• 01.05.2006 18:51

  • von Inga Stracke

Inga on Tour: Von Bierzelten und der "Grünen Hölle"

'F1Total.com'-Reporterin Inga Stracke fängt den Mythos der "Grünen Hölle" ein, berichtet von Sternstunden und Tragödien und freut sich auf den Nürburgring

(Motorsport-Total.com) - Hallo, liebe Formel-1-Fans! Ran an den Ring! Hoffen wir, dass die Eifel uns diesmal besseres Wetter bieten wird, doch die Regenjacke ist auf jeden Fall mit dabei! Mercedes-Tribüne, BMW Pit Lane Park, dazu die Nürburgring-Erlebniswelt und jede Menge Grillpartys auf den Campingplatzen bei Wind und Wetter - in der Eifel ist wirklich was geboten.

Titel-Bild zur News: Nürburg

Am Fuße der Nürburg erstreckt sich eine der traditionsreichsten Rennstrecken

Für uns Journalisten gibt es vor allem am Donnerstag ein voll gepacktes Vorprogramm: So bietet sich die einmalige Gelegenheit, mit Mercedes-AMG-Fahrzeugen von Rennprofis um die alte Nordschleife gefahren zu werden - ein sensationelles Erlebnis, vor allem durch die Steilkurve! Nach Mitfahrten mit DTM-Champion Bernd Schneider und Safety-Car-Pilot Bernd Mayländer dachte ich vor einigen Jahren ja eigentlich, es gibt keine Steigerung, doch dann hatte ich die Gelegenheit, beim Chef selbst mitzufahren: Am Nürburgring greift auch Norbert Haug ans Steuer, und wer dachte, der Mercedes-Sportchef sei ein eher gemütlicher Autofahrer, der hat sich gründlich getäuscht - an ihm ist ein Rennfahrer verloren gegangen!#w1#

Am Beifahrersitz von Mercedes-Sportchef Haug...

Der Wagen stand quer, die Kurven flogen nur so auf uns zu und meine Kollegen und ich hatten als Passagiere das Gefühl, dass es nicht nur noch ein bisschen mehr Action war als bei seinen "Angestellten" mitzufahren, sondern er auch schneller unterwegs war! Ob das stimmte, konnten wir leider nicht herausfinden, denn das Erlebnis wurde dann auch noch davon gekrönt, dass uns leider irgendwo im Wald der Sprit ausging. Haug blieb cool und souverän. Schnell eilte ein Servicepilot herbei und in null komma nix hatten wir aufgetankt. Volle Fahrt voraus!

Dorint-Hotel am Nürburgring

Im 'Dorint' direkt an der Strecke schlafen auch die meisten der Formel-1-Stars Zoom

Am Donnerstagnachmittag steigt dann auch die Red-Bull-Off-Track-Aktion: Auf einem Offroad-Gelände in der Nähe des Nürburgrings gibt es die Möglichkeit, KTM-MX-Bikes oder Quads zu fahren oder als Beifahrer im VW Race Touareg 2 mitzufahren. In einem solchen Gefährt belegte Giniel de Villiers den zweiten Platz bei der Rallye Dakar 2006 - und der lässt es sich auch nicht nehmen, seine Gäste selbst zu chauffieren. Neben verschiedenen Motocross-Piloten hat sich zu dieser Aktion übrigens auch der singende Rennfan Smudo - seines Zeichens 25 Prozent der Fantastischen Vier - angesagt! Am Abend öffnet dann der BMW Pit Lane Park seine Pforten für alle. Auf den bin ich wirklich gespannt. Die Idee klingt super und die Weiß-Blauen haben sich da wirklich etwas für die Fans einfallen lassen.

Das ist wenigstens Abwechslung zum alljährlichen Ringprogramm vieler Fans: Sie stehen sich jeden Morgen und Nachmittag bis abends vor dem Streckenhotel Dorint die Füße platt, denn hier logieren eigentlich alle Teamchefs und Piloten. Doch auch das längste Anstehen nützt den Wenigsten: "Schumi", Briatore und Co. kommen am Eingang während des Wochenendes eher selten vorbei. Das Hotel hat einen direkten Zugang durch den Tunnel, der vom Fahrerlager im Innenraum der Strecke zur anderen Seite führt.

Von "Rotkäppchen", Bierzelten und Grillsteaks

Ansonsten ist abends in Nürburg selbst auch jede Menge geboten: Bierzelte mit Musik, Grillsteaks und viel Bier, jede Menge "Fressbuden" und Stände, wo man von der aktuellen "Schumi"-Kappe bis hin zum Miniatur-BMW-Rennanzug für das Baby fast alles bekommen kann. Einen Besuch wert ist auch immer die Pistenklause. Ich mag dort vor allem die leckere Pasta, und an den hunderten signierten Bildern an den Wänden aus jahrzehntelanger Motorsportgeschichte am Ring kann man sich dann restlos satt sehen!

Inga Stracke

'F1Total.com'-Reporterin Inga Stracke vor der Starterkabine am Nürburgring Zoom

Eine der größten Sammlungen von Formel-1-Modellautos kann man in der Tankstelle 'Döttinger Höhe' bestaunen. Tankstellenbesitzer Retti kann einem so manche Formel-1-Anekdote erzählen. Beispiel gefällig? Anno 1972 blieb Weltmeister Emerson Fittipaldi mit leerem Tank auf der Nordschleife liegen. Retti half dem Brasilianer: "Wir haben den Sprit eingefüllt, er hat mich vor seinem Auto fotografiert, dann habe ich ihn vor dem Auto fotografiert, dann ist er eingestiegen, hat sein Auto angelassen und ist Richtung Start und Ziel gefahren", erzählt er stolz.

Wer vom Formel-1-Trubel genug hat, kann sich der Nürburg widmen - und die Wälder rund um den Ring laden zu Wanderungen oder gemütlichen Spaziergängen ein.

Prost war Auftaktsieger auf dem Grand-Prix-Kurs

Der Nürburgring hat heldenhafte Piloten gesehen, berühmte Siege und furchtbare Unfälle, doch das ist die Geschichte der alten Nordschleife, auf der 22 Grands Prix stattfanden. Der neue Ring liegt direkt neben der Originalstrecke und hat nur den Bruchteil der Originallänge. Der neue, kurze Grand-Prix-Kurs wurde 1984 eingeweiht, das Rennen gewann Alain Prost. Die nach neuesten Sicherheitsstandards gebaute Strecke ist 5,148 Kilometer lang und es werden 60 Runden gefahren. Das ergibt eine Renndistanz von 308,863 Kilometern.

Jackie Oliver

Jackie Oliver nahm 1967 für Lotus am Grand Prix von Deutschland teil Zoom

Es ist eine sehr moderne Rennstrecke, schnell, mit großzügigen Auslaufzonen. Der Topspeed wird mit etwa 290 km/h am Ende der Start- und Zielgeraden und vor der Veedol-Schikane erreicht, Überholmanöver sind vor allem wegen der ersten beiden Kurven möglich. Die erste erlaubt den Fahrern mehrere Ideallinien, weshalb sie dort einiges riskieren können. Allerdings muss man die zweite Kurve richtig hinkriegen und aufpassen, dass nicht der Gegner gleich wieder an einem vorbeizieht, den man vorher überholt hat.

Die meisten Kurven auf dem Nürburgring sind relativ langsam, daher liegt der Fokus auf einer guten Fahrzeugbalance mit möglichst viel Abtrieb, dessen Level hier fast so hoch ist wie in Monaco. Der Nürburgring ist ein High-Downforce-Kurs. Da es kein Hochgeschwindigkeits- oder Stop-and-Go-Kurs ist, werden auch die Bremsen weitaus weniger beansprucht. Man braucht ein gut ausbalanciertes Auto, das es ermöglicht, den Scheitelpunkt exakt zu treffen, dazu gute Traktion, vor allem aus den Haarnadelkurven heraus, eine gute Balance und Stabilität, dazu den besten Kompromiss zwischen Abtrieb und Geschwindigkeit auf den Geraden. Da die Fahrer oft unter Querbeschleunigung - also erst sehr spät in der Kurve - bremsen, ist die Reifenabnutzung ziemlich hoch.

2002 Jahr wurde der Ring nochmals umgebaut: Entstanden ist dabei die Mercedes-Arena, fast wie das Motodrom in Hockenheim. Dort können die Fans die Boliden 16 Sekunden lang live sehen. Dazu kamen neue Videowände.

Sternstunden und Tragödien

Start in Deutschland 1974

Start zum Grand Prix von Deutschland am Nürburgring im Jahr 1974 Zoom

Der Titel Grand Prix von Europa wurde mehrfach bereits vor Beginn der Weltmeisterschaft 1950 verwendet. So fand 1923 in Monza ein Europa-Grand-Prix statt. Drei Jahre später war es das Rennen in San Sebastian in Spanien - damals war einer der Fahrer durch das heiße Wetter so geschwächt, dass er während des Rennens ins Krankenhaus musste. Wenig später kam er zurück, stieg wieder ein und beendete das Rennen! Zwei weitere Piloten machten eine kurze Pause, und wurden - genau wie ihr kranker Kollege - disqualifiziert.

1954 gewann Formel-1-Legende Juan-Manuel Fangio auf Mercedes am Ring. 1961 demonstrierte Sir Stirling Moss eine seiner fahrerischen Glanzleistungen und besiegte mit seinem Lotus die überlegenen Ferraris. Mit dem 1968er Rennen hat sich Jackie Stewart seinen Platz in den Geschichtsbüchern des Motorsports verdient, als er die tückischen Wetterbedingungen meisterte und bei strömendem Regen mit einem Vorsprung von über vier Minuten gewann.

Diese Rennen fanden jedoch auf der legendären, 22,5 Kilometer langen Nordschleife statt. Berühmt-berüchtigt ist die "Grüne Hölle" vor allem auch für spektakuläre Unfälle! Mit schwarzem Humor kommentiert Niki Lauda heute noch seinen schweren Unfall von 1976, will jedoch verständlicherweise nicht unbedingt darauf angesprochen werden: "Ich kann mich nicht erinnern." Das Hinterrad seines Ferrari hatte sich gelöst, sein Auto war gegen die Leitplanke geknallt und wurde wieder auf die Piste zurückgeschleudert. Zwei auffolgende Wagen rasten direkt in ihn hinein. Der italienische Pilot Merzario rettete ihn aus den Flammen, zwei Rennen später war Lauda wieder am Start und beendete die WM als Zweiter!

Bis bald am Nürburgring, eure Inga Stracke von der Strecke!