Hembery: "Teams müssen die Reifen besser verstehen"
Paul Hembery zeigt sich vom Performance-Unterschied der Pirelli-Slicks am Schanghai-Freitag überrascht, kann die Kritik der Piloten aber nicht nachvollziehen
(Motorsport-Total.com) - Mercedes-Pilot Michael Schumacher hatte im zweiten Freien Training zum Grand Prix von China in Schanghai die Nase vorn. Die Tagesbestzeit fuhr der Rekordweltmeister auf seiner ersten fliegenden Runde mit den Soft-Reifen. Schnellster Verfolger war McLaren-Pilot Lewis Hamilton - ebenfalls auf den Softs - mit lediglich 0,172 Sekunden Rückstand.

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Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery sieht Nachholbedarf auf Seiten der Teams
Der Großteil des Feldes setzte am Nachmittag bei komplett trockener Strecke auf die weichere der beiden Mischungen. Lediglich die beiden Red Bull-Piloten Sebastian Vettel (+0,187; 3.) und Mark Webber (+0,460; 4.) sowie Schumachers Mercedes-Teamkollege Nico Rosberg (+0,644; 5.) vertrauten ausschließlich auf die härtere Medium-Mischung.
Neben den beiden nach Schanghai mitgebrachten Slick-Mischungen Soft und Medium kamen am Freitag auch die Intermediates und kurzzeitig sogar die Regenreifen zum Einsatz. Caterham war im morgendlichen ersten Freien Training, das generell von wenig Fahrbetrieb gekennzeichnet war, das einzige Team, das die blau markierten Regenreifen von Pirelli nutzte.

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Der Medium erwies sich um 0,6 Sekunden pro Runde langsamer als der Soft Zoom
Im Tagesverlauf besserten sich die äußeren Bedingungen am Shanghai International Circuit, was im zweiten Freien Training für deutlich mehr Fahrbetrieb sorgte. So herrschte am Nachmittag rege Betriebsamkeit, da die Teams die Arbeit mit den Slicks nachholen wollten, die sie am Morgen verpasst hatten.
Bei Pirelli ist man mit den Erkenntnissen soweit zufrieden. Eine vollständige Auswertung der Daten steht allerdings noch aus. Bisher geht man beim italienischen Reifenhersteller im Hinblick auf den Rennsonntag davon aus, dass die Softs etwa 0,6 Sekunden pro Runde schneller sein werden als die Medium-Reifen. Die für die Saison 2012 überarbeiteten Mischungen sollten eigentlich enger beieinander liegen.
Großer Unterschied zwischen den Slick-Mischungen
"Der zeitliche Unterschied zwischen den Mischungen war teilweise größer als wir im Vorfeld erwartet hatten", gesteht Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery gegenüber 'Motorsport-Total.com. "Das kann zum einen mit der Veränderung des Griplevels auf der Strecke, zum anderen mit den unterschiedlichen Benzinmengen der Teams zusammenhängen."
Jenson Button vermutet, dass die niedrigen Temperaturen im Bereich von 15 Grad am Freitag ebenfalls ihren Teil dazu beitrugen, dass sich die Pirelli-Reifen nicht immer wie im Vorfeld erwartet vierhielten: "Es ist nicht einfach, die Reifen bei dieser Kälte auf Betriebstemperatur zu kriegen", so der McLaren-Pilot nach Platz sechs im zweiten Freien Training.
"Bei 15 Grad fand in der vergangenen Saison das kälteste Rennen des Jahres statt, das war in Deutschland", merkt Hembery an und zeigt sich sichtlich überrascht, dass sich in Schanghai nicht nur die Außen-, sondern auch die Asphalttemperaturen in diesem Bereich bewegten. "Vorschnelle Schlüsse sind aber sicherlich fehl am Platz. Sollte es morgen trocken bleiben, werden wir die wirkliche Leistungsfähigkeit der Autos zu Gesicht bekommen", ist der Pirelli-Motorsportchef überzeugt. "Heute ergab sich anhand der wechselhaften Bedingungen kein klares Bild."
Problem stehender Vorderräder im Training
Die ungewöhnlich hohe Anzahl an stehenbleibenden Vorderrädern im Freien Training führt Hembery auf "eine Kombination aus Fahrstil, Setup und grundsätzlicher Balance des Autos" zurück. "Die Teams haben den idealen Weg noch nicht gefunden, um die Reifen sowohl mit wenig als auch mit viel Sprit im Tank optimal zu nutzen. Das ist das eigentliche Problem an der Sache."
Im Gegenzug dazu sehen die Piloten die Ursache eher in den Reifen. "Wenn sich die Reifen nicht im richtigen Betriebsfenster bewegen, hast du schnell ein stehendes Vorderrad, womit du die Reifen ruinierst. Das geht dann so weiter: Je weniger Gummi du auf den Reifen hast, desto schwieriger ist es, die richtige Temperatur aufzubauen. Die stehenden Vorderräder häufen sich dann", sagt Button.
Bei Pirelli will man dies so nicht auf sich sitzen lassen. "Es ist ähnlich wie im vergangenen Jahr", sagt Hembery. "Unser Ziel war es damals wie heute, die Teams vor neue Herausforderungen zu stellen. Ich bin mir sicher, dass die Teams die Reifen besser verstehen werden, je länger die Saison andauert.
Hembery rechnet mit zwei bis drei Stopps am Sonntag
Das vorangegangene erste Freie Training, das teilweise von Regenfällen gekennzeichnet war, nutzten die Teams "hauptsächlich, um den Crossover-Punkt zwischen den Intermediates und den Slicks zu definieren", wie Hembery betont. "Das könnte nützlich sein, wenn es während des Wochenendes weiter regnen sollte."
Für den Samstag lässt die Wettervorhersage eine trockene Strecke und einen leichten Anstieg der Temperaturen erwarten. Lediglich für den Rennsonntag ist gegenwärtig noch mit einzelnen Schauern zu rechnen. "Bei normalem Rennverlauf" rechnet Hembery für den Grand Prix mit "zwei bis drei Boxenstopps", wie er sagt.
Im Zuge von Testfahrten wird Pirelli die Entwicklung der Pneus - vor allem im Hinblick auf die Saison 2013 - weiter vorantreiben. "Wir werden vom 7. bis 9. Mai mit unseren beiden Piloten in Jerez testen", offenbart Hembery. Lucas di Grassi und der kürzlich ins Pirelli-Boot geholte Ex-Toro-Rosso-Pilot Jaime Alguersuari werden dann einen Renault R30 bewegen. Der französische Bolide aus der Saison 2010 fungiert in diesem Jahr als offizielles Testauto von Pirelli.

