• 15.10.2009 22:58

  • von Dieter Rencken

Interview: Theissens Boys kämpfen um die WM

Jenson Button und Sebastian Vettel haben ihre Karriere auf BMW begonnen - Mario Theissen über Parallelen und Unterschiede zwischen den WM-Kandidaten

(Motorsport-Total.com) - Von den drei WM-Anwärtern haben zwei ihre Karrieren mit BMW Power begonnen: Jenson Button 2000 beim damaligen BMW Kunden Williams, Sebastian Vettel 2006 als Freitagsfahrer des BMW Sauber F1 Teams. Anno 2009 kämpfen die beiden um den WM-Titel - Button hat zwei Rennen vor Schluss 16 Punkte Vorsprung auf seinen deutschen Kontrahenten.

Titel-Bild zur News: Mario Theissen

Mario Theissen hat mit zwei von drei WM-Kandidaten bereits gearbeitet

Noch eine Parallele verbindet die heutigen Rivalen: Button trug sich 2000 in São Paulo als jüngster Punktesammler aller Zeiten in die Formel-1-Geschichte ein - ein Rekord, den sich 2007 in Indianapolis Vettel unter den Nagel reißen sollte. Mario Theissen kennt beide gut. Vor dem Grand Prix von Brasilien schwelgte der BMW Motorsport Direktor für die Medien in Erinnerungen über seine früheren Schützlinge...#w1#

Button wäre ein würdiger Weltmeister

Frage: "Herr Theissen, wäre Jenson Button für Sie eher ein verdienter oder eher ein glücklicher Weltmeister?"
Mario Theissen: "Auf jeden Fall ein verdienter! Wer nach so einer Saison oben steht, hat das verdient. Das gilt für alle drei, die da noch im Titelrennen sind, überhaupt keine Frage."

Frage: "Seine Leistung in der ersten Saisonhälfte hat alles überstrahlt. Hat er Ihrer Meinung nach auch in der zweiten Saisonhälfte eine ausreichende Leistung geboten?"
Theissen: "Es wird am Schluss abgerechnet. Wenn er in der ersten Saisonhälfte so gut war, dass er es trotz einer Schwächephase am Ende ins Ziel bringt, dann hat er es auch verdient."


Fotos: BMW Sauber F1 Team, Großer Preis von Brasilien, Donnerstag


Frage: "Jenson und Sebastian Vettel haben beide auf BMW Motoren in der Formel 1 debütiert. Sehen Sie Unterschiede zwischen den beiden?"
Theissen: "Ich sehe schon einen Unterschied. Sie sind sicher verschiedene Charaktere. Interessant ist in der Tat: Beide haben bei uns oder mit uns begonnen. Beide waren sehr jung - ich glaube, Jenson war auch noch 19, als er das erste Mal beim Test ins Auto gestiegen ist. Sebastian ist mit 19 sogar schon sein erstes Rennen gefahren. Trotzdem sind sie ganz verschiedene Typen. Aber es ist schön zu sehen, dass zwei, mit denen man so eine Beziehung hat, um den Titel kämpfen."

Frage: "Ist es nicht ironisch, dass das gerade dann passiert, wenn BMW aussteigt?"
Theissen: "So habe ich es noch nicht betrachtet. Ich glaube, das ist Zufall (grinst; Anm. d. Red.). Jenson war für mich einer, der sehr unbekümmert hereingestolpert ist. Die Chance hat sich für ihn eher unerwartet aufgetan. Er hat sie genutzt - und ist genauso unbekümmert seine erste Saison gefahren."

"Sebastian kenne ich fünf Jahre länger. Er hat mich zum ersten Mal mit 14 am Hemd gezupft und gesagt, dass der demnächst bei uns fährt, damals Formel BMW. Bei ihm sehe ich schon eine außergewöhnliche Mischung von Talent, Intelligenz und einer professionellen Einstellung. Das hat sich sehr früh gezeigt, das hat er konsequent umgesetzt in Resultate. Die zweite Saison in der Formel BMW mit 18 Siegen in 20 Rennen, einem zweiten und einem dritten Platz wird sicher keiner mehr toppen, was die Erfolgsquote angeht. Das ist unglaublich."

Respekt vor Youngster Vettel

"Er hat im Prinzip genauso weitergemacht, hat sich in der Formel 1 sehr schnell etabliert und fährt jetzt mit gerade mal 21 Jahren um den WM-Titel. Ganz gleich wie das ausgeht, das ist einfach klasse! Ich sehe bei Sebastian eine sehr frühe Reife. Er weiß ganz genau, welche Faktoren zusammenkommen müssen, damit er den Erfolg haben kann, und er kümmert sich auch darum, dass die zusammenkommen. Trotzdem hat er den Humor und auch die Möglichkeit, sich mal zurückzulehnen, nicht verloren."

Frage: "Glauben Sie, dass er auch mit einem schlechteren Auto ab und zu ganz nach vorne fahren kann, wie er in Monza 2008 gezeigt hat?"
Theissen: "Ja."

"Ich traue beiden zu, dass sie auch im nächsten Jahr eine starke Rolle spielen." Mario Theissen

Frage: "Jenson hat das noch nicht bewiesen. Glauben sie, dass deswegen 2010 der eine wieder vorne mitfahren wird und der andere eher ein One-Hit-Wonder bleibt?"
Theissen: "Das ist Spekulation. Es hängt schon sehr viel am Auto. Ich traue beiden zu, dass sie auch im nächsten Jahr eine starke Rolle spielen."

Frage: "Das hört sich ein bisschen an, als würden Sie bei Jenson diese Art von Professionalität nicht sehen..."
Theissen: "Damals nicht. Inzwischen schon. Damals war er wirklich noch mit offenen Augen unterwegs, aber sicher nicht so gut vorbereitet wie Sebastian, als er in die Formel 1 kam. Wenn man aber sieht, wie er das Thema jetzt angeht - auch von der sportlichen Seite, Körperfitness und so weiter -, dann hat er das längst auch inhaliert."

Frage: "Klar liegt ein Einbruch wie jener von Jenson seit Istanbul auch am Auto, aber ist es nicht auch Aufgabe des Fahrers, den Ingenieuren das Feedback zu geben, wie er sein Auto haben will?"
Theissen: "Das liegt immer an einer Vielzahl von Faktoren, von denen der Fahrer einige beeinflussen kann, andere aber eben nicht. Natürlich ist der Fahrer eine Schlüsselfigur im Team - und zwar nicht nur dann, wenn er im Auto sitzt. Natürlich muss er sich auch darum kümmern, das Optimum aus dem Paket herauszuholen."

Frage: "Hat Jenson in diesem Jahr das Optimum herausgeholt?"
Theissen: "Fragen Sie ihn mal. Ich war nicht dabei."