Head hofft auf strenge Aufklärung von "Crashgate"
Williams-Teilhaber Patrick Head fordert im Falle einer Manipulation drakonische Strafen, weil die Integrität der Formel 1 auf dem Spiel steht
(Motorsport-Total.com) - Nach "Spygate" und "Liegate" beschäftigt nun "Crashgate" die Formel 1: Im Fahrerlager gibt es derzeit kaum ein anderes Thema als der Vorwurf von Nelson Piquet jun., das Renault-Team habe ihn in Singapur darum gebeten, absichtlich einen Unfall zu verursachen, um Fernando Alonso dank einer Safety-Car-Phase zum Sieg zu verhelfen.

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Head ist gespannt auf die Entscheidung der FIA im Manipulationsfall
Auch wenn FIA-Präsident Max Mosley betont, dass erst die juristische Renault-Stellungnahme zu dem Fall abgewartet werden muss - in Verhören hatten Teamchef Flavio Briatore und Chefingenieur Pat Symonds ja bereits Gelegenheit, sich zu äußern -, so scheint die Beweislast gegen das ehemalige Weltmeisterteam doch erdrückend zu sein. Dass damals alles hundertprozentig sauber abgelaufen ist, glaubt in Insiderkreisen kaum noch jemand.#w1#
Etwas zu viele Zufälle...
"Es ist schon außergewöhnlich, Alonso auf dem 15. Startplatz nur zwölf Runden Benzin zu geben. Das schien eine außergewöhnliche Entscheidung zu sein. Aber es ist für ihn aufgegangen", wundert sich Patrick Head. Der Williams-Teilhaber fügt seinen Kommentaren aber ausdrücklich an: "Ich kenne die Details nicht und weiß nicht, was passiert ist. Am 21. September werden die Behauptungen untersucht."
"Ich hoffe, dass das System, das den Fall untersucht, alle Fakten hervorbringt", so Head. Sollte das, was im Raum steht, stimmen, dann seien aber "zu 99 Prozent" die Verantwortlichen im Team schuld und nicht Nelson Piquet jun. Es sei zwar natürlich zu verurteilen, wenn sich ein Fahrer auf eine solche Manipulation einlässt, aber: "Wenn junge Fahrer Fehler machen, sollte man sie nicht gleich kreuzigen."
"Bevor sich junge Fahrer in der Formel 1 einen Namen machen, befinden sie sich in einer sehr schwierigen Position", sagt der 63-Jährige. "Wenn man Nelson aber wirklich gebeten hat, einen Unfall zu verursachen, dann hätte er meiner Meinung nach unabhängig von seiner vertraglichen Situation Nein sagen müssen. Wenn es wirklich passiert ist, dann muss man die Verantwortlichen hart rannehmen. Ich weiß aber nicht, ob es wirklich so war oder nicht."
Wer kam auf die Idee? Völlig egal!
Derzeit behauptet Symonds, Piquet habe die Manipulation in Singapur selbst vorgeschlagen. Head kann jedoch nicht erkennen, "wo das einen Unterschied macht. Wenn das Team weiß, was passiert ist, dann sollte es die FIA sofort informieren." Würde sein Fahrer so etwas vorschlagen, "würden wir erschrecken. Ich kenne unsere Ingenieure und bin mir sicher, dass die das ablehnen würden, aber selbst wenn nicht: Ich kennen einen Mann, der würde die Sache niemals genehmigen, und das ist Frank Williams. Und ich denke genauso."
Nach Meinung des alten Racers Head, der schon seit vielen Jahrzehnten in der Formel 1 ist und als fairer Sportsmann gilt, habe es im Motorsport und ganz besonders in der Königsklasse schon immer Bestrebungen gegeben, die Grenzen des Reglements auszuloten. Dabei seien die Grenzen gelegentlich auch überschritten worden. Doch eine gezielte und mutwillige Manipulation eines Rennausgangs sei noch mal ein ganz anderes Kaliber.
"Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die FIA hinters Licht zu führen und damit durchzukommen. Wenn es aber permanent passieren würde, würde sich keiner mehr für die Formel 1 interessieren, weil man das, was man sieht, nicht mehr glauben könnte", sieht Head die Integrität der Formel 1 in Gefahr. "Wenn jetzt jemand hergeht und auf operative Weise betrügt, dann muss man dagegen scharf vorgehen, denn dann könnte man ebenfalls nichts mehr glauben."
Integrität der FIA besonders wichtig
"Ihr könntet ja nicht einmal einen Artikel schreiben, in dem steht, dass der Sieger gute Arbeit geleistet hat, weil sich alle nur fragen würden, wie die jetzt betrogen haben. Ich hoffe nur, dass das Urteil vom 21. im Nachhinein der Prüfung standhalten wird, denn wenn die Sporthoheit der Formel 1 keine gute Sporthoheit ist, dann stellt das den gesamten Sport in Frage. Man muss im Nachhinein sagen können: Diese Sache wurde richtig gehandhabt", appelliert er an die FIA.
"Es ist ein komplexer Sport. Manche sagen, es ist kein Sport, aber wenn alle Autos und Motoren nach den gleichen Regeln gebaut sind, dann hören alle Tricksereien und alle kommerziellen Aktivitäten auf, sobald die Lichter der Startampel erlöschen. Ich halte das für ein ehrliches Rennen zwischen Fahrern - ja, mit unterschiedlichem Material, aber das verstehen die Journalisten und sie können es interpretieren. Betrug nicht", philosophiert Head vor sich hin.
Überhaupt sieht der Brite die Rolle der Medien in der "Crashgate"-Affäre als entscheidend an. Angeblich habe noch am Tag des Rennens ein Berichterstatter von der Story erfahren, diese bei der FIA aber nicht angezeigt. Head: "Ein Journalist hat mir gesagt, dass ihm Nelson Piquet schon 15 Minuten nach dem Rennen alles erzählt hat. Wenn das der Fall war, dann hätte der Journalist eigentlich sagen müssen: 'Hör bitte auf, mir das zu erzählen, sonst...'
Die Medien und "Crashgate"
"Ich habe einen Artikel von einem Journalisten gesehen, den ich enorm respektiere. Er suggeriert darin, dass bei allen Teams getrickst wird. Da muss er sehr emotional gewesen sein, denn diese Behauptung finde ich falsch", so Head. "Es gibt in der Formel 1 unglaublich viele Menschen, die zum Beispiel dafür sorgen, dass die Motorhomes und die Gastronomie innerhalb sehr kurzer Zeit von einem Ort zum anderen gebracht werden. Diese Leute in Misskredit zu bringen, finde ich nicht korrekt. Aber ich hoffe, dass er das ohnehin nicht so gemeint hat."
Wichtig sei nun vor allem eine lückenlose Aufklärung von "Crashgate", damit den Spekulationen ein Ende gesetzt werden kann - und sollte es zu einem Schuldspruch kommen, dann müsse man die Verantwortlichen auch rigoros bestrafen. An eine neuerliche 100-Millionen-Dollar-Strafe wie 2007 gegen McLaren-Mercedes glaubt er aber nicht: "Wenn Wort gegen Wort steht, dann wird es schwierig, ausreichend Beweise zu finden, um solche Strafen zu rechtfertigen", weiß Head.
Und: "Ich weiß nicht, welche Informationen verfügbar sind und wie sich die Beteiligten in den Verhören verhalten werden. Das, was so aufregt, ist, dass ein Auto in die Mauer gesetzt wurde. Dass ein Fahrer einen anderen Fahrer aufhält, um dem Teamkollegen zu helfen, gilt nicht als besonders sportlich, aber niemand würde dafür 100 Millionen Dollar Strafe austeilen. Wenn jemand einen Fahrer darum bittet, ein Safety-Car auszulösen, ist das aber eine andere Stufe..."

