• 26.07.2001 09:54

  • von Fabian Hust

Hintergrund: Telemetrie in der Formel 1

Auf einer einzigen Runde sammeln die Formel-1-Teams unvorstellbare Datenmengen, die es auszuwerten gilt

(Motorsport-Total.com) - Die Telemetrie ist in der Formel 1 heute nicht mehr wegzudenken. Wenn es darum geht, die letzten Sekundenbruchteile aus dem Auto herauszuholen, lesen die Ingenieure und Fahrer seitenweise Ausdrucke, die analysiert werden. Egal ob bei Tests, im Training oder im Rennen, immer wenn ein Formel-1-Auto auf der Strecke ist, können die Ingenieure an Monitoren in der Box fast in Echtzeit verfolgen, was im Auto des betreffenden Piloten vorgeht.

Titel-Bild zur News: Telemetrie

Per Funk werden die Telemetriedaten vom Auto an die Box übertragen

In jedem Auto stecken über 100 Sensoren, die beispielsweise den Öl- und Benzindruck, die Temperaturen im Motor, die Querbeschleunigung, den Federweg und viele andere Parameter messen und an die Box senden. Aus den 100 verschiedenen Messwerten lassen sich rund 1.200 Informationskanäle zusammenstellen, die vom Team ständig überwacht werden und die bei Abweichungen auf ein bestehendes oder sich annäherndes Problem schließen lassen. So kann man einen Ausfall zum Teil vermeiden, wenn man dem Piloten zum Beispiel mitteilt, vom Vordermann Abstand zu halten, wenn Motor- oder Öltemperatur in kritische Bereiche ansteigen, damit genügend Luft in die Kühler strömt.

Die Daten werden über Funk an die Box übermittelt, in jeder Runde gilt es dabei rund 4 Megabyte zu übertragen, dazu benötigt die Technik heute gerade einmal zwei Sekunden. Zum Vergleich: 4 Megabyte entsprechen rund 2.800 Schreibmaschinenseiten Text. Am Ende jeder weiteren Sitzung werden noch einmal 40 MB an Daten mit dem Notebook "gezogen", hierbei handelt es sich um die Telemetrie des Motormanagements. Hier lassen sich verschiedene Parameter ablesen, so dass die Software-Spezialisten des Motorherstellers die Motorleistung speziell auf die anliegende Strecke abstimmen können, was gerade im Zusammenhang mit der Traktionskontolle sehr wichtig ist.

In Hockenheim gibt es bei der Datenübertragung ein Problem, denn die Autos sind viel im Wald unterwegs, weshalb die Telemetriedaten nicht 'live' abgerufen werden können. Christoph Besse, Mechaniker bei Prost erklärt: "Die Daten, die uns fehlen, wenn das Auto im Wald unterwegs ist, machen uns nicht viel aus, da wir ein gutes System haben, so dass wir sie bei der Durchfahrt der Start/Ziel-Linie sauber auslesen können. Dafür hat das Team eine eigene Software geschrieben. Die Software wird ständig weiterentwickelt und sie dient dazu, die Renndaten mit denen aus der Simulation zu vergleichen. Wir haben auch eine digitale Verbindung mit der Fabrik, die es uns erlaubt, die Daten beinahe live zu übertragen. Das bedeutet, dass sie sehr schnell ausgewertet werden können. Wir haben dann eine weitere Möglichkeit, das Setup unsere Simulation in der Fabrik zu verbessern."

Bei jedem Grand Prix wird ein Computer-Netzwerk aufgebaut, durch welches das Team mit der Fabrik zu Hause verbunden ist. Während die Wagen die Box in einer Geschwindigkeit von 270 km/h passieren, werden die Telemetriedaten erfasst und in Sekundenschnelle über ISDN-Verbindungen oder über Satellit zurück in die Fabrik gesendet. Nach jedem Renntag wird ein ganzes Datenpaket übermittelt und auf einem originalgetreuen Simulator mit Wagen und Dummy getestet. Dort geben die Ingenieure neue Parameter ein, z.B. für Aufhängung, Reifendruck und Schwerkraft, um zu testen, wie sich die Rennleistung des Wagens dadurch verändert. Über Nacht werden vollständige Analysen durchgeführt, die dem Fahrer Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen, die dann am nächsten Morgen ausprobiert werden können. Dies erklärt, warum die Testzeiten manchmal von einem Tag zum anderen deutlich voneinander abweichen können.

Wenn sich die Fahrer nach dem Training mit dem Satz "Hoffentlich werden wir über Nacht noch etwas finden", verabschieden, dann weiß man, was die Piloten machen. In der heutigen Zeit reicht es nicht, sich nur in das Auto zu setzen und sich fit zu halten, man muss auch ein gutes technisches Verständnis und die nötige Geduld mitbringen, um die Datenflut zu bewältigen und für sich nutzen zu können. Nicht selten findet ein Team über Nacht wirklich die entscheidende Verbesserung am Setup, auch wenn das Licht in den Teamtrucks erst am frühen Morgen ausgeht.

"Heute bist du ein gläserner Pilot, die Jungs merken sogar, wenn du im Auto einmal pupsen musst", witzelt BMW-Motorsportdirektor Gerhard Berger. Nicht immer erhält der Fahrer Einblicke in die Telemetriedaten seines Teamkollegen, denn dort kann man genau sehen, wann ein Fahrer bremst oder Gas gibt. Besonders spannend ist das Thema in Spa, wo ein Pilot als besonders mutig gilt, wenn er die berühmt-berüchtigte "Eau Rouge" mit Vollgas durchfährt.