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Head: "Tränen sind mir nicht gerade gekommen"
Williams-Teilhaber Patrick Head über Mitleid mit BMW, den Kampf gegen die großen Werke, die Neuerungen der Saison 2006 und vieles mehr
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Patrick, viele sehen euch jetzt wieder als unabhängiges Team, weshalb eure Leistung von Bahrain so hoch eingeschätzt wird. Wie siehst du das?"
Patrick Head: "Es war ermutigend, dass beide Autos in die Punkte gekommen sind und auch noch zuverlässig waren. Die Entwicklung unserer Kraftübertragung musste zu einem großen Teil an der Teststrecke vorangetrieben werden, weil wir nicht die entsprechenden Prüfstände haben. Also verbrachten wir im Winter viel Zeit in der Garage, was nicht gerade ideal war, aber ich war dennoch zufrieden. Ich glaube nicht, dass wir uns jemals allzu sehr über einen sechsten und einen siebenten Platz freuen werden, aber Nicos (Rosberg, Anm. d. Red.) Aufholjagd nach dem Fehler am Start war sehr zufrieden stellend und ermutigend."

© xpb.cc
Patrick Head traut seinem Williams-Team 2006 die Rückkehr an die Spitze zu
Frage: "Vergangenes Jahr habt ihr sehr wenig trainiert - um den Motor von BMW zu schonen, wie wir dachten. Jetzt macht ihr mit Cosworth genau dasselbe. Was für eine Logik steckt hinter diesem Vorgehen?"
Head: "Was den Motor angeht, haben wir im Winter zwar einige doppelte Renndistanzen zurückgelegt, aber ich bezweifle stark, dass irgendjemand genug getan hat, um sich hinsichtlich der Zuverlässigkeit hundertprozentig sicher sein zu können."#w1#
Kein Motor ist hundertprozentig zuverlässig
"Ich denke, dass Honda bei den Tests am besten in diese Richtung gearbeitet hat, wie die Testkilometerstatistik beweist, aber auch sie können sich nicht ganz sicher sein. Das Beste ist daher, die Laufleistung im Training zu reduzieren - speziell wenn man ein drittes Auto hat -, und stattdessen im Qualifying und im Rennen das Maximum aus dem Motor herauszuholen."
Frage: "Wie sehr leidet Nico Rosberg darunter, speziell auf den Strecken, die er nicht kennt?"
Head: "Er wollte heute Nachmittag eigentlich ein paar Runden mehr fahren, aber er wurde von einem geringfügigen Problem mit der Benzinpumpe aufgehalten. Das hätte nicht passieren dürfen, aber es ist nun mal passiert. Er scheint sich aber auf der Strecke schon recht wohl zu fühlen. Ich glaube nicht, dass er im Nachteil ist."
Frage: "Was sagst du zur Testbeschränkung, der nun offenbar alle Teams zugestimmt haben?"
Head: "Ich denke, dass es keine allzu große Einschränkung darstellt, aber zumindest haben wir wieder eine Vereinbarung, die für alle Teams gilt, also ist es eine gute Sache."
Frage: "Gefällt dir das neue Qualifying?"
Head: "Es ist sicherlich intensiv und aufregend, aber durch Kimis (Räikkönen; Anm. d. Red.) Unfall wurde es auch eine knifflige Angelegenheit, wodurch Ralf (Schumacher; Anm. d. Red.) gleich einmal ausschied. Man hat grundsätzlich nur eine Runde, aber wenn einem die durch ein langsameres Auto kaputt gemacht wird, dann steckt man knietief in Problemen. Die einzige Sache, die das Publikum nicht versteht, ist das Verbrennen von Benzin im dritten Teil, denn die Autos fahren nur langsam durch die Gegend, weil der Einfluss der Benzinlast so groß ist."
Head würde Rennbenzin im Qualifying einfach streichen
"Als dieses Format zum ersten Mal vorgeschlagen wurde, beinhaltete der Vorschlag noch die Rennbenzinmenge in allen drei Sessions, was damals wegen des Reifenreglements nicht so einfach gewesen wäre. Jetzt ist das anders, denn wir dürfen beim Boxenstopp wieder Reifen wechseln. Mir wäre es am liebsten, alle drei Sessions ohne Rennbenzin zu fahren. Ich finde, es gibt noch Spielraum, das Format zu verbessern, aber ich denke, die FIA will jetzt nichts ändern. Wenn sie etwas ändern, dann frühestens zu Saisonmitte - nach Diskussionen mit den Teams."
Frage: "Was ist dir durch den Kopf gegangen, als in Bahrain Jacques Villeneuves BMW Motor platzte?"
Head: "Eine geladene Frage! Das war wirklich interessant, denn ich wurde am Mittwoch gebeten, zu dieser Pressekonferenz zu kommen, und ich fragte unsere Pressedame, ob Mario (Theissen; Anm. d. Red.) auch hier sein würde. Da dachte ich mir schon, dass das eine prickelnde Konstellation ist. Man ist an einem Rennwochenende zu beschäftigt, um sich um solche Dinge zu kümmern, aber Tränen sind mir nicht gerade gekommen, um ganz ehrlich zu sein..."
Frage: "Was sagst du nach dem Rennen in Bahrain zum V10-Motor der Scuderia Toro Rosso? Findest du, dass schärfere Auflagen geltend gemacht werden sollten?"
Head: "Also anhand der Leistungskurven, die ich gesehen habe, ist der Motor auf jeden Fall schlechter als der V8 von Cosworth. Der Haken ist allerdings, dass der V10 durch die Begrenzung so unterbelastet ist, dass er das ganze Rennen hindurch am Maximum gefahren werden kann, Runde für Runde, genau wie im Training. Das bringt schon einen gewissen Vorteil."
"Das Problem wäre aber viel größer gewesen, wenn ein Werk auf die Idee gekommen wäre, einen V10 einzusetzen, weil Cosworth nie variable Ansaugtrompeten hatte und nie optimal für den unteren Drehzahlbereich gerüstet war. Wenn jedoch eines der Werke einen V10 eingesetzt und für die Regeln optimiert hätte, dann würden jetzt einige Leute gewaltig jammern. So sage ich, dass es ja nur der Cosworth-V10 ist und dass wir dadurch ein weiteres Team haben, das wir sonst nicht hätten, aber ich bin mir auch sicher, dass Colin Kolles von Midland da anderer Meinung ist. Ich habe kein Problem damit."
Drittes Auto ist für Williams ein großer Vorteil
Frage: "Die Freitagsautoregel wird derzeit in Frage gestellt. Wünschst du dir eine Neuregelung?"
Head: "Ich muss sagen, dass wir mit dem dritten Auto sehr glücklich sind, genau wie es auch Ron Dennis im Vorjahr war. Die Regel wurde ursprünglich vorgeschlagen, damit die kleinen Teams einen Bezahlfahrer hineinsetzen können, um an Geld zu kommen, aber die Regel wird natürlich nicht mehr auf diese Weise ausgeschöpft. Es ist aber schon ein Vorteil für die kleineren Teams. Wir sind dieses Jahr sehr happy über die Regel, aber ich hoffe, dass wir es nächstes Jahr nicht mehr sein werden..."
Frage: "Wie lange kann ein Privatteam wie Williams noch gegen die großen Automobilhersteller bestehen?"
Head: "Das hängt davon ab, wie gut man darin ist, Sponsorengelder aufzutreiben - und wie man das Geld dann ausgibt. Wenn man sich das Renault-Budget von 2005 anschaut - Chassis und Motor zusammengerechnet -, dann war es vielleicht nur das viert-, fünft- oder sechstgrößte, also ist Effizienz ein ganz wichtiger Faktor. Wir zahlen dieses Jahr nicht einmal 20 Millionen Euro an Cosworth - bei weitem nicht, um genau zu sein -, aber ich muss sagen, dass ich dennoch sehr glücklich bin, mit Cosworth zu arbeiten. Der Motor ist voll konkurrenzfähig, sogar konkurrenzfähiger als mancher Werksmotor, aber Cosworth macht damit keinen Verlust."
"Je mehr jedoch die Tests beschränkt werden, was sich nicht vermeiden lässt, desto mehr Gewicht kommt den Simulationstools zu, virtuell wie physisch, und einige dieser Tools sind ziemlich teuer. Ich habe es vorhin schon erwähnt: Wir mussten unser Getriebe auf der Strecke auf Fehler hin untersuchen. Es wäre jedoch viel effizienter und genauer gewesen, wenn wir diesen Prozess auf einem entsprechenden Prüfstand durchführen hätten können. Solche Einrichtungen werden auf lange Sicht sicher an Bedeutung hinzugewinnen, aber wie lange das dauern wird, hängt davon ab, wie erfolgreich Max (Mosley; Anm. d. Red.) damit ist, den Relationsberg zwischen Ausgaben und Leistung abzutragen."
Elektronik: Head versteht die Argumente der Hersteller
Frage: "Was hältst du von einer standardisierten Elektronik?"
Head: "Ich bin nicht der Meinung, dass man mit einer Standardelektronik automatisch die Leistung nicht mehr regulieren kann, aber wenn wir alle eine Standardelektronik absegnen, dann werden wir unsere Aufmerksamkeit endlich auf andere Bereiche lenken. Ich verstehe aber auch, dass es für Leute wie BMW, die ihre eigene Elektronik bauen, eine interessante Herausforderung ist, die für sie eine gewisse Bedeutung für ihre Serienproduktion hat. Da muss es ganz schön unangenehm sein, den Ingenieuren zu sagen, dass sie dies und jenes nicht mehr machen können."
"Es würde sich nicht mehr allzu sehr wie die Formel 1 anfühlen, aber die Standardelektronik ist das, was wir wahrscheinlich bekommen werden. Es ist immer noch Max' und Bernies (Ecclestone; Anm. d. Red.) Spiel, also müssen wir es auch nach ihren Regeln spielen."
Frage: "Auf welcher Strecke habt ihr deiner Meinung nach in diesem Jahr die größte Chance auf einen Grand-Prix-Sieg?"
Head: "Wir bauen ein Auto in der Absicht, auf allen Strecken konkurrenzfähig zu sein. Wir waren in Bahrain im Rennen sehr konkurrenzfähig, aber ich denke nicht, dass man sagen kann, dass wir auf einer Strecke besser sein werden als auf einer anderen. Wir wollen überall so schnell wie möglich sein - genau wie alle anderen, die an dieser Weltmeisterschaft teilnehmen. Ich mag es, dass alle von Honda, McLaren, Ferrari und Renault reden, während niemand mit uns rechnet, aber ich bin sicher, dass wir auch zu dieser Gruppe gehören. Wir werden sehen. Wir müssen rausfahren und es beweisen."

