• 30.09.2010 09:49

  • von Dieter Rencken

Interview: Die Vorbereitungen auf 2011

Williams-Technikchef Sam Michael erklärt, seit wann die Teams auf 2011 hinarbeiten, was die wichtigsten Themen sind und was er von Pirelli erwartet

(Motorsport-Total.com) - Die aktuelle Weltmeisterschaft nähert sich langsam ihrem Höhepunkt, doch hinter den Kulissen arbeiten selbst die noch im Titelkampf involvierten Teams schon seit Monaten auf die kommende Saison hin, in der wieder einige Regeländerungen auf die Formel 1 zukommen. Williams-Technikchef Sam Michael erklärt, was es damit auf sich hat.

Titel-Bild zur News: Sam Michael

Sam Michael ist mit den neuen Regeln für kommende Saison bestens vertraut

Frage: "Sam, 2011 tritt wieder ein verändertes Reglement in Kraft. Was war die größte technische Herausforderung, mit der ihr euch beim Beginn der Entwicklung für das neue Auto auseinandersetzen musstet? Das Verbot des Doppeldiffusors?"
Sam Michael: "Ich denke, das ist eine Grundvoraussetzung. Wir haben uns eigentlich schon seit März 2010 oder sogar seit Dezember 2009 damit beschäftigt. Damals haben wir unsere ersten Projekte in dieser Sache durchgeführt."#w1#

Rückt das Feld noch enger zusammen?

"Beim Diffusor muss man nun besondere Sorgfalt walten lassen, weil dieses Teil ab 2011 vergleichsweise standardmäßig aussehen wird. Dort ist künftig nicht mehr so viel Leistung zu holen. Diese muss man nun also woanders finden. Das hat zur Folge: Wenn man an anderer Stelle schon Kleinigkeiten findet, hat das deutlich größere Auswirkungen. Die Startaufstellung ist schon jetzt sehr eng. Wenn man dann noch einige Entwicklungsrichtungen einschränkt, wird die Geschichte nur noch enger."

"Die größte Unbekannte bei dieser Sache sind vermutlich die Pirelli-Reifen. Diese Pneus werden einen immensen Einfluss auf das kommende Jahr haben. Aus jetziger Sicht wird das die größte Baustelle sein - nicht so sehr von der technischen Seite her, denn die Gewichtsverteilung ist festgelegt. Die neuen Reifen sind aber vor allem in aerodynamischer Hinsicht ganz anders. Es spielt keine Rolle, ob sie besser sind oder schlechter. Es reicht aus, wenn sie einfach nur deutlich anders sind. Das würde das Reifenverhalten des Autos komplett verändern - und damit auch das gesamte Fahrzeug um Frontflügel, Windabweiser, alles."

Frage: "Die Gewichtsverteilung wird 2011 vorgeschrieben sein. Ist das ein Problem?"
Michael: "Nein, denn da sitzen alle im selben Boot. Das bedeutet einfach nur, dass eine Variable aus der Gleichung entfernt wurde. Die Reifen werden speziell die Aerodynamik beeinflussen."

Frage: "Wie steht es mit KERS?"
Michael: "Jedes KER-System kann einen Unterschied ausmachen. Ich sehe gar keine andere Möglichkeit, denn die Topteams werden es sicher an Bord haben. Die Gewichtsverteilung ist fix und wenn du unter dem Gewichtslimit bleibst, ist alles bestens. Hast du genau das Limit und KERS, wirst du drei Zehntel schneller sein. Das Gewicht ist ebenfalls festgelegt und der Einsatz von KERS bedeutet kein Zusatzgewicht mehr. Sobald du KERS einbaust und das Gewicht festschreibst, ist KERS richtig gut für die Starts. Da gibt es keine negativen Aspekte."

¿pbvin|512|3148||0|1pb¿Frage: "Wäre es möglich, KERS beim Test in Abu Dhabi zu verwenden, wenn ihr die Pirelli-Reifen ausprobiert?"
Michael: "Nein, denn wir würden das ohnehin nicht tun. Es könnte eine Vereinbarung zwischen den Teams geben, KERS in Abu Dhabi nicht zum Einsatz zu bringen."

Frage: "Patrick Head ist jemand, der das Turbozeitalter und den Ground-Effect erlebt hat. Habt ihr euch schon im Hinblick auf das Jahr 2013 ausgetauscht, in dem diese Themen wieder aktuell werden könnten? Gibt es da schon irgendwelche Entwicklungen bei der Technischen Arbeitsgruppe?"
Michael: "Um ehrlich zu sein: Damit habe ich überhaupt nichts zu tun. Diese Gruppe wird von der FIA in Zusammenarbeit mit Patrick, Rory (Byrne) und Rob (White; Anm. d. Red.) geleitet. Priorität hat wohl zunächst, die Motorenformel zu erarbeiten und dieses Thema zu finalisieren."

"Nach dem Motor ist dann das Chassis an der Reihe, weil man eben dieses ohnehin um den Motor herum entwickeln muss. Da gab es bereits ein paar Meetings und die von dir angesprochenen Themen kamen dabei zur Sprache - unter anderem. Es ging auch um längere Chassis und dergleichen. Etwas Offizielles gibt es allerdings bislang noch nicht. Dies alles mündet in ein technisches Regelwerk, das die Motorenhersteller überprüfen und diskutieren. Das Chassis ist bei weitem noch nicht so weit, denn dafür gibt es bislang noch keine Rahmenbedingungen."

Reifen als wichtiges Thema

Frage: "Pirelli scheint der finalen Konstruktionsweise ihrer Reifen immer näher zu kommen. Welche Daten hat man euch bereits an die Hand gegeben?"
Michael: "Wir haben einige theoretische Informationen erhalten, aber keine Rückmeldung zu den Testfahrten. Wir haben also noch keine Zahlen."

Frage: "Wann rechnest du diesbezüglich mit weiteren Informationen?"
Michael: "Ich denke, es braucht einiges an Informationen, um alle vor dem Test entsprechend zu unterrichten. Sie wollen die Entwicklung der Autos nicht in eine falsche Richtung lenken. Sie wollen noch warten, bis der Test in Abu Dhabi abgeschlossen ist. Bis dahin werden wir aber selbst eine Ahnung haben, denn dann sollten wir schließlich eigene Erfahrungsdaten haben."

"Man muss davon ausgehen, dass die aktuell erprobten Reifen ganz anders sein werden als die, welche wir letztendlich in Abu Dhabi verwenden werden. Ich sehe das momentan nicht vorhandene Feedback nicht als Problem. Es ist nicht wichtig, ob Graining auftritt oder ob das Auto untersteuert. Es ist kein großes Problem, das alles später nachzuvollziehen."

Frage: "Gehst du davon aus, dass die Testreifen in Abu Dhabi ziemlich genau den Reifen entsprechen, die 2011 gefahren werden?"
Michael: "Nein, eher nicht. Sie haben eine steile Lernkurve. In Abu Dhabi wird es eine Gruppe von Fahrern geben, die sehr zufrieden ist, und eine andere Gruppe, die weniger zufrieden ist. Pirelli muss sich dieser Sache annehmen und daran arbeiten. Man braucht nicht zu glauben, dass nach Abu Dhabi alles fertig ist."

Zum Vergrößern anklicken!

Der Doppeldiffusor wird ab nächstem Jahr nicht mehr erlaubt sein Zoom

Frage: "Was ist das eigentliche Ziel dieses Reifentests? Ist es die Sache der Teams, festzulegen, was sie tun wollen?"
Michael: "Das wird noch immer besprochen. Man überlegt, ob wir verschiedene Mischungen ausprobieren sollen oder unterschiedliche Reifenkonstruktionen. Aus der Sicht des Teams geht es darum, den Einfluss der Pneus auf das Auto zu verstehen. Wir haben schließlich die Möglichkeit, in Abu Dhabi einen Grand Prix mit Bridgestone zu bestreiten, und einige Tage später fahren wir mit Pirelli. Wir sollten also reichlich Vergleichsdaten haben. Das ist eine perfekte Situation, um möglichst viele Informationen zu sammeln."

Frage: "Werden die Reifen aerodynamisch gesehen der finalen Version weitestgehend entsprechen?"
Michael: "Nicht unbedingt. Man muss mit Veränderungen am Mantel rechnen. Wenn du den Reifenmantel veränderst, werden sich auch die Werte verändern."