich bekannt für ihre Geheimniskrämerei. Ist das nicht ein Sicherheitsrisiko, wenn so großflächig kommuniziert wird?"
Limberger: "Gut, das heißt ja nicht, dass jeder der 1.500 Wissenschafter automatisch in die Fahrzeugentwicklung integriert ist."

Frage: "Kamen von Red Bull Racing keinerlei Bedenken, man könnte Informationen verlieren? Bei einem so großen Datennetz besteht doch die Gefahr, dass jemand beispielsweise der Konkurrenz Informationen bringt, oder?"
Limberger: "Das glaube ich nicht. Wir achten auch stets darauf, dass wir alles stets in den höchsten Sicherheitsstandards machen, die wir bieten können und die ja auch von der Industrie gefordert werden. Wir sind exklusiv mit Red Bull Racing verbunden und damit liegt es auch in unserem ureigenen Interesse, die Informationen so stark geheim zu halten, wie es nur geht."

Frage: "Betrifft die Zusammenarbeit auch die Scuderia Toro Rosso?"
Limberger: "Mit Toro Rosso haben wir direkt nichts zu tun. Das wird auch innerhalb von Red Bull stark getrennt. Aber letztlich ist es für mich sekundär, ob diese Technologie, die wir entwickeln, bei Red Bull Racing oder bei der Scuderia Toro Rosso zur Anwendung kommt. Das sind letztlich Entscheidungen, die Adrian Newey zu fällen hat. Unser Ziel ist es ganz klar, Hightech für die Formel-1-Industrie zu entwickeln. Wie das dann zur Anwendung kommt, will und kann ich nicht beeinflussen. Und wenn ich das könnte, wäre ich nicht dort, wo ich bin, sondern bei irgendeinem Formel-1-Team."

Geheimhaltung versteht sich von selbst

Frage: "Meine vorletzte Frage war dahin gerichtet, ob Ihr Kooperationsvertrag voll gepflastert ist mit Geheimhaltungspassagen - weil ich mir das einfach recht gut vorstellen kann..."
Limberger: "Es gibt ganz normale Geheimhaltungsklauseln - wie in jedem anderen Vertrag. Ich glaube, das ist auch eine Grundvoraussetzung einer Partnerschaft, die speziell auf Technologie aufgesetzt ist - dass eben gewisse Sachen einfach da bleiben, wo sie entwickelt werden."

"Es gibt ganz normale Geheimhaltungsklauseln - wie in jedem anderen Vertrag." Thomas Limberger

Frage: "Kann man sich diese Kooperation so vorstellen, dass die Red-Bull-Racing-Techniker eine Liste von ihren Technikern haben, wo drin steht, wer sich mit welchem Problem auskennt?"
Limberger: "Naja, im übertragenen Sinn kann man sich das vielleicht schon so vorstellen."

Frage: "Kooperation klingt natürlich gut - aber in der Praxis kann man sich so wenig darunter vorstellen. Ich würde mir das gerne konkreter vorstellen können."
Limberger: "Es gibt jetzt ein Meeting, in dem wir alle zusammenführen - alle, die in diesem Kreis arbeiten. Und jetzt werden wir einmal Themenkreise definieren und die Frage klären, wo wir unseren Mehrwert geben können, vielleicht - oder vielleicht auch nicht. Und dann wird man auch wissen, wer die Keyplayer sind. Und wir reden ja nicht wirklich von 1.500 Personen, sondern es gibt dann an der Spitze der Organisation zwei, drei oder vier Leute - da gibt es nicht eine Liste mit 1.500 Leuten, sondern es gibt drei, vier Telefonnummern, und dann weiß man das auch."

Frage: "Sie haben bei der Pressekonferenz von einem Material erzählt, das leichter als das zurzeit in der Formel 1 verwendete Karbon sein soll und dabei genauso fest. Da würde ich als Formel-1-Techniker hellhörig werden. Kann man sich das so vorstellen, dass Sie zu dem Team gehen und sagen: 'Leute, da gibt es einen noch besser geeigneten Werkstoff, schaut euch das einmal an!'?"
Limberger: "(lacht; Anm. d. Red.) Es gibt ja auch noch Kohlefaser. Aber ja, in gewisser Weise kann man sich das schon so vorstellen - aber wie gesagt, wir stehen erst am Beginn dieser Kooperation, wir werden sehen, was sich ergibt. Das müssen die Techniker abklären, ich bin der Geschäftsmann dahinter. Wir müssen jetzt dieses Netzwerk aufbauen und dann sehen wir, was dabei herauskommt, wo beide Teile einen Nutzen daraus ziehen können. Wenn etwas dabei herauskommt, ist das super - wenn nicht, dann haben wir eben Pech gehabt. Das weiß man nicht."

Derzeit kein Geld im Spiel

Frage: "Sie haben einerseits das Wort 'Kunde' verwendet, aber auch das Wort 'Partner'. Ist das wirklich eine Partnerschaft, in der keiner dem anderen etwas bezahlt?"
Limberger: "Ja, logisch. Momentan geht es einfach nur darum, einmal festzustellen, was man überhaupt machen kann. Für Geld dealen wir mit den anderen Sachen - bei Red Bull Racing geht es wirklich um eine Partnerschaft. Aber: 'Schau ma mal, dann seh ma schon', wie man so sagt."

Frage: "Ist das eine für Sie übliche Variante der Zusammenarbeit?"
Limberger: "Wir hatten auch schon mit Automobilherstellern Kooperationen, die nicht monetär waren. Und wenn man über Hochtechnologie redet, ist das immer der Anfang einer Partnerschaft - und da muss der eine oder der andere vielleicht mal in den sauren Apfel beißen."

Frage: "Und es war Niki Lauda, der euch zusammen gebracht hat?"
Limberger: "Niki ist derjenige, der uns zumindest auf die Idee gebracht hat. Der gesagt hat: 'Wahnsinn! Ihr habt hier verschiedene interessante Produkte und Komponenten - wollt ihr nicht eine Partnerschaft eingehen, um wirklich einmal am absoluten Highend der Technologie zu sein?' Und wir können daraus ja auch sehr viel lernen - es soll ja auch ein Lernprozess für uns sein."

Frage: "Stand da schon die Idee im Raum, als neuer Kappensponsor aufzutreten?"
Limberger: "Nein, das ist schon davor passiert. Das sind zwei getrennte Wege. Und es ist ja auch kein Geheimnis, dass der Herr Lauda seit Mitte 2005 bei uns Investor ist. Der Herr Lauda hat diese ganze Geschichte ja theoretisch indirekt mit geschrieben. Von daher kenne ich ihn, und so hat sich das Ganze ergeben."

Frage: "Und da war es dann logisch, auf seiner Kappe zu werben?"
Limberger: "Ja. Why not? Wir sind ein Peer-to-Peer-Unternehmen. Wir sind zwar nicht der absolute Brand-Placement-Experte, aber eine prominente Person wie Niki Lauda zu haben, wo die Kappe an sich ja schon eine Trademark ist, das kann kein Nachteil sein."

Frage: "Ihre Firma ist am neuen RB3 nicht mit einem Sticker vertreten."
Limberger: "Bis jetzt ist das nicht der Fall. Das wird sich erst in der nächsten Zeit ergeben, schauen wir mal."

Aktionäre entscheiden über Sponsorings

Frage: "Wenn Red Bull Racing zu Ihnen kommen würde und Sie fragen würde: 'Wollt ihr den Heckflügel?' - dann würden Sie aber nicht ablehnen, oder?"
Limberger: "Das ist immer auch eine Frage, wie das von den Aktionären respektive dem Verwaltungsrat gesehen wird. Das kann ich nicht alleine beeinflussen."

"Das kann ich nicht alleine beeinflussen." Thomas Limberger

Frage: "Auch wenn es gratis wäre?"
Limberger: "Das ist eine Entscheidung, die in den Gremien gefällt werden muss. Das ist in jeder Aktiengesellschaft so - auch wenn Sie es umsonst kriegen würden, was mit Sicherheit nicht der Fall ist..."

Frage: "Aber selbst dann müssten Sie die Gremien fragen?"
Limberger: "Natürlich. Das ist ein ganz normaler Prozess, leider. Oder zum Glück. Aus meiner Sicht heraus müssen wir natürlich agil sein."

Frage: "Auf welchen Gebieten werden Sie mit dem Formel-1-Team kooperieren?"
Limberger: "Die Bereiche lauten: Werkstoffe. Beschichtung von Motoren- oder Getriebeteilen. Dass man also solche Bauteile schleiffester, beständiger und widerstandsfähiger macht. Beschichtung ist ein ganz wichtiges Thema - das betrifft Getriebeteile oder auch Aufhängungen. Und es könnten auch ganz neue Werksstoffe dabei entstehen - wir machen ja die Spitze der Ariane-Rakete, wo also eine sehr widerstandsfähige, aber auch leichte Schicht verlangt wird. Oder auch bei thermischen Fasern - wenn Sie eine neue Faser erzeugen wollen, die noch besser, noch leichter, noch schöner sein soll, dann wird diese mit einer Maschine erzeugt, die von uns kommt."

"Aber es gibt auch noch weitere Gebiete. Wir haben im Weltraumumfeld ein ganz neues Gerät zur Datenübertragung entwickelt. Damit können Sie über Distanzen von mehreren 1000 Kilometern per Laser in einer extrem hohen Datenrate Daten übertragen. Und da stellt sich beispielsweise die Frage: Könnte man damit die Telemetrie der Formel 1 noch einmal verbessern? Oder in der Halbleiterherstellung - dort versucht man ja stets die Bauteile kleiner zu gestalten. Also es gibt sicher einige Technologiebereiche, die für die Formel 1 interessant wären."

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