• 16.01.2007 13:09

Heidfeld: Der Teufel trägt Prada

BMW Sauber F1 Pilot Nick Heidfeld liebt es modisch, lässt es auch gerne mal krachen - und hat auf der Rennstrecke Siege im Visier

(Motorsport-Total.com) - Wenn Nick Heidfeld es richtig krachen lässt, reiben sich die Leute die Augen. Rund 20 Sekunden lang ist die im Internet abrufbare Sequenz, Ausschnitt aus einer Fernsehübertragung, die ihn beim Abhotten zeigt. Der Tanzteufel hat sich nicht um die laufende Kamera geschert. Er tanzt sein Ding. Er lebt sein Ding.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Nick Heidfeld: Modefan, Familienvater und sehr schneller Racer

Konventionen sind seine Sache nicht. Er steht auf schräge Outfits. Er trägt sie bloß nicht im Fahrerlager. Dort ist das einzige verräterische Accessoir, das nicht zur schlichten weiß-blauen Teamuniform gehört, meist eine riesige Prada-Sonnenbrille. Die muss runter, wenn Fernsehinterviews gegeben werden, und das ist okay für den Mönchengladbacher.#w1#

Heidfeld kann Gänseleber nicht widerstehen

Er ist kein Selbstdarsteller. Ja, er lebt mit seiner langjährigen Freundin Patricia in wilder Ehe. Ja, das gemeinsame Töchterchen Juni hat einen ungewöhnlichen Namen. Ja, er genießt die Formel-1-Reisen und nutzt sie zum Einkauf von eigenwilliger Kunst und stöbert die besten Restaurants auf. Ja, er isst auch am Abend vor einem Rennen Gänseleber, weil er ihr nicht widerstehen mag und macht Sonntag nach getaner Arbeit mit seinem Chef und Kollegen auf einer Party richtig einen drauf. Das ist alles seins.

Für das BMW Sauber F1 Team aber ist er Vollprofi. Er ist topfit, er ist verlässlich. Er setzt seinen Willen durch. Er übt unbequeme Kritik, bis er zufrieden ist. Er brütet bis in die Puppen mit den Ingenieuren, er lässt nichts unversucht.

Von der Pike auf gelernt.

Am 10. Mai 2007 wird der Rennfahrer mit der Jockey-Figur 30 Jahre alt. Er war noch nicht einmal fünf, als er mit seinen Brüdern Sven und Tim um die Wette Motocross fuhr. Die Eltern, Angelika und Wolfgang, lebten mit ihren Söhnen ein schnelles und spaßiges Leben. "Ich hatte eine wunderbare Kindheit", sagt "Quick-Nick", der auch heute noch gern seine Eltern und Geschwister mit zur Rennstrecke nimmt. Auch die Großmutter ist schon mal dabei. Nick ist der Kleinste in der Familie Heidfeld - 1,65 Meter. "Wenn ich mich selbst gebaut hätte, hätte ich mich ein bisschen größer gemacht", gibt er zu, "aber im Rennsport war es immer von Vorteil, klein zu sein." Fast immer.

"Ich hatte eine wunderbare Kindheit." Nick Heidfeld

Es war eine Durststrecke, bis er die vorgeschriebene Zentimeterzahl erreicht hatte, um Leihkarts fahren zu dürfen. "An den Bahnen gab es Stangen: Wer darunter durchlaufen konnte, durfte nicht fahren." Als es endlich so weit war, hängte er auf der Kartbahn des Nürburgrings gleich seinen Vater ab. Als Achtjähriger bekam er sein erstes eigenes Kart. Clubmeisterschaften in Kerpen-Manheim, Rennen auf nationaler Ebene, Teilnahmen an EM- und WM-Läufen folgten.

Schnelle Erfolge im Formelsport

Heidfelds Einstieg in den Formelsport war schnell von Erfolg gekrönt. Als 17-Jähriger gewann er die Deutsche Formel Ford 1600 Meisterschaft mit acht Siegen in neun Rennen. Ein Jahr später holte er den Titel in der Formel Ford 1800. 1996 war er als 19-Jähriger der Jüngste im Feld der Deutschen Formel 3.

Es wurde ein starker Einstieg: drei Siege und Rang drei im Gesamtklassement. Außerdem holte er sich die Poleposition und einen Laufsieg beim Formel-3-Weltfinale auf dem abenteuerlichen Stadtkurs von Macau sowie Platz drei beim europäischen Kräftemessen der Formel 3 in Zandvoort.

Druck gehört dazu

1997 machte Heidfeld die erste Bekanntschaft mit dem Druck der Öffentlichkeit. Die erste Formel-1-Testfahrt mit Mercedes weckte Medieninteresse, er wurde schon vor Saisonbeginn als kommender Formel-3-Meister gehandelt. Heidfeld wurde unbeirrt und mit fünf Siegen Meister.

Mit seinem Sieg beim Formel-3-Grand-Prix in Monaco setzte er noch einen drauf. 1998 und 1999 verfolgte er seinen Weg in der Internationalen Formel 3000 weiter. Drei Siege und Zweiter der Meisterschaft im ersten Jahr, im zweiten Jahr dominierte er und erreichte mit vier Siegen den Titel. Parallel testete er Formel 1.

Als im vergangenen Jahr, 2006, in Kubica und Vettel zwei Youngster im BMW Sauber F1 Team auftauchten und Heidfeld gebetsmühlenartig gefragt wurde, ob er sich jetzt unter Druck fühle, antwortete er erstaunt: "Wieso jetzt erst? Druck war immer da. Ich musste schließlich auch gegen Teamkollegen wie Kimi Räikkönen bestehen - und habe sie geschlagen."

"Druck war immer da." Nick Heidfeld

Enttäuschende Debütsaison bei Prost

Das war 2001. In seinem ersten Jahr bei Sauber. Seine Debütsaison 2000 war indes enttäuschend verlaufen. Er hatte einen Platz im ebenso neuen wie chancenlosen Team von Alain Prost gefunden. Die Mannschaft holte keinen einzigen WM-Punkt, die Ausfälle waren zahlreich.

Für Sauber erzielte er 2001 in Brasilien seinen ersten Podiumsplatz. Drei Jahre fuhr er für den damals rein schweizerischen Rennstall. "Eine schöne Zeit", sagt Heidfeld, "ich habe mich sehr wohl gefühlt."

In dieser Zeit tauschte er seine monegassische Wohnung gegen ein Haus in Stäfa in der Schweiz. "Erbaut Mitte des 19. Jahrhunderts und restauriert mit traditioneller Handwerkskunst", erzählt er. Sich deswegen ein Hirschgeweih über dem Kamin vorzustellen, wäre falsch. Gemälde von Patricia, andere Kunstobjekte und modernes Interieur bilden Konstraste.

Ein Fitnessstudio gibt es auch. Für Outdoor-Sportarten ist die Gegend ohnehin ideal. Ob Rad fahren oder Wassersport auf dem Zürichsee, Tennis oder Golf. Heidfeld liebt die Abwechslung, er hat sich keiner Einzelsportart verschrieben. Und wenn sich in Herbst und Winter der Nebel über den See senkt, dann ist er froh, dass er in nur 15 Fahrminuten die Lichter der Großstadt Zürich um sich haben kann.

2005: Endlich ein sicheres Cockpit

Immerhin konnte er seit 2005 Winter verbringen, vor deren Beginn er bereits wusste, wie es beruflich im Folgejahr weitergeht. Das war nicht immer so. Als Ende 2003 sein Vertrag bei Sauber nicht verlängert wurde, fand er erst spät noch einen Platz bei Jordan. Einen Winter später musste er sich seinen Platz im BMW WilliamsF1 Team in einem monatelangen Wett-Testen mit Antonio Pizzonia verdienen. Teamchef Frank Williams teilte Heidfeld seinen für ihn positiven Entscheid erst anlässlich der Präsentation im Januar mit.

"Am Projekt BMW Sauber F1 hänge ich mit Herzblut." Nick Heidfeld

"An diesem Projekt hänge ich mit Herzblut", sagt Heidfeld. "Wir haben 2006, in unserem ersten Jahr, von Rennen zu Rennen Fortschritte gemacht, obwohl parallel die Aufbauarbeit mit der Erweiterung des Teams lief. In dem Tempo müssen wir weiterarbeiten. Es gibt noch viel zu verbessern." Seine Ziele sind heute noch dieselben wie in der Formel Ford vor zehn Jahren: Er will Siege und den Titel. Nur die Sonnenbrille wird bald einem trendigeren Modell weichen.