Hembery: "Vielleicht probieren es manche mit einem Stopp"

Pirellis Motorsportchef Paul Hembery erklärt, warum ein Stopp in Südkorea möglich sein sollte, wieso Graining ein Problem ist und weshalb viel Sturz keine Lösung ist

(Motorsport-Total.com) - In Südkorea ist alles anders. Die wenigen Anrainer im Umfeld der Formel-1-Strecke wissen nicht, dass an diesem Wochenende ein Grand Prix stattfindet. Glanz und Glamour sucht man beim Korea International Circuit vergeblich. Und auch in der geheimnisvollen Welt des "schwarzen Goldes" der Formel 1 spielen sich in Südkorea sonderbare Dinge ab.

Titel-Bild zur News: Romain Grosjean

Die Reifen sorgen nicht nur bei Grosjean für eine enorme Herausforderung Zoom

"Wenn wir uns in einem Konkurrenzkampf befinden würden, dann müssten wir für den Belag hier eine eigene Reifenmischung entwickeln", erzählt Pirellis Motorsportchef Paul Hembery. "Dieser Belag ist so einzigartig". Tatsächlich sehen sich die Italiener auf dem Kurs mit einer ungewöhnlichen Herausforderung konfrontiert: Da die Strecke aus zwei völlig konträren Teilen besteht - am Anfang gibt es lange Geraden, am Ende viele Kurven -, muss man einen Kompromiss eingehen.

Hembery schließt sogar einen Stopp nicht aus

"Das ist aus vielerlei Hinsicht eine ziemlich seltsame Strecke, denn es sieht wie eine permanente, schnelle Strecke aus, aber der Belag ähnelt einem Stadtkurs", erklärt Hembery. "Der Asphalt ist sehr glatt, der Verschleiß ist also sehr gering. Die Reifenstruktur muss aber beim Bremsen und wegen der Querkräfte großen Belastungen standhalten." Der glatte Asphalt, der kaum Grip bietet, hat schließlich den Ausschlag gegeben, dass Pirelli die Teams mit den Mischungen Soft und Supersoft beliefert.

"Der Asphalt ist sehr glatt, der Verschleiß ist also sehr gering." Paul Hembery

Eine Wahl, die im Vorjahr zunächst für hochgezogene Augenbrauen sorgte. "Die Leute glaubten, dass das etwas verrückt ist und wir vier oder fünf Stopps sehen würden", erinnert sich Hembery. "Am Ende waren es aber nur zwei Stopps." Obwohl die Reifenmischungen in diesem Jahr weicher sind als 2011, rechnet er damit, dass sich das gleiche Bild wie im Vorjahr zeigen wird. "Vielleicht probieren es sogar manche mit nur einem Stopp", vermutet er.

Wie hält man den Reifen im Temperaturfenster?

Die einzigartige Charakteristik des Layouts sorgt bei den Reifen für ein außergewöhnliches Phänomen: Die Pneus kühlen auf den langen Geraden durch den Fahrtwind stark ab und werden im technischen Teil aufgeheizt. "Das ist der Unterschied zu einem normalen Stadtkurs, wo die Mischung ins Temperatur-Arbeitsfenster kommt und dort bleibt", weiß Hembery. "Hier kühlt der Reifen deutlich ab. Außerdem haben wir auch den Wind. Das ist etwas bizarr. Einer unserer Reifeningenieure hat gescherzt, dass man hier besser einen Intermediate-Reifen aufzieht, der früh ins Arbeitsfenster kommt."

Weil das Reifeninnere nicht auf Temperatur kommt und das Auto auf der wenig Grip bietenden Strecke rutscht, kommt es zum Graining. "Das wird noch verschlechtert, weil es kein Rahmenprogramm gibt und die Strecke dadurch schmutzig bleibt", meint Hembery, gibt aber Entwarnung: "Wir haben bisher nichts wirklich Besorgniserregendes gesehen."

Reifenmischungen liegen eng beisammen

Während die Hinterreifen kaum belastet werden, klagten am ersten Trainingstag vor allem die McLaren-Piloten über Probleme bei den Vorderreifen. Um die Pneus auf Temperatur zu bringen, setzen einige Fahrer auf viel Sturz - das kann aber laut dem Pirelli-Motorsportchef auch ins Auge gehen: "Es gab jemanden, der beim Sturz etwas weit ging und dadurch keinen Vorteil, sondern zusätzlichen Verschleiß an der Schulter des Reifens hatte."

"Einer unserer Reifeningenieure hat gescherzt, dass man hier besser einen Intermediate-Reifen aufzieht." Paul Hembery

Da sich der Performanceunterschied zwischen den beiden Reifenmischungen im Bereich von 0,2 bis 0,6 Sekunden bewegt und dadurch eher gering ist, wäre es grundsätzlich möglich, in Q3 auf ein alternative Strategie zu setzen, um mit der härteren Mischung ins Rennen zu gehen. Hembery glaubt aber eher nicht daran: "Das Qualfiying ist immer noch mitentscheidend. Und zwei bis sechs Zehntel sind genug, um über Pole oder Platz zehn zu entscheiden. Ich glaube nicht, dass das passiert." Dennoch sieht er aufgrund der geringen Unterschiede der Mischungen " viele unterschiedliche Möglichkeiten bei der Strategie".