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Hills Sinneswandel: "Lage in Bahrain verschlechtert"
Vor sechs Wochen war Damon Hill einer der prominentesten Fürsprecher für die Rückkehr in die Krisenregion Bahrain - Die Gründe für den Meinungsumschwung
(Motorsport-Total.com) - Der Grand Prix von Bahrain sorgt weiter für Schlagzeilen. Nachdem das Rennen vor einem Jahr wegen der blutigen Zusammenstöße im Insel-Königreich nach langen Diskussionen, bei denen keine der Parteien ihr Gesicht verlieren wollte, abgesagt wurde, wollte man ursprünglich dieses Jahr am 22. April zurückkehren. Doch die Lage spitzte sich zuletzt wieder zu: In der vergangenen Woche wurde ein 22-Jähriger Mann getötet, der gegen die Regierung demonstrierte. Die Polizei geht fast täglich mit Tränengas gegen die Proteste vor - seit Februar 2011 gibt es offiziell bereits 45 Todesopfer.

© xpbimages.com
Damon Hill sieht die Lage in Bahrain inzwischen aus einem anderen Blickwinkel
Inzwischen hat auch einer der prominentesten Fürsprecher Zweifel an einer Rückkehr zum Bahrain International Circuit: Damon Hill. Der Ex-Weltmeister meint gegenüber dem 'Guardian': "Die Lage hat sich geändert. Die Proteste haben nicht abgenommen und wurden sogar noch gezielter und kalkulierter. Es ist besorgniserregend. Sollte das Rennen stattfinden, muss es an oberster Stelle stehen, dass keine Menschenleben gefährdet sind."
Eine Austragung sieht er inzwischen kritisch: "Aus heutiger Sicht muss man sagen, dass das Rennen mehr Probleme entstehen lassen als lösen würde. Es wäre schlecht für die Formel 1, wenn man den Eindruck hat, dass sie das Kriegsrecht geltend macht, um das Rennen durchzuführen. Das sollte nicht die Rolle dieses Sports sein."
Hill vor sechs Wochen klar pro Bahrain
Interessant ist, dass Hill noch vor sechs Wochen gegenüber 'Motorsport-Total.com' komplett anderer Meinung war und somit offenbar einen Sinneswandel durchgemacht hat. Nachdem er sich vor einem Jahr äußerst Bahrain-kritisch geäußert hatte, bot ihm FIA-Boss Jean Todt Ende 2011 an, ihn bei seiner zweitägigen Reise in die Krisenregion zu begleiten.
"Durch meinen Besuch gewann ich ein kompletteres Bild von der Situation, wenn auch natürlich leicht überschattet vom Bedarf nach Schutz", erklärte Hill nach seiner Rückkehr aus dem Golstaat gegenüber 'Motorsport-Total.com'. Er zeigte sich vor allem überrascht, dass sich die Delegation dort frei bewegen durfte: "Uns wurde Gelegenheit gegeben, überall hinzugehen und alle Fragen zu stellen, die wir stellen wollten. Jean war sehr gründlich und übte Druck aus, Menschen und Orte zu sehen, die ich lieber nicht gesehen hätte. Ich halte ihn nicht für naiv. Er merkt es genau, wenn ihm jemand eine geschönte Geschichte erzählen will."
Im Zuge zahlreicher Meetings sprach Hill auch mit einem UN-Experten für Kriegsverbrechen, den Botschaftern aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien sowie Geschäftsleuten und Politikern aus dem sunnitischen und schiitischen Lager. Hill bildete sich auch vom umstrittenen Kronprinzen eine Meinung: "Er tat sein Bestes, um die Situation zu zerstreuen, und rief zum Dialog auf (...). Er wird als Reformer geschätzt und war einer der wichtigsten Drahtzieher, um die Formel 1 ins Land zu holen."
Hill glaubte an positives Signal für Reformen
Vor sechs Wochen meinte Hill noch, dass eine Absage des Rennens ein negatives Signal für die Reformbewegung sei. "Meine Aussagen sind meine persönliche Sicht der Dinge, und in diesem Fall unterstützen sie die Entscheidung der FIA, Bahrain in den Kalender zurückzubringen - in der Hoffnung, dass alles in Ordnung sein wird", stellte der 51-Jährige, der dafür bekannt ist, sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen, klar. "Die Experten für Menschenrechte und Diplomatie im Mittleren Osten arbeiten daran, den Frieden in der Region zu erhalten."
Die Meinung, dass die Königsklasse des Motorsports eine politische Verantwortung hat, unterstützte Hill nicht: "Die Formel 1 kann das Problem, das manche Leute ungerecht behandelt werden, nicht lösen. Mein Argument war immer, dass die Formel 1 viel damit erreichen kann, moralisch gesehen auf der richtigen Seite zu stehen, indem sie es nicht unterstützt, dass Gewalt in ihrem Namen ausgeübt wird."
Warum Hill seine Meinung änderte
Warum er die Situation heute anders sieht? "Meine damalige Sicht der Dinge, die ich nach dem Besuch im Vorjahr äußerte, basierte auf meinem Verständnis unterschiedlicher Faktoren: die beträchtliche wirtschaftliche Bedeutung des Grand Prix von Bahrain; dass die Berichte über die Zusammenstöße im April die Aktionen der Polizei und der Sicherheitskräfte missbilligten und dass sich beide Seiten in einem sinnvollen Dialog befanden, um die Probleme friedlich zu lösen. Unter diesen Umständen kann man sich vorstellen, dass der Grand Prix ein großer Ansporn für ein Bahrain auf dem Weg zurück gewesen wäre."
Hill ist aber der Meinung, dass Anspruch und Wirklichkeit nach wie vor auseinanderklaffen: "Wenn man sein Urteil auf die Berichte in den europäischen Zeitungen, Social Media und auf Al Jazeera stützt, dann scheinen sich die Bedingungen weniger als drei Wochen davor nicht verbessert zu haben."
Nun hofft der ehemalige Rivalen von Michael Schumacher, dass die FIA die Lage richtig einschätzt und den Berichten der Verantwortlichen in Bahrain kritisch gegenübertritt: "Man darf die Ereignisse in Bahrain nicht - wie es uns oft verkauft wird - als das Ergebnis einer Gruppe Halbstarker sehen, die Molotov-Cocktails werfen, denn das wäre eine widerliche Vereinfachung. Wer das glaubt, der sollte etwas aufmerksamer sein. 100.000 Menschen riskieren nicht umsonst bei Protesten ihr Leben."
Absage erst vier Tage vor Rennwochenende?
Dennoch will er sich derzeit noch nicht festlegen, ob das Rennen abgesagt werden sollte: "Die Formel 1 muss klarstellen, dass sie versteht, was vor sich geht, uns dass sie das Beste für Bahrain will - und für jedes andere Land, das sie besucht."
Doch wieviel Zeit bleibt, um das Rennen abzusagen? Vieles deutet darauf hin, dass die Entscheidung erst im letzten Moment - also am Sonntag des China-Grand-Prix fallen könnte. Das wäre nur vier Tage vor dem Donnerstag, an dem die Teams im fertig aufgebauten Fahrerlager den Medien üblicherweise Rede und Antwort stehen.
Auf unsere Frage, ob eine so späte Entscheidung machbar wäre, entgegnet ein Teammanager eines Formel-1-Rennstalls: "Absolut. Man denke an den Kalender und an die Luftfracht. Nach Bahrain sind drei Wochen Pause bis Spanien, dazwischen der Test in Mugello. Sollte das Rennen am Sonntag in Schanghai abgesagt werden, würden die FOM-Charterflieger einfach nach Europa statt in den Mittleren Osten abheben. Kein Problem."

