• 30.10.2007 17:42

Interview: Die Vorteile des Reifenmonopols

Laut Bridgestones Hirohide Hamashima hat es nicht nur Nachteile, in der Formel 1 Monopolist zu sein, und er erklärt die Hintergründe dazu

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Herr Hamashima, was war für Bridgestone 2007 im Vergleich zum Vorjahr die größte Veränderung?"
Hirohide Hamashima: "Die größte Änderung war die Umstellung, dass wir nun alle elf Teams in der Boxengasse beliefern mussten, nicht mehr nur fünf wie im Jahr davor, und gleichzeitig sicherzustellen, dass alle Teams fair beliefert werden. Bei dieser Fairness geht es um mehr als die bloße Lieferung der Reifen, sondern auch um Informationen und technischen Service."

Titel-Bild zur News: Hirohide Hamashima

Hirohide Hamashima ist zufrieden mit dem ersten Jahr des Monopols

"Wie man bereits in der Vorsaison gesehen hat waren nicht nur die Teams schnell, die unsere Reifen schon kannten, sondern auch Teams, die davor mit Reifen unseres Mitbewerbers unterwegs waren. Das setzte sich während der Saison fort und wir haben drei Teams gesehen, die sehr konkurrenzfähig waren. Zwei davon fuhren im Vorjahr noch auf den Reifen unseres Mitbewerbers. Über diesen Aspekt der 2007er-Saison freuen wir uns sehr."#w1#

Frage: "Wird es für nächstes Jahr irgendwelche Änderungen geben?"
Hamashima: "Wir rechnen damit, dass wir weiterhin vier Trockenmischungen von hart bis superweich sowie einen Regenreifen und einen Extremregenreifen zur Verfügung stellen werden. Diese Reifen werden generell gleich sein wie dieses Jahr. Natürlich analysieren wir alle Daten, um zu untersuchen, ob irgendwelche Anpassungen vorgenommen werden müssen, aber im Moment gehen wir nicht von drastischen Änderungen der Spezifikationen aus. Es besteht die kleine Möglichkeit, dass wir die Zuweisungen der Reifen für bestimmte Grands Prix anpassen werden, aber bevor wir irgendwelche Entscheidungen treffen, werden wir die Daten genau analysieren."

Frage: "Bedeutet das, dass Bridgestone andere Reifentypen aus der Palette zu bestimmten Grands Prix mitnehmen könnte?"
Hamashima: "Wir sind mit unserer Auswahl für 2007 recht zufrieden, aber es gibt immer Bereiche, in denen wir uns verbessern können. Zum Beispiel funktionierte der superweiche Reifen in Kanada nicht wie erwartet, also ziehen wir es in Betracht, diese Mischung für nächstes Jahr zu modifizieren. Außerdem besteht die Möglichkeit, stattdessen die weichen und mittleren Reifen zu dieser Strecke zu bringen. Auch in der Türkei ist uns aufgefallen, dass die Belastung des rechten Vorderreifens stärker als erwartet war. Um dort 2008 jedwede Probleme zu vermeiden, ziehen wir es in Betracht, den Trockenreifen für nächstes Jahr im Interesse der Sicherheit zu modifizieren."

Frage: "Eine der Neuerungen war 2007, dass jede der beiden Reifenmischungen im Rennen eingesetzt werden musste. Wie hat sich diese Maßnahme bewährt?"
Hamashima: "Ich denke, dass dadurch, dass die Teams verschiedene Strategien anwenden mussten, spannende Rennen entstanden sind. Diese Regel stellte auch uns vor eine Herausforderung, weil wir die Reifen markieren mussten, als sie bereits produziert und verschifft waren. Der Bedarf dafür entstand durch die späte Regeländerung, dass jede Mischung erkennbar sein muss."

"Beim ersten Rennen in Melbourne folgten wir der Empfehlung der FIA, die Reifen mit einem weißen Punkt zu markieren. Allerdings stellte sich rasch heraus, dass dieser Punkt nicht gut genug zu erkennen war, also fuhren wir ab Malaysia mit einer weiß eingefärbten Rille. Da wurde uns vom Stiftproduzenten geholfen, der einen Stift entwickelt hat, der genauso groß ist wie die Rille breit. Dadurch waren wir dazu in der Lage, die Reifen viel schneller zu markieren als zu Beginn, und wir bedanken uns bei Teranishi Chemical Industry für diese Hilfe.

Frage: "Wird das Verbot der Traktionskontrolle für 2008 einen Unterschied machen?"
Hamashima: "Die Regeländerung auf keine Traktionskontrolle mehr könnte den Unterschied zwischen Autos und Fahrern größer machen als in dieser Saison, aber wir müssen abwarten, wie sich Teams und Fahrer auf diese neue Situation einstellen. Auf die Reifen wird sich diese Änderung nicht stark auswirken."

Frage: "Wie eng hat Bridgestone 2007 mit allen Teams zusammengearbeitet?"
Hamashima: "Weil wir während der Saison keine neuen Reifen entwickeln mussten, konnten unsere Ingenieure mehr mit den Teams sprechen, auch häufiger als davor. Das hängt damit zusammen, dass die Teams das Maximum aus den Reifen herausholen und verstehen müssen, wie sie funktionieren, um das Maximum aus dem Auto herausholen zu können. Das ist anders als im Vorjahr, als wir die Reifen entwickeln mussten, um sie an die Autos anzupassen, aber es bedeutet, dass unsere Ingenieure sogar noch gestresster waren als früher."

Frage: "Bist du glücklich über die Interaktion zwischen den Teams und Bridgestone?"
Hamashima: "Was die technische Kommunikation angeht, bin ich zufrieden mit allen Beziehungen, die wir zu den Teams aufgebaut haben. Unsere Ingenieure lernen bei ihrer Arbeit eine Menge und ich bin mir sicher, dass sie den Teams einen guten Service bieten. Durch diese enge Zusammenarbeit lernen wir mehr als früher über Fahrwerksdynamik und andere Aspekte der Reifenanalyse, was uns dabei hilft, unser Entwicklungspotenzial für die Zukunft zu erweitern."

Frage: "Wie stellt Bridgestone jetzt, da es keinen Reifenkrieg mehr gibt, sicher, in Sachen Technologie und Entwicklung an vorderster Front zu bleiben?"
Hamashima: "Auch wenn wir dieses Jahr keinen Mitbewerber hatten, so waren wir doch mit Forschung und Entwicklung im Rennreifenbereich beschäftigt. Bridgestone hat zwei Gruppen im Technischen Zentrum in Japan, von denen sich eine mit allen Aspekten eines Monopols beschäftigt und eine zweite mit der Evolution unserer Rennreifen. Wir haben Vertrauen in diese Vorgehensweise und sind zuversichtlich, dass wir gute Resultate abliefern würden, sollte es zukünftig wieder zu einer Wettbewerbssituation kommen."

Frage: "Hat es auch Vorteile, der alleinige Reifenhersteller zu sein?"
Hamashima: "Es hat viele Vorteile, der einzige Reifenhersteller in der Formel 1 zu sein. Weil wir die gleichen Mischungen und Konstruktionen das ganze Jahr hindurch verwendeten, konnten wir die Eigenschaften der Strecken repräsentativer analysieren. Dies trifft insbesondere auf den Reifenverschleiß und die Reifentemperatur zu, weil wir in puncto Reifen einen konstanten Faktor hatten. Die in diesem Jahr gesammelten Daten sind sehr wertvoll für zukünftige Entwicklungen und möglicherweise auch für einen zukünftigen Wettbewerb."

Frage: "Hat dir die Saison gefallen?"
Hamashima: "Die Formel-1-Saison 2007 war aus mehreren Gründen enorm aufregend. Ich möchte mich bei allen Teams bedanken und ihnen versichern, dass wir ihnen 2008 einen noch besseren Service bieten werden. Bridgestone freut sich schon darauf, nächstes Jahr wieder mit allen zusammenzuarbeiten."