• 25.03.2024 12:00

  • von Stefan Ehlen, Co-Autoren: Adam Cooper, Erwin Jaeggi

Helmut Marko: "Es ist etwas Mentales" bei Daniel Ricciardo

Wird Daniel Ricciardo nach nur drei Formel-1-Rennen 2024 schon angezählt bei Racing Bulls? Was Helmut Marko und Ricciardo selbst zur Situation sagen

(Motorsport-Total.com) - "Er tut sich schwer." Und wenn Helmut Marko so etwas über einen Formel-1-Fahrer in seinem Kader sagt, dann weiß man: Dieser Fahrer fährt unter Beobachtung. Das gilt in der Saison 2024 für Daniel Ricciardo.

Titel-Bild zur News: Formel-1-Fahrer Daniel Ricciardo in der Pressekonferenz in Australien 2024

Formel-1-Fahrer Daniel Ricciardo in der Pressekonferenz in Australien 2024 Zoom

Denn die Zahlen sprechen Bände: Im Qualifying-Duell gegen Racing-Bulls-Teamkollege Yuki Tsunoda liegt Ricciardo bereits 0:3 zurück. Und während Tsunoda in Australien erstmals in diesem Jahr gepunktet hat, kann Ricciardo nur auf einen zwölften Platz als persönliche Bestleistung verweisen.

Deshalb mehren sich die Fragezeichen im Red-Bull-Universum. Marko zum Beispiel sagt bei Sky, Ricciardo sei bei den Formel-1-Wintertests in Bahrain "eigentlich auf Augenhöhe" gewesen mit Tsunoda. Die Rennen aber seien dann "nicht so gut gelaufen".

Wohl aus diesem Grund hatte sich Ricciardo bei seinem Heimrennen in Australien einen Befreiungsschlag erhofft: "Tief in mir habe ich vor dem Wochenende wirklich geglaubt, es würde sehr, sehr gut werden." Das ist aber nicht eingetreten: Ein Tracklimits-Fehler im Qualifying ließ Ricciardo bereits in Q1 ausscheiden und im Rennen außerhalb der Punkteränge landen. Womit der Druck nicht geringer, sondern größer wird.

Spekulationen um Ricciardos Ablöse bei Racing Bulls

The New Zealand Herald aus der Heimat von Liam Lawson berichtet nun sogar, Red Bull könnte von Ricciardo konkret eine Steigerung bis China eingefordert haben, sonst drohe der Verlust des Cockpits an Lawson. Öffentlich getroffene Aussagen dazu gibt es bislang jedoch nicht.

Doch Marko machte noch in Melbourne klar, "man muss schauen", wie es weitergeht mit Ricciardo, weil dieser im Vergleich zu Tsunoda keine gute Figur abgebe, und das bei identischen Voraussetzungen, wie Marko betont: "Jeder Fahrer sieht die Daten des anderen. Es gibt also keine Geheimnisse. Sie haben das gleiche Auto. Alles ist gleich."

Das lässt für Red-Bull-Sportchef Marko nur eine Schlussfolgerung zu: "Daniel hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er ein schneller Fahrer ist. Es ist [also] etwas Mentales, [...] ein mentales Problem."

Marko: Ricciardo muss zu Tsunoda aufschließen

Was Jody Egginton als Technischer Direktor bei Racing Bulls aber ganz anders aufgefasst hat: "Daniels Wochenende [in Australien] war zwar nicht ganz so einfach, aber eines muss man ihm lassen: Er hat den Kopf nicht hängen lassen."

Auch wenn das Ergebnis nach nicht viel aussehe, Ricciardo habe "hart gearbeitet", um zusammen mit den Ingenieuren "das Auto mehr nach seinem Geschmack zu gestalten", sagt Egginton. Er erkenne "einige gute Anzeichen für Fortschritte", die Ricciardo "in den nächsten Rennen" ins vordere Mittelfeld bringen könnten.

Das ist auch die von Marko ausgesprochene Aufgabenstellung für Ricciardo: Er müsse "zumindest wieder auf Augenhöhe kommen mit Yuki", sagte Marko bei Sky. Dazu brauche es "ein Auto, in das er Vertrauen hat. Ich hoffe, das Team kann ihm sowas geben."

Daniel Ricciardo im Racing Bulls VVARB 01 beim Formel-1-Rennen in Australien 2024

Daniel Ricciardo im Racing Bulls VVARB 01 beim Formel-1-Rennen in Australien 2024 Zoom

Ricciardo widerspricht Helmut Marko

An dieser Stelle aber widerspricht Ricciardo: "Mit Vertrauen hat das nichts zu tun. Es ist nicht so, dass ich mich frage, was das Auto macht, wenn ich bremse oder einlenke. Das ist es nicht. Ich habe einfach nur den Eindruck, dass ich häufig vielleicht nicht den Speed gehen kann, den Yuki gehen kann. Deshalb stelle ich dem Team gerade viele Fragen."

Außerdem stimme ihn die Aussicht auf technische Updates am Racing Bulls VCARB 01 zuversichtlich: "Ich erwarte, dass es damit ziemlich schnell in die andere Richtung geht. Bevor man sich versieht, sind wir wieder gut dabei. Ich weiß, dass ich das jetzt im Scherz gesagt habe, aber ich glaube das wirklich. Also ja, hoffentlich kriegen wir die Trendwende umgesetzt."

Warum sich Ricciardo von Nebengeräuschen abschottet

Medialer Druck von außen sei dabei aber keine Hilfe. "Ich weiß schon selbst, dass ich mich derzeit auf dieser Reise befinde, und dass ich mich auf mich selbst konzentrieren muss", sagt Ricciardo. "Wenn ich da die ganzen Nebengeräusche zu mir durchdringen lassen würde, dann wäre das eine Ablenkung für mich. Also schotte ich mich dahingehend ab."

Er könne aber nachvollziehen, warum kritische Nachfragen rund um seine Person gestellt werden. Denn Ricciardo kam 2023 mit dem selbst erklärten Ziel in die Formel 1 zurück, sich bei AlphaTauri und jetzt bei Racing Bulls wieder für höhere Aufgaben zu empfehlen - um vielleicht eines Tages wieder bei Red Bull zu fahren.

Ricciardo räumt ein: Hatte selbst mehr erwartet!

Werbung in eigener Sache macht er 2024 aber bisher nicht. "Und einen solchen Saisonstart hatte ich nicht erwartet", meint Ricciardo. "Vergangenes Jahr in Budapest lag ich im Qualifying sofort vor Yuki und hatte praktisch ohne Vorabkenntnisse ein wirklich starkes Rennen."

Anschließend habe er die weiteren Grands Prix und die komplette Winterpause zur Vorbereitung auf 2024 nutzen können. "Ich bin deshalb wirklich davon ausgegangen, dass wir die Saison deutlich stärker beginnen würden. Das ist der Grund, weshalb sich gerade viele fragen, nicht nur ich, was da los ist."

Er könne in dieser schwierigen Phase aber nur versuchen, "auf Kurs" zu bleiben. Ein "mentales Problem", wie von Marko attestiert, habe er nicht: "Mein Kopf ist nicht voller Unsinn oder dergleichen. Mir geht es wirklich gut. Nur leider lassen mich die Ergebnisse nicht in Euphorie ausbrechen."

Daniel Ricciardo, Helmut Marko

Bild aus besseren Tagen: Daniel Ricciardo als Red-Bull-Fahrer mit Helmut Marko Zoom

"Aber tief in mir drin und hinter dem Lenkrad fühle ich mich gut und aufgeregt. Ich will einfach weiter Rennen fahren. Denn ich bin mir sicher: Da steckt noch etwas mehr in mir drin. Und ich glaube weiter, dass wir vielleicht noch mehr aus dem Auto herausholen können."

Warum Horner mit Ricciardo gesprochen hat

Das scheint auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner so zu sehen. Er suchte noch in der Startaufstellung vor dem Grand Prix in Australien das Gespräch mit Ricciardo. "Ich wollte ihn nur ein wenig ermutigen", sagt Horner.

"Daniel ist ein großer Junge. Er wird sich selbst aufraffen. Aber manchmal ist man als Formel-1-Fahrer ein bisschen einsam, da ist ein bisschen Aufmunterung nie schlecht."

Zumal die Leistung grundsätzlich in Ordnung sei, wie Racing-Bulls-Teamchef Laurent Mekies betont: "Wenn Daniel von einer besseren Position gestartet wäre, wären für ihn [im Rennen] sicherlich Punkte drin gewesen." Doch eben diese Punkte hat Ricciardo nicht, weil er zuvor einen Fehler im Qualifying gemacht hatte.

Horner deutet an: Red Bull schaut auch anderswo

Verspielt er sich damit seine Chancen im Red-Bull-Universum? Horner weicht dieser Frage aus, wenn er sagt: "Ich denke, es ist noch sehr früh im Jahr, um überhaupt an das nächste Jahr zu denken."

Klar sei: Red Bull wolle "die bestmögliche Paarung" finden für das A-Team. Das könne eine interne Beförderung der eigenen Kaderfahrer bedeuten, müsse aber nicht, so Horner: "Manchmal muss man auch über den Tellerrand hinausblicken. [In Australien] hat [mit Carlos Sainz] ein sehr schneller, [bald] arbeitsloser Fahrer gewonnen. Der Markt ist also bei bestimmten Fahrern ziemlich dynamisch."