• 02.08.2007 12:08

  • von Harry Miltner

Hintergrund: Formel 1 für Dummys

Toyotas Dieter Gass erklärt die Formel 1 für Dummys: Welche Funktionen das Lenkrad hat, wie die Bremsen funktionieren und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 ist ein hochkomplexer Sport, in dem das Zusammenspiel von Mensch und Maschine entscheidend für den Erfolg sind. Aber was genau steckt hinter diesem Zusammenspiel? Toyota-Chefrenningenieur Dieter Gass erklärt die Rolle von Lenkung, Bremsen, Fahrersitz und Reifen.

Titel-Bild zur News: MF1-Racing-Lenkrad

Die meisten Funktionen werden über das Lenkrad des Autos gesteuert

Auch für den größten Techniklaien ist die Wichtigkeit des Lenkrades offensichtlich. Es ist die Schnittstelle zwischen den blitzschnellen Reaktionen eines Fahrers und dem Wagen, sozusagen der Hightech-Pinsel des Formel-1-Künstlers. Aber das Lenkrad verbirgt noch viele andere Funktionen in sich als nur den simplen Richtungswechsel.#w1#

Lenkrad statt Armaturenbrett

Anders als in einem Serienfahrzeug, das über ein Armaturenbrett mit Schaltern und Reglern verfügt, gibt es in einem Formel-1-Rennwagen nur das Lenkrad. Daher muss jede Option, die der Fahrer im Rennen benötigt, tatsächlich nicht mehr als einen Knopfdruck entfernt liegen. "Das Lenkrad ist ein sehr wichtiges Element des Wagens. Neben den Brems- und Kupplungspedalen ist es alles, was ein Pilot braucht, um den Wagen zu steuern. Daher gibt es auf der Vorderseite viele Schalter, die der Fahrer während des Rennens betätigt, wie etwa den Speedlimiter oder die Traktionskontrolleregelung", erklärt Gass.

Laut Gass gibt es "auf der Rückseite noch Regler, mit denen der Fahrer die Gänge schalten beziehungsweise auch kuppeln kann." Die Fahrer schalten damit rund 3.000 Mal pro Rennen, verändern die Einstellungen fortlaufend, kommunizieren über Bordfunk mit dem Team und steuern sogar ihr Trinksystem übers Lenkrad, das somit eindeutig ein wesentlicher Baustein des Wagens ist.

Sitz muss passen

Aufgrund dieser vielen zu bewältigenden Aufgaben und der starken Fliehkräfte in den schnellsten Rennwagen der Welt sollte ein Fahrer immer sehr gut sitzen. Daher haben Ralf Schumacher und Jarno Trulli an ihrer Körper angepasste Sitze. "Der Fahrersitz ist dem Piloten völlig angepaßt, damit er ihm während der Fahrt die größtmögliche Stabilität geben kann. Er muss große Kräfte beim Beschleunigen, Bremsen und in die Kurve fahren aushalten", so Gass.

Unter solch extremen Bedingungen ist das kleinste Unbehagen spürbar und kann zum wirklichen Problem werden, denn es beeinträchtigt die Konzentration und das Wohlfühlen des Fahrers. Daher überlässt man bei Toyota nichts dem Zufall. Genauso wichtig wie Komfort ist der Sicherheitsaspekt, weswegen der Fahrersitz in einem Kohlefasermonocoque - einer extrem stabilen Sicherheitszelle, die den Aufprall abfängt und dadurch den Fahrer bei Unfällen schützt - eingebettet. "Der Einsatz von Kohlefaser hat das Sicherheitsniveau in den letzten 20 Jahren stark angehoben."

Bremsen heiß und griffig

Aufgrund der großartigen Beschleunigung der Formel-1-Wagen von 0 auf 160 km/h in unter sechs Sekunden benötigt der Wagen auch sehr gute Bremsen. Die Bremsen werden aus Karbon gefertigt und können den Wagen von 160 km/h ebenfalls in sechs Sekunden zum Stehen bringen. Derartige Leistungen sind nur mit Karbonbremsen möglich, da sie bei Durchschnittstemperaturen von 650 Grad arbeiten und maximal 900 Grad aushalten. Gass: "Die Bremsen sind wohl einer der größten Unterschiede zwischen einem Formel 1 und einem Serienwagen. Es beginnt beim Material und den Eigenschaften, denn die Karbonbremsen funktionieren unter 300 Grad kaum. Die Temperatur darf aber auch nicht zu hoch sein, weswegen wir große Kühlkanäle an allen vier Bremsen haben. So können wir die Temperatur regeln und ein optimales Bremsverhalten sicherstellen."

Der richtige Gummi zählt

Ähnliche Bedeutung wie den Bremsen kommt den Reifen zu. Ein Team kann zwischen zwei Sorten Trockenreifen - weiche und härtere Mischungen - sowie einem Reifen für feuchte und einem für sehr nasse Bedingungen wählen. Die gesamte von einem Formel-1-Rennwagen erzeugte Energie muss auf die Straße gebracht werden, weshalb das Gripniveau, sprich die Haftung, und der Reifenverschleiß von entscheidender Bedeutung sind. 2007 fährt Toyota im zweiten Jahr hintereinander auf Bridgestone-Reifen, aber die Situation hat sich seit 2006 deutlich verändert. "Zum ersten Mal seit dem Jahr 2000 fahren alle Teams auf Bridgestone und wir haben vier Mischungen pro Wochenende. Alle Reifen arbeiten bei 80 Grad am besten, offerieren aber unterschiedliche Gripniveaus. Bei rauem Asphalt wie etwa in Barcelona sollte man harte Reifen aufziehen. Auf weniger aggressivem Boden wie in Monaco kann man mit der weicheren Mischung fahren", erklärt Gass.