Werde jetzt Teil der großen Community von Motorsport-Total.com auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über den Motorsport und bleibe auf dem Laufenden!
Heidfeld über Gefühl und Daten
Nick Heidfeld erklärt im Interview die Computertechnik in der aktuellen Formel 1 und beschreibt das Gefühl das Fahrers als wichtigen Ratgeber
(Motorsport-Total.com) - Michael Schumacher beschrieb einst die Empfindungen eines Rennfahrers im Cockpit als Rückmeldung eines Sensors im Hinterteil und prägte den Begriff "Popometer". Mit einem solchen Gerät dürften alle Weltklassepiloten ausgestattet sein, doch bei der Justierung des "Popometers" helfen immer mehr elektronische Sensoren. Auf der Computermesse CeBIT in Hannover erklärte BMW Sauber Pilot Nick Heidfeld, wie wichtig die Computertechnik in der Formel 1 geworden ist.

© xpb.cc
Nick Heidfeld hat sich an den Anblick vieler Monitore bereits gewöhnt
Frage: "Nick, wie viel Computertechnik steckt eigentlich mittlerweile in einem Formel-1-Auto?"
Heidfeld: "Seit ich 2000 in die Formel 1 kam hat sich schon sehr viel getan, wie in anderen Lebensbereichen wahrscheinlich auch. Die Entwicklung geht da enorm schnell vorwärts. Wir haben weit über 100 Sensoren im Auto. Diese Daten müssen verarbeitet und übermittelt werden und das passiert während der Fahrt permanent. Da werden die Daten an die Box übertragen und im Hintergrund schauen sich die Ingenieure diese Werte an."#w1#
"Für den Fall, dass sich ein Problem abzeichnet, können sie mich dann sofort informieren. Es ist aber auch wichtig, damit wir das Auto besser abstimmen und perfekt weiterentwickeln können. Nicht nur an der Strecke, sondern auch in Zusammenarbeit mit den Firmensitzen in München und in Hinwil. Das passiert quasi live. Wir schicken die Informationen von den Rennen und von den Tests dorthin, damit möglichst schnell analysiert wird."
Gefühl und Daten in Einklang bringen
Frage: "Wie funktioniert der Datenaustausch bei einem Formel-1-Rennen?"
Heidfeld: "Wenn man sich in einer Formel-1-Box umschaut und mal hinter die Dinge schaut, die man im Fernsehen immer sehen kann, dann sind dort riesige Batterien von Computern und Bildschirmen aufgestellt. Beim Tests haben wird etwa zehn Monitore nebeneinander, beim Rennen sind es noch mehr. Vor jedem Rechner sitzt ein Ingenieur, der sich die Daten anschaut. Wir haben über 100 Sensoren, aber noch viel mehr Kanäle und Informationen, weil manche Dinge aus den Werten von mehreren Sensoren zusammen erst berechnet werden - so komplex ist dieses Thema."

© xpb.cc
Handbuch erforderlich: Ein Formel-1-Lenkrad ist heutzutage unübersichtlich Zoom
"Ich als Fahrer beschäftigte mich hauptsächlich nach dem Fahren, also am Abend, damit. Oder manchmal frage ich auch gezielt nach bei meinem Ingenieur. Im Qualifying sieht man, dass wir Fahrer einen Ausdruck gereicht bekommen. Dort stehen meist Vergleiche drauf, oft der Vergleich zum Teamkollegen, wie der die Runde gefahren ist. Manchmal nimmt man auch den Vergleich zu der Runde, die man vorher gefahren ist. Da sieht man Geschwindigkeit, Gaspedalstellung, Lenkung, Bremse und kann dann ganz gut abschätzen, wo man noch ein bisschen herausholen kann."
Frage: "Wie viel Gefühl steckt denn noch in so einem Rennen und wie viel spielen trockene Daten eine Rolle?"
Heidfeld: "Es ist beides zu 100 Prozent. Man muss wissen und verstehen, dass die Daten, die man bekommt, richtig sind. Schwierig und entscheidend ist es, beides zu vermischen. Genauso wie das, was man von den Sensoren bekommt und auf den Bildschirmen sieht, richtig ist, ist auch das, was ich als Fahrer spüre, richtig."
"Es gibt schon ab und zu mal Situationen, dass man das Gefühl hat, dass meine Aussage nicht zu dem passt, was man am Bildschrim sieht. Dann muss man einfach tiefer in die Daten schauen um zu verstehen, wie das alles zusammenhängt. Das ist ein sehr wichtiger Prozess, gerade am Anfang mit einem neuen Auto, oder wenn man mit einem neuen Ingenieur zusammenarbeitet. Das muss Hand in Hand gehen und man muss schnell auf den Kern der Sache kommen."
Frage: "Die ganze Technik in solch einem Auto und bei dem was darum herum statt findet, ist das noch richtig 'Rennen fahren'?"
Heidfeld: "Das ist natürlich komplett Rennen fahren. Das ist eben ein Teil, der dazugehört und der immer wichtiger geworden ist. Im Kartsport gab es so etwas nicht und sogar später in der Formel 3000 hatte ich gerade einmal zwei Knöpfe am Lenkrad: einen für Boxenfunk, einen für meine Getränkepumpe. Mittlerweile haben wir unglaublich viele Funktionen. Wir bekommen jeweils am Anfang des Jahres eine kleine Broschüre, in welcher die Funktionen des Lenkrads erklärt werden. Das hält einfach überall Einzug, auch in der Formel 1. Das ist eben ein Bestandteil dessen."
Heidfeld erwartet eine spannende Saison
Frage: "Stimmt das, dass du deine Eltern regelrecht anbetteln musstest, damit sie dich auf das Kart gelassen haben?"
Heidfeld: "Nein, ich musste sie nicht richtig anbetteln. Es war aber so, dass ich in der Woche in der Schule morgens immer sehr müde war. Am Wochenende ging es aber zum Kartfahren und da habe ich gemeinsam mit meinem Bruder immer schon um sechs Uhr morgens vor dem Schlafzimmer der Eltern gestanden und habe geklopft, damit wir endlich rauskönnen. Die haben das bestimmt sehr gern gemacht, sie haben uns gefördert und es war deren Hobby. Es ist heute - wie auch damals - das, was ich am liebsten mache."
Frage: "Es geht auf der CeBIT ja auch um Handys - bist du ein Fan von Smartphones?"
Heidfeld: "Ich mag diese Gadgets sehr gern und versuche auch immer, halbwegs auf dem neuesten Stand zu sein. Speziell bei meiner ganzen Reiserei ist das schon sinnvoll, permanent E-Mails abrufen zu können oder auch mal im Internet zu schauen - und natürlich zu telefonieren."
Frage: "Wie geht es jetzt weiter in der Formel 1 - die nächsten Stationen?"
Heidfeld: "Ich fahre jetzt kurz nach Hause und dann geht es morgen Abend schon wieder nach Barcelona zum letzten Test. Danach ist dann Melbourne das Ziel, wo es endlich losgeht."
Frage: "Welches sind die Formel-1-Ziele für die Saison? Was glaubst du erreichen zu können?"
Heidfeld: "Das ist immer die große Frage vor einer Saison. Man setzt sich Ziele. Unsere Ziele haben wir in den vergangenen Jahren immer erreicht, auch wenn sie manchmal sehr hoch gesteckt waren. Unser Ziel in diesem Jahr ist es, um den WM-Titel mitkämpfen zu können. Es wäre Hellseherei, wenn ich jetzt sagen würde, das funktioniert oder nicht. Bis jetzt haben wir uns gut vorbereitet und bei den Tests ist es gut gelaufen."
"Aber es ist immer schwierig, sich bei Tests mit anderen zu vergleichen. Wir wissen nicht, was die gerade auf der Strecke machen, ob die vielleicht viel Sprit im Tank haben. Ich denke, es wird eine spannende Saison. Was mich überrascht hat ist, dass trotz der tiefgreifenden Regeländerungen die Rundenzeiten aller Teams so dicht beieinander sind. Spannender als im vergangenen Jahr kann es wahrscheinlich nicht mehr werden, denn das war eine WM-Entscheidung auf den letzten 500 Metern. Aber wir hoffen, dass durch die Regeländerungen engere Rennen stattfinden und es mehr Überholmanöver geben wird."

