• 26.09.2009 21:08

  • von Dieter Rencken

Heidfeld: "KERS sollte kein großer Vorteil sein"

BMW Sauber F1 Team Pilot Nick Heidfeld im Interview über die Qualifikation von Singapur, die Reifenfrage und seine Aussichten für die Saison 2010

(Motorsport-Total.com) - Mit einer großen Portion Motivation und einem umfangreichen Updatepaket reiste das BMW Sauber F1 Team nach Singapur - und wurde in der Qualifikation auf dem Marina Bay Circuit prompt nicht enttäuscht: Beide Rennwagen der Mannschaft aus München und Hinwil landeten in den Top 10 und haben im Nachtrennen gute Chancen auf Punkte. Im Interview erklärt BMW Sauber F1 Team Fahrer Nick Heidfeld, warum er trotzdem nicht ganz zufrieden ist und wie sein Rennausblick lautet.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Nick Heidfeld rechnet am Sonntag maximal mit einem fünten Platz

Frage: "Nick, wie zufrieden bist du mit deiner Qualifikationsleistung?"
Nick Heidfeld: "Ich hätte mir etwas mehr erhofft als Platz acht - was letztendlich Rang sieben sein wird, wenn man Barrichello zurückversetzt. Meine Runde war leider nicht meine beste bis dato - und zudem habe ich sie auf der harten Mischung gefahren, welche die langsamere der beiden Pneuvarianten war. Wenn man bedenkt, auf welchen Positionen ich an diesem Wochenende zumeist herumgefahren bin, dann haben wir wohl ein paar Plätze verschenkt. Das ist einfach Pech. Man weiß aber natürlich auch nie, wie viel Sprit die anderen an Bord haben."#w1#

Frage: "In der ersten Teilesession habt ihr wieder lange an der Box gewartet..."
Heidfeld: "Ich war zuerst auf dem harten Reifen unterwegs und bei 20 Autos hast du einfach viel Verkehr. Das war bei mir der Fall und aus diesem Grund kam eben keine Rundenzeit zustande. Danach hat es dann aber geklappt. Natürlich ist es schon ein Nervenkitzel, wenn man nicht drin ist, nur noch einen Versuch hat und dann auf die Strecke geht. Aber selbst wenn ich zwei Minuten vorher hinausgefahren wäre, hätte sich meine Situation auch nicht verändert."

Frage: "Was ist von deiner Position aus drin für dich?"
Heidfeld: "Das kommt ganz darauf an, wie die Spritmengen aussehen. Ich denke, wir sind relativ aggressiv. Ich vermute, dass Alonso und Timo in etwa in meinem Bereich liegen werden - die Top 4 sind ohnehin schneller. Barrichello startet sowieso hinter mir."

"Wenn alles gut läuft, dann ist Rang fünf wohl das Maximum." Nick Heidfeld

"Wenn alles gut läuft, der Start gut klappt und ich etwas mehr Sprit an Bord habe, dann ist Rang fünf wohl das Maximum. Auf der anderen Seite haben wir natürlich auch ein paar schnelle Autos hinter uns, die eine größere Benzinlast tragen - und KERS dabei haben. Daher ist es schwierig vorherzusagen, was da alles passieren wird."

Frage: "Du gehst also davon aus, dass auch der Williams außer Reichweite liegt?"
Heidfeld: "Ja. Wenn ich mich recht erinnere, war Nico im zweiten Abschnitt der Qualifikation mit Abstand der Schnellste. Es kam etwas überraschend, dass sie auf einmal eine solche Runde hingeknallt haben. Nun startet er von Rang drei. Williams ist überraschend schnell. Dass sie hier so stark sind, hätte ich nicht erwartet."

Frage: "Das Kräfteverhältnis hat sich wieder einmal gewaltig verschoben, wenn man nur an Ferrari und Force India denkt..."
Heidfeld: "Wobei man bei Ferrari festhalten muss, dass sie keine Updates dabei haben. Force India ist dagegen mit einem großen Paket angereist und da war man auch zuversichtlich. Sie dachten zumindest, dass sie es in das Top-10-Finale schaffen würden. Jetzt sind sie nicht einmal bis in die zweite Teilsession vorgedrungen. Wir haben in diesem Jahr einfach eine außergewöhnliche Saison."

Keine klare Antwort auf die Reifenfrage

Frage: "Wie lange hält die weiche Reifenmischung?"
Heidfeld: "Das war von Team zu Team sehr unterschiedlich. Grundsätzlich baut dieser Reifentyp schon nach einer Runde ab, weswegen wir die weiche Mischung auch jeweils nur für einen Umlauf aufgezogen hatten. Am Freitag war die Option-Variante bei mir im Longrun recht konstant, bei anderen Autos hat der Reifen hingegen stark abgebaut."

"Der harte Reifentyp sollte im Rennen die bessere Lösung darstellen. Wir haben auf dem Reifensektor eben keinen Wettbewerb. Die Pneus könnten zehnmal besser, weicher und haltbarer sein. In meinen Augen ist die Vorschrift, dass beide Gummitypen verwendet werden müssen, ohnehin nur ein künstlicher Eingriff, um etwas zu konstruieren, was kein Sport ist. Das nervt mich."

"Die Reifen zu verstehen ist wirklich sehr schwierig." Nick Heidfeld

Frage: "Die Tatsache, dass es keine Reifentests gibt, macht die Sache wohl nicht besser..."
Heidfeld: "Es gibt keine Reifentestfahrten, weil wir mit den vorhandenen Reifen die gesamte Saison bestreiten. Das würde also nicht helfen. Verblüffend ist nur, dass wir diese Reifen ja nun schon so lange fahren - und dennoch passieren immer wieder Dinge, die man nicht erwartet hätte. Ich denke, das betrifft nicht nur mich und mein Team, sondern das gesamte Fahrerlager. Die Reifen zu verstehen ist wirklich sehr schwierig."

Frage: "Du machst dir diesbezüglich also keine Sorgen? Andere Piloten meinen, der Reifen würde nur fünf Runden mitmachen..."
Heidfeld: "Nein. Ich bin am Freitag zehn Runden damit unterwegs gewesen und das war okay."

Frage: "Ist die Situation bei den Bodenwellen besser als im vergangenen Jahr?"
Heidfeld: "Besser als 2008, aber noch immer schlecht."

Regen ist eine mögliche Gefahr

Frage: "Lewis Hamilton spricht von einer gefährlichen Strecke. Teilst du diesen Eindruck?"
Heidfeld: "Ein Stadtkurs ist immer etwas gefährlicher als andere Rennstrecken. Für mich ist das akzeptabel. Singapur ist nicht so gefährlich wie Monaco. Wir fahren an vielen Stellen nicht gar so nahe an der Mauer vorbei. Bei großen Geschwindigkeiten und harten Bremsmanövern gibt es große Auslaufzonen - bis auf Kurve zehn. Dort ist es nicht so gut gelöst, ansonsten kann man immer geradeaus fahren. Das ist schon in Ordnung."

Frage: "Auch im Regen? Das Wetter könnte umschlagen..."
Heidfeld: "Darüber wundere ich mich. Wir hatten im vergangenen Jahr und auch in diesem Jahr sehr viel Glück. Bevor wir hier angekommen sind, hat es wohl oft geregnet und es waren auch einige Niederschläge angesagt. Was in einem solchen Fall passiert, weiß ich nicht. Die große Frage ist das Licht. Wenn ich mich recht erinnere, ist die MotoGP in Doha aus Sichtgründen nicht gefahren. Wir haben keine Erfahrungswerte."

"Neben der Linie ist es aber noch immer sehr schmutzig." Nick Heidfeld

Frage: "Hat sich die Strecke in den vergangenen beiden Tagen stark verbessert?"
Heidfeld: "Ja, sehr sogar. Neben der Linie ist es aber noch immer sehr schmutzig. Das wird das Überholen noch zusätzlich erschweren."


Fotos: BMW Sauber F1 Team, Großer Preis von Singapur


Frage: "Erwartest du diesbezüglich Probleme in der ersten Kurve, weil die Piloten unterschiedliche Linien nehmen müssen? Wie ist es mit den KERS-Autos?"
Heidfeld: "KERS sollte hier kein großer Vorteil sein - zumindest nicht im Hinblick auf Kurve eins, denn dafür ist die Distanz zu kurz. Vielleicht haben die KERS-Autos nach Kurve fünf eine Chance, wenn wir bis Kurve sieben beschleunigen. Ich denke, die erste Kurve wird auch nicht schwieriger sein als auf anderen Rennstrecken. Es gibt nur eben einen Unterschied zwischen den Linien."

Heidfeld: Hoffnung auf Suzuka

Frage: "In Monza hieß es, dass der Mercedes-Motor wesentlich stärker sei als der Rest. Danach kommt Ferrari - und wo würdest du das BMW Aggregat einordnen?"
Heidfeld: "Wie du schon sagtest: Davon war die Rede. Genau wissen kann das keiner, aber es gibt Tendenzen. Die Prüfstandergebnisse jedes Motors kennt niemand. Dass der Mercedes-Motor stark ist, scheint offensichtlich zu sein, wenn sie in Monza alle vorne mit dabei sind."

"Dort waren aber auch wir weit vorne, genau wie schon in Spa. Wir haben bei BMW also wie immer einen starken Motor. Wir könnten im Bereich des Spritverbrauchs aber wohl noch ein bisschen besser dastehen. Da ist - so glaube ich - Renault führend. Mercedes ist in dieser Hinsicht wohl auch nicht schlecht. Ich denke, wir haben da ein gutes Paket."

"Wir sind sehr viel am Springen und der Wagen ist sehr schwierig zu fahren." Nick Heidfeld

Frage: "Mario Theissen meinte, dass sich das neue Entwicklungspaket auf Strecken wie Suzuka noch besser auswirken wird. Siehst du das ähnlich?"
Heidfeld: "Diese Hoffnung habe ich auch. Unser Auto ist mechanisch wohl nicht ganz gut. Das dürfte man auch im Fernsehen erkennen - aber das trifft auch auf andere Fahrzeuge zu. Wir sind sehr viel am Springen und der Wagen ist sehr schwierig zu fahren. Von einer normalen Strecke mit schnellen Kurven, wo der Abtrieb etwas mehr zum Tragen kommt, erhoffe ich mir etwas mehr."

Frage: "Wenn man deine Karriere unter die Lupe nimmt, dann warst du vor allem auf Stadtkursen immer sehr gut dabei. Wie kommt das? Liegen diese Strecken deinem Stil?"
Heidfeld: "Das scheint so. Diese Rennstrecken machen mir einfach enorm viel Spaß - Singapur sogar noch viel mehr als Monaco. Der Kurs gefällt mir einfach besser. Der Marina Bay Circuit ist etwas schneller, ein bisschen länger und nicht ganz so eng wie in Monaco. Es erinnert etwas an Macao. Ich halte Macao gemeinsam mit der Nordschleife für die beste Strecke der Welt."

Frage: "Und was ist mit Suzuka?"
Heidfeld: "Suzuka ist die beste Formel-1-Strecke."

Noch keine Bestätigung für 2010

Frage: "Wie ist es um deine persönliche Zukunft im Hinblick auf 2010 bestellt?"
Heidfeld: "Ich stehe nach wie vor in Gesprächen und bin noch immer zuversichtlich. Es sieht wohl sehr gut aus, aber spruchreif ist noch nichts."

"Das kann ganz schnell gehen oder sich noch etwas ziehen." Nick Heidfeld

Frage: "Bis wann erwartest du diesbezüglich eine Entscheidung?"
Heidfeld: "Das kann ich nur schwer einschätzen. Das kann ganz schnell gehen oder sich noch etwas ziehen."

Frage: "Wäre es möglich, dass diese Themen allesamt erst nach Saisonende auf den Tisch kommen?"
Heidfeld: "Kann sein, glaube ich aber nicht. Auf der anderen Seite ist das Saisonende ja schon in einem knappen Monat. Das ist nicht mehr lange hin."

Frage: "War es für dich eine lange Saison? Es waren nur 17 Rennen, doch du hattest ein schwieriges Auto..."
Heidfeld: "Gerade deswegen war es keine derart lange Saison. Das Auto wird schließlich immer besser. Da würde man sich eigentlich wünschen, dass die Saison noch viel länger dauert. Am Anfang war es nicht besonders gut um uns bestellt und jetzt kommen wir langsam dahin. Außerdem war der Stressfaktor viel geringer, weil es die ganze Testerei nicht gab. Sollten es im kommenden Jahr 19 Rennen sein, dann hätte ich nichts dagegen."

Frage: "Vor dir liegen die vier letzten Rennen von BMW in der Formel 1..."
Heidfeld: "Das hört sich sehr seltsam an. So ist die Lage nun einmal, aber so denke ich nicht. Ich warte einfach darauf, bis mich dieses Gefühl nach dem letzten Rennen einnimmt."

Nachfolgeteam muss sich erst noch finden

Frage: "Wie werden sich diese noch ausstehenden Rennen entwickeln?"
Heidfeld: "Ich hoffe darauf, mich in den letzten Rennen des Jahres in einer noch besseren Position zu befinden. Ich gehe davon aus, dass unser Aerodynamikpaket auf normalen Kursen weitaus besser funktionieren wird als in Singapur, wo es sehr holprig ist."

"Ich sehe nicht, dass die anderen Teams noch größere Updates bringen werden. Bei uns ist das ähnlich. Vielleicht bekommen wir noch ein paar Kleinigkeiten. Ich hoffe jedenfalls darauf, in Suzuka besser auszusehen als hier."

"Die Sorgen um den Verkauf waren weitaus größer." Nick Heidfeld

Frage: "Macht es dir zu schaffen, dass das Team im kommenden Jahr möglicherweise nicht antreten kann?"
Heidfeld: "Ich denke, der wichtigste Schritt in dieser Richtung wurde bereits unternommen. Die Sorgen um den Verkauf waren weitaus größer. Qadbak scheint sehr viel Geld zu haben. Natürlich ist noch keine Entscheidung gefallen, doch ich habe ein gutes Gefühl, dass das Team 2010 in der Startaufstellung stehen wird."

Frage: "Wie groß sind die Chancen, dass du im kommenden Jahr für dieses Team ins Lenkrad greifst?"
Heidfeld: "Solche Chancen gibt es. Die Übernahme ist aber noch so neu, dass sehr viele Dinge erst noch entschieden werden müssen. Ich möchte zunächst einmal mehr über das Team erfahren und es wäre auch schön, etwas mehr über Qadbak zu wissen."

"Im Grunde genommen geht es aber darum, wie das Team 2010 aufgestellt sein wird, welche Sponsoren dabei sind, welche Zielsetzungen es gibt. Werden die Schlüsselfiguren dieselben sein wie in diesem Jahr oder kommen neue Leute an Bord? Ich muss also erst einmal warten, bis diese Entscheidungen gefallen sind."