Hersteller über jüngste Entwicklungen verärgert
Kein Grand Prix in Kanada und Einheitsmotoren: Mit diesen Initiativen vergrämen Bernie Ecclestone und Max Mosley die Automobilhersteller
(Motorsport-Total.com) - Fast schon verdächtig harmonisch liefen die vergangenen Wochen auf politischer Ebene in der Formel 1 ab, nahezu auf allen Ebenen herrschte zumindest hinsichtlich der langfristigen Ziele Konsens. Doch die Formel 1 wäre nicht die Formel 1, wenn nicht dann und wann wieder ein bisschen Zündstoff aufkommen würde.

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Mario Theissen kann sich keinen Einheitsmotor in der Formel 1 vorstellen
Dafür sorgt momentan der von Bernie Ecclestone ausgearbeitete Rennkalender für 2009, auf dem erstmals seit mehr als vier Jahrzehnten Nordamerika nicht mehr vertreten ist. Zwar hatte ohnehin kaum jemand mit einem USA-Comeback gerechnet, aber dass auch noch der Kanada-Grand-Prix in Montréal gestrichen wurde, das ist BMW und Co. dann doch ein wenig zu viel. Für die meisten Automobilhersteller ist der nordamerikanische Markt immer noch der größte.#w1#
"Das ist sicher nicht in unserem Sinne", erklärte BMW Motorsport Mario Theissen zur Montréal-Streichung. "Ich bin selbst überrascht von dieser Aussage. Ich habe noch keine Hintergrundinformationen bekommen, aber es geht offenbar um Geld. Natürlich ist für uns als Autohersteller der amerikanische Markt wichtig - und wenn schon kein Rennen in den USA stattfindet, dann ist Montréal in Kanada auf jeden Fall ein Eckpfeiler auf dem nordamerikanischen Markt.
Klares Bekenntnis zu Nordamerika
"Es geht aber hier nicht nur um uns als Autohersteller, sondern die Formel 1 insgesamt hat sich in Nordamerika immer schwer getan - mit Ausnahme von Kanada. Also auch hier war Kanada immer der Eckpfeiler. Wir sollten versuchen, mittelfristig über Kanada wieder die USA zu erschließen", so der Deutsche. Auf die Frage, ob das letzte Wort bereits gesprochen sei, antwortete er: "Das letzte Wort kommt immer zuletzt. Ich denke, wir werden das diskutieren."
Auch Honda-Geschäftsführer Nick Fry plädiert für eine sofortige Wiederaufnahme von Montréal: "Wir sind eine globale Rennserie. Wenn wir auf einem der wichtigsten Kontinente nicht präsent sind, dann ist das ein ernsthaftes Problem, vor allem deshalb, weil es für alle in der Formel 1 involvierten Motorenhersteller ein sehr wichtiger Kontinent ist", betonte der Brite, der sich genau wie Theissen für ein Überdenken der Entscheidung einsetzen will.
Indes wird vermutet, dass Ecclestone Montréal gestrichen haben könnte, um Druck auf die Teams auszuüben - nach dem Motto: Entweder ich gebe euch Montréal oder die dreiwöchige Sommerpause, aber nicht beides! Theissen widerspricht: "Wir könnten von Budapest direkt in die Türkei fahren. Die Trucks haben da schon die halbe Strecke zurückgelegt. Dann könnten wir eine Woche später in der Türkei fahren und wir hätten immer noch drei Wochen Pause. Das wäre logistisch sogar einfacher."
Doch der neue Rennkalender ist nicht der einzige Punkt, über den sich die Hersteller derzeit ärgern, sondern auch mit dem Vorschlag von Ecclestone und FIA-Präsident Max Mosley, ab 2010 aus Kostengründen konsequent einen einheitlichen Formel-1-Motor für alle Teams einzuführen, stößt erwartungsgemäß auf wenig Gegenliebe: "Wir sind strikt gegen diese Idee", stellte Fry heute in Fuji unmissverständlich klar.
Honda wettert gegen den Einheitsmotor
"Der Motor ist das Herz von Honda und anderen Automobilherstellern", argumentierte der Honda-Geschäftsführer gegenüber 'autosport.com'. "Wir sind der größte Hersteller von Verbrennungsmotoren auf der ganzen Welt und wir wären überhaupt nicht glücklich über einen Motor, den jemand anders gebaut hat. Wir wollen unseren Motor selbst designen, entwickeln und produzieren." Eine Kostenreduktion könne er sich aber grundsätzlich vorstellen.
Theissen sieht das ähnlich: "Mittelfristig ziehen wir einen neuen Antriebsstrang in Betracht, der billiger sein und Zukunftstechnologien beinhalten muss", sagte der Deutsche, der "spätestens 2013" ein neues Motorenformat in der Formel 1 erleben möchte. Das könnte er sich dann in etwa so vorstellen: "Ich denke, wir werden wie heute einen Verbrennungsmotor haben, nur kleiner und effizienter - vielleicht einen Turbo mit Energierückgewinnung."
"Ein Standardmotor", hielt er fest, "ist etwas, was uns nicht wirklich gefällt. Das würde es für Hersteller schwierig machen, ein Engagement zu rechtfertigen. Es gibt sicherlich auch einige andere Hersteller, die hinterfragen müssten, ob ihr Engagement noch passt." Man habe motorenseitig seit 2005 schon 30 Prozent eingespart. Weiteres Einsparungspotenzial sieht Theissen durch Verlängerung der Lebensdauer, Homologierung und Standardisierung von Teilen.
Eine denkbare Sofortmaßnahme wäre seiner Meinung nach, die Lebensdauer der Motoren von zwei auf drei Rennwochenenden auszudehnen: "Schaffen wir das ohne Aufhebung der Homologierung, dann wäre das für die unabhängigen Teams eine Einsparung von fast einem Drittel auf einen Schlag. Auch für die Hersteller wäre es eine Absenkung. Aber das macht nur ohne Aufhebung der Homologierung Sinn", erläuterte Theissen.
Theissen will bis 2013 50 Prozent einsparen
"Die Teams sind fest entschlossen, signifikante Schritte in Richtung einer Kostenreduktion zu unternehmen. Ich bin zuversichtlich, dass wir einen vernünftigen Vorschlag unterbreiten werden", kündigte er an. "Wir haben meiner Meinung nach nur eine Chance, wenn der Vorschlag für alle akzeptabel ist. Auf welchen Mittelweg verständigen sich zehn Teams, die aus sehr unterschiedlichen Richtungen kommen?" 50 Prozent möchte Theissen insgesamt einsparen.
"Das ist durchaus denkbar für mich", sagte der BMW Motorsport Direktor und schwieg vielsagend zur utopisch anmutenden Ankündigung der FIA, die die Budgets auf ein Zehntel reduzieren möchte. Eine frühzeitige Aufhebung der Motorenhomologierung vor 2013 müsse man sich jedenfalls gut überlegen, denn: "Das Schwierige ist, dass wir zusätzliche Kosten in den nächsten zwei oder drei Jahren vermeiden müssen. Das wäre auch unleistbar."
Ein neuerliches Bekenntnis gab Theissen zu Zukunfstechnologien wie etwa dem Hybridsystem KERS ab: "Der Ansatz, sich in der Formel 1 um zukünftige Technologien zu kümmern, ist für mich völlig richtig und geradezu eine Chance, die Formel 1 zu repositionieren und in der Formel 1 etwas für künftige Serientechnologien zu tun. Ob man deshalb die Reifen grün anstreichen muss, ist die Frage, die kann man stellen", grinste er in Bezug auf die jüngste Bridgestone-Initiative,
Der 56-Jährige ist überzeugt davon, dass KERS in einem Wettbewerbsumfeld wie der Formel 1 für die Serienproduktion rasch weiterentwickelt werden kann: "Es wird in Zukunft einiges in die Serie gehen", gab Theissen zu Protokoll und verwies auf bereits jetzt stattfindende Kommunikation zwischen den Renn- und Serieningenieuren in München: "Meine Kollegen aus der Serienentwicklung klopfen jedenfalls schon regelmäßig an die Tür..."

