• 23.10.2007 17:44

  • von Inga Stracke

Interview: Das steckt hinter Bridgestones Logistik

Bridgestone-Logistikchef Peter Grzelinski im 'Motorsport-Total.com'-Interview über die veränderten Aufgaben durch das Reifenmonopol

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Peter, die Saison ist beendet - eine Saison voller logistischer Arbeit für dich. Es waren Rennen in 16 verschiedenen Ländern und auf fünf verschiedenen Kontinenten, nicht wahr?"
Peter Grzelinski: "Ich zähle nicht mehr mit, um ehrlich zu sein!"

Titel-Bild zur News: Bridgestone-Reifen

Bridgestone ist seit diesem Jahr einziger Reifenhersteller in der Formel 1

Frage: "Was ist die größte Herausforderung?"
Grzelinski: "Einfach dranzubleiben, von Rennen zu Rennen. Das Schlimmste sind die Back-to-Backs in Europa."#w1#

Frage: "Warum?"
Grzelinski: "Vor allem deshalb, weil die Trucks innerhalb von einer Woche beladen und am nächsten Rennplatz sein müssen. Die Back-to-Backs in Übersee sind im Vergleich dazu einfach. In Europa müssen wir für die Trucks ja auch die gebrauchten Reifen entsorgen."

Frage: "Es ist nicht so wie bei den Teams, die ihr Material einfach zum nächsten Rennen mitnehmen, nicht wahr?"
Grzelinski: "Nein. In puncto Austattung ist es kein Problem, denn die können wir einfach zum nächsten Rennen mitnehmen, aber die Reifen selbst müssen wir entsorgen - und natürlich wieder neue Reifen aufladen."

Frage: "Wie viele Reifen hattet ihr zum Beispiel am Wochenende in Brasilien dabei?"
Grzelinski: "Ungefähr 1.800, glaube ich."

Frage: "Inwiefern hat sich euer Job durch die Umstellung auf das Reifenmonopol verändert? Was war die größte Änderung?"
Grzelinski: "Das Personal."

Frage: "Von wie vielen Leuten reden wir da?"
Grzelinski: "Wir haben jetzt doppelt so viele wie vorher. Das Rennteam besteht nun aus 50 bis 60 Leuten - Ingenieuren, Reifenmonteuren und natürlich Manager, Presseleute und so weiter."

Frage: "Wie habt ihr so viele Leute in so kurzer Zeit gefunden?"
Grzelinski: "Wir haben von fünf auf elf Teams aufgestockt, dadurch musste sich alles verdoppeln."

Frage: "Was hat sich sonst für euch verändert? Ihr liefert ja weniger Reifen an jedes einzelne Team, aber insgesamt kommt es wieder aufs Gleiche hinaus, nicht wahr? Wie ist das?"
Grzelinski: "Insofern ist die Lieferung und Montage der Reifen einfacher geworden, weil alle dieselbe Spezifikation verwenden, aber das wirkt sich nicht wirklich auf unsere Arbeit aus, denn wir bereiten uns ja vorher vor und alle Reifen haben Erkennungszahlen. Wir montieren nur die Reifen, das ist ein recht geradliniger Job. Die zusätzliche Arbeit, wenn man sich im Wettbewerb mit einer anderen Reifenfirma befindet, liegt im Sammeln von Daten und in deren Analyse. Diese Dinge führen wir zum Großteil aber auch jetzt noch weiter. Der Service, den wir den Teams bieten, hat sich also kaum verändert."

Frage: "Fehlt dir der Wettbewerb?"
Grzelinski: "Ja. Es liegt keine echte Motivation darin, alle Teams zu beliefern."

Frage: "Aber du kannst jetzt in alle Garagen gehen..."
Grzelinski: "Das ist kein echter Anreiz für mich."

Frage: "Musstet ihr den neuen Teams irgendetwas erklären?"
Grzelinski: "Nicht wirklich. Es gibt einige Teams, ja, mit denen wir lange nicht zusammengearbeitet haben, aber 1999 und 2000 haben wir ja auch schon all diese Teams beliefert. Diese Beziehungen haben wir nie abgebrochen, auch wenn sie zu Michelin gewechselt sind. Es ist ja nicht so, dass wir mit jemandem im Krieg gewesen wären. Der Kampf mit Michelin war ein Leistungswettbewerb, keine persönliche Sache. Wir kennen die Leute also noch, mit denen wir schon einmal gearbeitet haben."

Frage: "Was passiert eigentlich mit euren gebrauchten Reifen?"
Grzelinski: "Alle gebrauchten Reifen werden recyclet. Wir bringen die meisten gebrauchten Reifen zurück nach Großbritannien, wo wir ein System zur Energierückgewinnung haben, um die in die Produktion geflossene Energie verwenden zu können."

Frage: "Wie muss man sich das vorstellen? Werden daraus wieder neue Reifen gemacht?"
Grzelinski: "Nein, das geht nicht, aber man kann die Reifen gemeinsam mit fossilen Brennstoffen in Zellen geben und sie verbrennen. Es ist ganz üblich, gebrauchte Reifen auf diese Weise zu entsorgen. Sie verbrennen bei ziemlich hoher Temperatur, deren Energie man nutzen kann."

Frage: "Es gibt also keine Reifen für die Sammlungen von Fans?"
Grzelinski: "Nein."

Frage: "Dann könnte ja auch jeder eure Geheimnisse analysieren, nicht wahr?"
Grzelinski: "Ja, das stimmt. Wir nehmen alle Reifen wieder mit und zerstören sie."

Frage: "In Tourenwagenrennen sieht man ja oft die Fans nach Hause marschieren..."
Grzelinski: "Ja. Das tun wir nicht."

Frage: "Im nächsten Jahr wird es zwei neue Rennen geben. Bedeutet das eine neue Herausforderung für dich?"
Grzelinski: "Für mich nicht wirklich. Solange die Anlagen vorhanden sind, ist es kein Problem - wir sind ja daran gewöhnt. Das größte Problem ist das Budget, das man braucht."

Frage: "Für nächstes Jahr gibt es keine großen Veränderungen, alle Teams bleiben gleich - nur werdet ihr mit den neu zu euch gekommenen Teams vertrauter sein, nicht wahr?"
Grzelinski: "Die Regeln bleiben gleich. Wir werden unsere Operationen anhand einiger Probleme, die wir dieses Jahr hatten, verbessern, aber wir sind recht zufrieden mit dem Job, den wir gemacht haben. Für uns ist die größere Herausforderung die Expansion in Richtung GP2-Asia und dergleichen, denn das kostet Ressourcen. Das ist eher eine Sache, um die wir uns kümmern müssen, als die Formel 1. Da ist alles geregelt."

Frage: "Hast du die Saison aus rennsportlicher Sicht genossen?"
Grzelinski: "Die Rennen waren gut, ja. Es war wahrscheinlich die beste Saison seit sehr langer Zeit. Aber für uns war es befriedigender, im Wettbewerb zu stehen und mit einem Team zu gewinnen, denn jetzt rüsten wir einfach alle aus. Ich war davor noch nie in einer Monopolformel und ich finde daran auch ehrlich gesagt keinen Gefallen."