Innerlich dachte Haug schon an den WM-Titel

Die große Rennanalyse mit Norbert Haug: Warum Fuji Lewis Hamiltons Meisterstück war und er sich zwischendurch schon als Weltmeister fühlte

(Motorsport-Total.com) - Bis Mark Webber und Sebastian Vettel heute in der 46. Runde in Fuji miteinander kollidierten und Kimi Räikkönen damit wieder ins Spitzenfeld gespült wurde, war McLaren-Mercedes zwischenzeitlich schon Weltmeister: Lewis Hamilton lag in Führung und hätte damit vor den letzten beiden Rennen mehr als 20 Punkte Vorsprung gehabt, hätte nur noch von Fernando Alonso eingeholt werden können.

Titel-Bild zur News: Norbert Haug

Norbert Haug fühlte sich nach Rennmitte schon ein bisschen als Weltmeister

"Während des Rennens war der Abstand schon über 20 Punkte - da hatte ich mich innerlich schon gefreut", erklärte Mercedes-Sportchef Norbert Haug gegenüber 'Premiere'. "Aber wir können auch mit dem leben, was wir haben. Nur: Der Worst-Case heißt, dass man auch mal ausfallen kann und dass der Gegner voll punktet, dann ist nämlich wieder alles offen. Aber mir ist es so lieber als wenn ich 17 Punkte aufholen muss. Im Schnitt müssten acht Punkte mehr vom Gegner gemacht werden."#w1#

Noch ist der Titel nicht in der Tasche

"Mir wäre es lieb gewesen, noch einmal zwei, drei Punkte auf Ferrari zu machen - das war drin heute. Andererseits kann man auch ganz leicht alles verlieren. Deshalb halten wir auch den Ball flach und sagen noch nicht: Wir sind Weltmeister. Das sehe ich nicht. Es ist nach wie vor alles drin - man schaue sich nur das Chaos heute an. Wenn wir da ausfallen, haben wir drei Punkte Vorsprung. Deshalb sind wir sehr happy, dass wir 17 Punkte haben", fügte er an.

"Deshalb halten wir auch den Ball flach und sagen noch nicht: Wir sind Weltmeister." Norbert Haug

Teamintern sieht es inzwischen natürlich sehr gut für den Sieger von heute, Hamilton, aus, der in Shanghai und São Paulo nur noch einen vierten und einen fünften Platz braucht, um selbst bei zwei Alonso-Siegen definitiv Weltmeister zu werden. Dazu gratulierte Haug: "Viele haben gedacht, er lässt sich beeindrucken nach dem letzten Rennen." Dies habe der 22-Jährige bei "schlimmsten und schwierigsten Bedingungen" aber nicht getan.

"Lewis hat gezeigt, was er kann, bei schwierigsten Bedingungen auf Pole zu Fahren und zu gewinnen. Ich habe selten eine bessere Fahrt gesehen, da werden mir die meisten zustimmen. Er war fehlerfrei, hat alles richtig gemacht, obwohl er mit einem Formel-1-Auto im Regen nicht viel Erfahrung hat", lobte der Deutsche. "Man hat an Fernando gesehen, dass es leicht war, heute abzufliegen, auch wenn man möglicherweise nichts dafür konnte."

Haug sauer auf Kubica

Wirklich brenzlig wurde es für Hamilton aber nur, als er von Robert Kubica angerempelt wurde, wofür der Pole eine Durchfahrstrafe kassierte. Darauf war Haug nicht gut zu sprechen: "Freund Kubica hat sich nicht zurückhalten können, was ich nicht sehr schick finde, aber Gott sei Dank hat er es überstanden. Das Auto war hinterher natürlich nicht mehr so gut beisammen, aber gut genug, um vorne zu bleiben."

"Freund Kubica hat sich nicht zurückhalten können, was ich nicht sehr schick finde." Norbert Haug

Aber alle fragen sich: Wie konnte nicht der Rookie, sondern der Doppelweltmeister Alonso abfliegen? "Es war Aquaplaning", erklärte der Mercedes-Sportchef. "Aquaplaning funktioniert manchmal nach dem Zufallsprinzip - den einen trifft es, den anderen nicht. Ein bisschen mehr Wasser reicht aus, um die Haftung zu verlieren. Fernando ist normalerweise sehr stark bei diesen Bedingungen, nicht einer, der abfliegt. Das muss man ihm zugute halten."

Kein Vorwurf an Alonso

Das Bodywork des Spaniers war zu jenem Zeitpunkt übrigens nach einer Berührung mit Vettel schon beschädigt: "Das hilft nicht, da geht Abtrieb verloren. Er war stark gehandicapt." Und auch zu Beginn, als er nicht mit Hamilton mithalten konnte, habe Alonso nichts falsch gemacht: "Da ist ein kleines Handicap da, wenn man in der Gischt fährt, das muss man fairerweise sagen", meinte Haug. "Aber wir haben einen sehr beeindruckenden Paarlauf absolviert."

Lewis Hamilton

Die Bedingungen waren heute in Fuji bei strömendem Regen absolut am Limit Zoom

Die Bedingungen seien durchgehend "grenzwertig" gewesen, vor allem direkt nach der Freigabe des Rennens in der 20. Runde: "Darum hat man die Safety-Car-Phase so lange ausgebaut, wie es nur ging. Es muss irgendwann aber losgehen, und zu dem Zeitpunkt war es um einiges besser als am Anfang", stellte er sich hinter die Rennleitung, was die Entscheidung, das Rennen um jeden Preis durchzubringen, angeht.

Nach Lewis Hamilton hatte heute übrigens ein anderer Mercedes-Fahrer die meisten "Führungsrunden", nämlich Bernd Mayländer im Safety-Car: "Tadellos hat er das gemacht! Das ist eine Riesenverantwortung. Es wäre nicht nur eine riesige Blamage, sondern es wäre auch gefährlich, wenn man das Auto bei der Gelegenheit verlieren würde - nichts ist leichter als das", gab Haug abschließend zu Protokoll.