Horner zum Webber-Abschied: "Höhen waren in der Überzahl"

Christian Horner erinnert sich an sieben Jahre der Zusammenarbeit mit Mark Webber und beurteilt dessen Chancen auf einen Sieg zum Abschied

(Motorsport-Total.com) - Das Ende von Mark Webbers zwölfjähriger Formel-1-Karriere steht unmittelbar bevor. Vor diesem Hintergrund macht sich nicht nur der Australier selbst so seine Gedanken, auch Christian Horner - in den Jahren 2007 bis 2013 Webbers Teamchef bei Red Bull - meldet sich zu Wort.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Mit dem Brasilien-Grand-Prix 2013 endet Webbers zwölfjährige Formel-1-Karriere Zoom

"Für Mark geht am Sonntag ein Kapitel seiner Karriere zu Ende. Ich könnte mir vorstellen, dass es ihm erst in einem ruhigen Moment zu Hause so richtig bewusst wird - vielleicht sogar erst, wenn die anderen Jungs ihre Taschen für das nächste Jahr packen", sagt Horner, will von einem möglichen Motivationslos, in das der Australier fallen könnte, aber nichts wissen: "Auf ihn wartet nun einen neue Herausforderung, die er bereit ist anzunehmen. Es ist offensichtlich, dass er mit großer Motivation an seine neue Aufgabe herangeht." Webbers neue Karriere im Porsche-Werksteam für die Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) beginnt bereits am Tag nach seinem letzten Formel-1-Rennen in Sao Paulo.

Überhaupt mangelte es Webber im Verlauf seiner sieben Jahre bei Red Bull "nie an Motivation", wie Horner betont: "Das hat man zuletzt wieder in Abu Dhabi gesehen, einer Strecke, die in der Vergangenheit nicht zu seinen stärksten zählte."

Lob für Webbers Kampfgeist

Auf die vom Chef angesprochene Pole-Position in Abu Dhabi im Wüstenemirat ließ Webber zwei Wochen später in Austin eine weitere starke Qualifying-Performance folgen, die jedoch aufgrund eines Fahrfehlers kurz vor Ende seiner schnellsten Runde nicht mit der zweiten Pole hintereinander endete.

Mark Webber, Christian Horner

Webber und Teamchef Horner arbeiteten sieben Jahre lang zusammen Zoom

In den Rennen fuhr der 37-Jährige in Abu Dhabi und Austin auf die Plätze zwei und drei. So kommt der Red-Bull-Teamchef zum Schluss: "Ich glaube, Mark war es wichtig, zum Zeitpunkt seines Abschieds aus der Formel 1 noch immer auf Top-Niveau zu fahren." Webber bestätigt dies.

Dennoch: In der Rückschau auf Webbers sieben Jahre umfassende Zeit bei Red Bull fällt auf, dass er nach dem knapp verpassten WM-Titel 2010 nur noch selten in die Nähe seines Teamkollegen Sebastian Vettel kam. Im WM-Kampf jedenfalls hatte der junge Teamgefährte ab 2011 regelmäßig deutlich die Nase vorn. Horner erklärt sich das so: "Gegen jemanden von Sebastians Kaliber zu bestehen, ist für jeden Fahrer unglaublich schwierig. Das war sicher auch für Mark schwierig, zumal er dasselbe Material zur Verfügung hatte. Doch anstatt die Brocken hinzuschmeißen, gab er stets alles und kämpfte bis zum Schluss."

Pirelli-Reifen als Schlüssel für Vettels Dominanz

Einen nicht unwesentlichen Grund, warum Webber in den zurückliegenden drei Jahren nicht mehr an die Performance der Saison 2010 (vier Saisonsiege und beim Saisonfinale noch intakte Titelchancen) heranreichte, sieht Horner in den Reifen: "Die Pirellis sind sehr empfindlich. Auf die Renndistanz gesehen hat er damit sicherlich mehr zu kämpfen als Sebastian." Webber sieht es genauso und gab diesbezüglich vor wenigen Tagen zu Protokoll: "Seb ist vor allem in langsamen Kurven sehr stark und er ist der Meister der Pirelli-Reifen. Dass Pirelli bleibt, ist für die anderen Fahrer eine Hiobsbotschaft."

"Die Pirellis sind sehr empfindlich. Auf die Renndistanz gesehen hat er damit sicherlich mehr zu kämpfen als Sebastian." Christian Horner

Welche Charakterzüge von Webber wird Horner nach sieben Jahren der Zusammenarbeit am meisten im Team vermissen? "Sein Tempo, seine Hingabe und seine Ehrlichkeit, auch wenn diese zuweilen zu einer unkomfortablen Position führte", stellt der Red-Bull-Teamchef klar und fügt an: "Ich kenne ihn seit der Formel-3000-Saison 2000 als erstklassigen Rennfahrer und bin froh, dass er in der Lage war, sein Potenzial bei Red Bull voll zu entfalten. Sein Vater Alan kam nach dem Rennen in Austin zu uns und bedankte sich dafür, was wir für seinen Sohn getan haben."

Gelingt Webber zum Abschied ein Sieg?

Die Krönung der jahrelangen Zusammenarbeit wäre ein Sieg beim letzten Rennen in Interlagos. Wie groß schätzt Horner die Chancen ein, dass es tatsächlich zum Traumfinale für den Australier kommt? "Anhand der aktuellen Form von Sebastian würde man sagen, dass es für Mark wohl sehr schwierig wird, doch Mark war auf dieser Strecke immer sehr schnell, hat hier zweimal gewonnen. Man sollte niemals nie sagen. Hinzu kommt die Wettervorhersage, die auch in diesem Jahr wieder sehr wechselhaft ist. Das könnte eine Chance sein", glaubt der Teamchef und stellt in Bezug auf mögliche Funksprüche von der Box aus klar: "Beide dürfen absolut frei fahren."

Vettel jedenfalls denkt nicht daran, dem scheidenden Teamkollegen zum Abschied ein Geschenk in Form eines Sieges zu überreichen. "Ich glaube, ich habe bei unserem ersten gemeinsamen Rennen keine Geschenke verteilt. Ich sehe auch keinen Grund dazu, beim letzten Rennen etwas zu verteilen. Ich denke, ihn würde das selbst auch nicht freuen. Wenn man versucht, sein Bestes zu geben, will man jeden ganz fair auf der Strecke schlagen. Sollte es am Sonntag zu einem Duell kommen, dann werden wir sicher beide versuchen, unser Bestes zu geben, um am Ende eher davor als dahinter zu sein", so der Weltmeister.

Sebastian Vettel, Mark Webber, Nico Rosberg

Sebastian Vettel hat nicht vor, Webber in Brasilien den Sieg zu schenken Zoom

Neben den zahlreichen Siegen und Titel ist das mitunter zerrüttete Verhältnis zwischen Vettel und Webber das, woran sich die Formel-1-Fans beim Gedanken an die Red-Bull-Jahre 2009 bis 2013 am ehesten erinnern werden. Teamchef Horner meint: "Rückblickend gibt es natürlich immer Dinge, die man hier und da etwas besser hätte handhaben können. Das geht in beide Richtungen. In den sieben Jahren, die Mark bei uns war, haben wir als Team unser Allerbestes gegeben, um ihn zu unterstützen. Man darf nicht vergessen: Bevor er zu Red Bull kam, hatte er einen Podestplatz eingefahren. Jetzt sind es über 40. Neunmal kam er als Sieger ins Ziel und er kämpfte um den WM-Titel. Er hat großen Anteil an unseren vier Konstrukteurstiteln. Höhen und Tiefen lassen sich nun mal nicht vermeiden. Es gilt aber festzuhalten, dass die Höhen in der Überzahl waren."