Heidfeld: "In Monaco ist alles drin"
Nick Heidfeld im Interview über die Faszination Monaco und warum er dort gute Chancen hat, über die Panne von Barcelona, Felipe Massa und vieles mehr
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Nick, wie sehr nagt der Ausfall von Barcelona noch an dir oder ist der bereits abgehakt?"
Nick Heidfeld: "Den habe ich mittlerweile abgehakt. Es hat ein paar Tage gedauert, aber mittlerweile ist das vergessen."

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Nick Heidfeld heute bei seiner Ankunft im Fahrerlager von Monaco
Frage: "Was war denn das Problem mit der Radmutter beim Boxenstopp? War es ein rein menschliches Problem?"
Heidfeld: "Wir haben schon technisch was verändert im Nachhinein. Die Mutter ist verändert, um das Ganze noch ein bisschen zu optimieren. Das sollte helfen. Dann haben wir uns natürlich die Situation noch einmal angeschaut. Das wird mit Sicherheit nicht noch einmal passieren. Es ist leider passiert, es kann passieren. Ich habe schon vor zwei Wochen gesagt, dass es nicht passieren sollte - und wahrscheinlich wird es in den nächsten Jahren eh nicht mehr passieren, aber für den Fall, dass es noch mal vorkommt, sind wir glaube ich gewappnet."#w1#
Boxenstopps wurden nach Barcelona geübt
Frage: "Habt ihr das noch mal extra geübt?"
Heidfeld: "Es wurden Boxenstopps geübt - und ich denke, dass das Problem jetzt integriert wird in die Boxenstoppübungen. Es gibt schon verschiedene Dinge, die in einen Boxenstopp eingebaut werden, schon vorher, falls irgendwelche Probleme auftreten, und das ist jetzt wieder so eine Sache."
Frage: "Gibt es ein neues Kommando?"
Heidfeld: "Nein, ein neues Kommando haben wir nicht, aber es gibt schon andere Vorgangsweisen, um das zu optimieren."
Frage: "Ist es noch etwas Besonderes, nach Monaco zu kommen?"
Heidfeld: "Ja, das ist immer wieder etwas Besonderes. Normalerweise nehme ich mir immer wieder vor, freudig erregt ins Hotel zu gehen, aber dann gibt es immer wieder das gleiche Chaos bei der Anreise und im Hotel. Danach ist es aber immer fantastisch. Die Rennstrecke ist natürlich außergewöhnlich, ganz anders als jede andere Strecke. Darauf freue ich mich. Es ist unglaublich, mit einem Formel 1 mit mehr als 700 PS - vor ein paar Jahren noch mit über 300 km/h - aus dem Tunnel herauszukommen und den Wagen durch die engen Gassen zu zirkulieren. Das ist etwas anderes als auf den anderen Strecken."
Frage: "Bereitet man sich auf Monaco anders vor als auf andere Grands Prix?"
Heidfeld: "Es gab eine Testvorbereitung wie für die anderen Strecken auch, aber man braucht hier eine spezielle Abstimmung. Als Fahrer aber nicht."
Frage: "Im Vorjahr hattest du nach Elektronikproblemen eine Aufholjagd. Ist dieses Jahr mehr drin?"
Heidfeld: "In Monaco ist grundsätzlich immer alles drin. Ich habe einmal schon den zweiten Platz herausfahren können, damals noch bei Williams. Aus eigener Kraft wird es hier nicht viel anders sein als bei den ersten vier Rennen, aber wenn das Wetter ein bisschen chaotisch ist, wie die Vorhersagen sind, dann kann hier alles passieren."
Frage: "Am Samstag soll es kühler werden, vielleicht sogar regnen. Das käme auch auf jeden Fall entgegen, oder?"
Heidfeld: "Das kann man nun wieder nicht sagen. Man hat in den letzten Jahren gesehen, dass hier bei chaotischen Bedingungen alles passieren kann, dass langsame Teams und auch schwächere Fahrer gewinnen können. Das ist unvorhersehbar."
Heidfeld sieht Ferrari in der Favoritenrolle
Frage: "Wer ist dein Favorit?"
Heidfeld: "Für mich ist definitiv Ferrari vorne, knapp gefolgt von McLaren. Da sehe ich auch hier keine großen Unterschiede."
Frage: "Michael Schumacher hatte hier im Vorjahr eine tolle Aufholjagd, auch du. Gibt es also doch Überholmöglichkeiten hier?"
Heidfeld: "Nein. Überholmöglichkeiten sind nach wie vor keine drin. Wenn ich mich recht erinnere, konnte Michael mit dem Ferrari gleich am Anfang ein paar Positionen gutmachen, gegen die absoluten Hinterbänkler, die sich da nicht großartig wehren. Und dann braucht man eben die richtige Strategie - am meisten Plätze macht man bei den Boxenstopps gut. Es gibt schon eine Überholmöglichkeit, aber es ist unglaublich schwierig im Vergleich zu anderen Strecken. Diese Möglichkeit ist ausgangs des Tunnels."
Frage: "Wie wird das Qualifying hier?"
Heidfeld: "Das Qualifying ist noch wichtiger als auf anderen Strecken, beziehungsweise der Start - auch wenn es nicht so weit ist bis zur ersten Kurve. Aber wir haben hier auch schon oft Crashs und spezielle Aktionen gesehen, weil jeder weiß: Nach dem Start kann man nicht mehr überholen - es sei denn, der andere hat ein Problem oder man hat wirklich ein viel, viel schnelleres Auto. Und natürlich nach wie vor bei den Boxenstopps."
Frage: "Ist es noch so wie früher, dass in Monaco der Fahreranteil höher ist als auf anderen Strecken?"
Heidfeld: "Ganz klar ist der Fahreranteil hier höher, aber das Wichtigste ist nach wie vor und immer das Auto."
Frage: "Kann man das in Prozenten festmachen? Wenn es woanders 20 sind, dann hier 40?"
Heidfeld: "Nein, das kann ich so nicht sagen. Am einfachsten ist es einfach, sich die Resultate der letzten Jahre anzuschauen. Wenn die schnellsten Autos ins Ziel gekommen sind, waren die auch vorne."
Frage: "Wie gerne fährst du hier in Monaco?"
Heidfeld: "Sehr gerne. Suzuka, mein Lieblings-Grand-Prix, ist leider weg, aber das kann man nicht mehr ändern."
Lieber Monaco als Spa-Francorchamps
Frage: "Lieber Monaco als Spa-Francorchamps?"
Heidfeld: "Ja."

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Nick Heidfeld in einer der üblichen Interviewrunden am Donnerstag Zoom
Frage: "Warum?"
Heidfeld: "Spa ist nicht so mein Ding. Es ist eine unheimlich schöne Strecke, die fantastisch liegt. Eau Rouge ist auch außergewöhnlich, aber ansonsten ist es nicht so mein Ding."
Frage: "Die langsamen Ecken von Monaco sind für dich also eine größere Herausforderung als der Hochgeschwindigkeitskurs von Spa-Francorchamps?"
Heidfeld: "Ja. Ich kann das nicht so sagen, dass es von den schnellen und langsamen Kurven abhängt, denn in Suzuka gibt es auch schnelle Ecken. Das ist einfach ein Bauchgefühl: Ich fahre auf der Strecke und finde sie dann entweder geil oder sie gefällt mir nicht. Spa finde ich nicht schlecht, aber es gehört nicht zu meinen Topfavoriten."
Frage: "Findest du die Strecke in Monaco so besonders oder das ganze Drumherum?"
Heidfeld: "Nur die Strecke. Ich finde den Grand Prix wegen dem Drumherum natürlich auch speziell, aber mir gefällt das in erster Linie wegen der außergewöhnlichen Strecke."
Frage: "Kriegst du den ganzen Trubel überhaupt mit?"
Heidfeld: "Dem kann man sich ja hier nicht entziehen, es ist alles so klein und eng beieinander. Das kriegt man auf jeden Fall mit. Wenn ich mich hier umschaue, liegt die Stadt vor unseren Füßen, weil alles so nah beieinander ist. Da bekommt man die Atmosphäre gut mit. Auch die Zuschauer sind natürlich so nah dran wie sonst nirgends."
Frage: "Warum möchtest du hier nicht leben?"
Heidfeld: "Ich habe hier eine Zeit lang gewohnt. Wie es jetzt hier ist, ist es natürlich so, dass die Stadt aus allen Nähten platzt. Es kann aber genauso sein, dass mal sehr wenig los ist, wenn keine Veranstaltungen sind oder im Winter. Das hat mir einfach nicht so gefallen. Das war einer von mehreren Gründen. Ich habe mich einfach nicht so wohl gefühlt wie jetzt in Zürich."
Frage: "Und du hattest wahrscheinlich weniger Platz, oder?"
Heidfeld: "Ausbreiten kann man sich nicht. Es ist so ein Gefühl - es gibt unheimlich viele Hochhäuser. Es ist zwar außerhalb landschaftlich sehr schön, aber in der Stadt bist du halt so ein bisschen im Betondschungel."
Trubel extrem, aber nicht unerträglich
Frage: "Kannst du abends noch weggehen, an diesem Wochenende mal Essen gehen zum Beispiel?"
Heidfeld: "Ja, klar. Wenn du normal in ein Restaurant gehst, ist das kein Problem. Wenn ich an den bekannten Punkten wo rumspazieren würde, wäre das aber nicht so sinnvoll."
Frage: "Hast du hier mehr Termine als an anderen Rennwochenenden?"
Heidfeld: "Mehr Termine nicht - es sind viele, auf jeden Fall -, aber es ist hier oft ein bisschen komplizierter. Im letzten Jahr musste ich zum Beispiel für BMW die Kunden, das Catering und die Leute besuchen. Das ist dann nicht hier, sondern man muss erstmal durch die Stadt wandern. Das ist eher das Anstrengende."
Frage: "Magst du eigentlich den trainingsfreien Freitag vom Konzept her?"
Heidfeld: "Vom Konzept her nicht, aber als Ausnahme für Monaco finde ich es okay und gut. Das gehört einfach zu Monaco dazu wie der ganze Rest auch."
Frage: "Was wirst du am Freitag machen?"
Heidfeld: "Ich habe zwei, drei kurze Termine, die aber alle zum Glück sehr kompakt sind und auf einen bestimmten Zeitpunkt verteilt. Dann muss ich schauen - ein bisschen relaxen, ein bisschen Sport, vielleicht in die Stadt zum Shopping. Das ging in den ganzen Jahren auch noch."
Frage: "In den kommenden Jahren soll es mehr Stadtrennen wie dieses geben. Kommt dir das entgegen, macht das mehr Spaß?"
Heidfeld: "Da muss man die Strecken erst einmal wirklich sehen. Den meisten Fahrern machen Stadtkurse schon Spaß, aber andererseits spielt die Sicherheit natürlich eine Rolle - und wenn man sich die Grands Prix anschaut, die in den letzten Jahren dazugekommen sind, dann waren das in den meisten Fällen ganz moderne Strecken mit extrem großen Auslaufzonen, wo einfach die Sicherheit der Fahrer und Zuschauer auf der Liste ganz weit oben stand. Wenn man jetzt hört, dass wir auf Stadtkurse gehen, dann hoffe ich, dass da die Sicherheit nach wie vor ganz oben steht."
Frage: "Wie hoch ist die Sicherheit in Monaco aus deiner Sicht?"
Heidfeld: "Die ist nicht so hoch wie auf anderen Strecken, aber man muss sehen, dass hier in den letzten Jahren recht viel geändert wurde, um aus den Möglichkeiten das Maximum herauszuholen."
Gute Beziehung zu Felipe Massa
Frage: "Du warst bei Sauber Teamkollege von Felipe Massa. Was hast du ihm damals zugetraut, was für ein Kerl war er menschlich?"
Heidfeld: "Menschlich ist er wirklich ein Supertyp, mit dem ich mich sehr gut verstehe. Von seinem Fahrstil her habe ich von Anfang an gesehen, dass er eine große Portion Fahrzeugbeherrschung hat, viel Talent auf jeden Fall. Ich habe aber dann gehofft, dass er schnell aus seinen Fehlern lernt und nicht zu viel Schrott baut, um es mal übertrieben auszudrücken. Das hat er speziell dieses Jahr sehr gut umgesetzt, wie viel er da in den letzten Jahren gelernt hat."
Frage: "Überrascht dich das?"
Heidfeld: "Jein. Ich habe es gehofft, aber ehrlich gesagt: Nach dem letzten Jahr bei Ferrari, als er am Anfang gegen Michael einige Fehler gemacht hat, habe ich mich ein bisschen geärgert, denn da sah es so aus, als würde er wieder vergangene Fehler machen. Aber im Moment scheint er sehr stark zu sein."
Frage: "Glaubst du, dass er für den WM-Titel reif ist?"
Heidfeld: "Ich würde ihn im Moment ganz oben auf meine Liste setzen."
Frage: "Warum ihn und nicht McLaren-Mercedes?"
Heidfeld: "Weil der Ferrari im Moment in meinen Augen schneller ist und Felipe ganz klar besser mit dem Auto zurechtkommt als Kimi (Räikkönen; Anm. d. Red.)."
Frage: "Bei Ralf Schumacher läuft es derzeit nicht so gut. Was sagst du zu seiner Situation?"
Heidfeld: "Im Moment läuft es offensichtlich nicht so gut, aber er hat in den vergangenen Jahren schon oft gezeigt, wozu er in der Lage ist, und ich wünsche ihm, dass es da bald aufwärts geht."

