Head: "Ferrari für uns zu weit entfernt"
Williams-Technikchef gab heute Einblicke in die Situation in seinem Team und erzählte eine Anekdote aus vergangenen Jahren
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Patrick, Juan-Pablo hat kürzlich gesagt, dass das Auto nicht grundsätzlich schlecht ist, aber es weiterentwickelt werden muss. In welchem Stadium seid ihr mit dieser Arbeit?"
Patrick Head: "Das ist inzwischen Vergangenheit, aber wie hatten bekanntlich einen schwierigen Start mit diesem Auto und einige der Dinge, die wir über den Winter gemacht haben, und verschiedene Entscheidungen sorgten dafür, dass die aerodynamische Performance der ersten Version des Fahrzeugs nicht besonders stark war. Seither haben wir das aber sehr verbessert und es geht ? wie bei allen Teams ? um die Weiterentwicklung. Ich glaube, dass wir da den richtigen Weg eingeschlagen haben. In Imola schafften wir kein gutes Resultat, aber das hing mit Fehlern bei den Boxenstopps und mit variierenden Reifensätzen zusammen, weil sie nicht ordnungsgemäß vorbereitet wurden. Ein paar Reifensätze haben gut funktioniert, andere wieder überhaupt nicht, was uns jede Vorhersage schwierig gemacht hat. Man muss dieses Biest genau verstehen und herausfinden, wie es auf verschiedenen Strecken mit den Reifen umgeht, damit man sich darauf einstellen kann. Unsere Leistungsfähigkeit ist sicher besser als das Resultat in Imola, aber ich bin mir auch ziemlich sicher, dass es nicht für den neuen Ferrari reicht. Wie alle Teams entwickeln wir daher weiter und bringen neue Teile. Mit der Basis bin ich im Gegensatz zum Vorjahr recht zufrieden. Wir sind ziemlich rasch draufgekommen, dass wir hier nicht die kerngesunde Plattform haben, von der aus wir weiterentwickeln können. Ferrari ist eben mit einer Ausbaustufe aufgekreuzt, die für uns ganz einfach zu weit entfernt ist, um mithalten zu können. Man gibt nie auf und pusht immer, aber man muss auch realistische Einschätzungen treffen können und das ist die realistische Einschätzung von Williams. Aber wie gesagt, die Basis ist okay und sie stellt eine gute Plattform dar, um während der Saison zu entwickeln."

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Patrick Head stellte sich heute in Barcelona den Fragen der Journalisten
Frage: "In Imola gab es wieder Probleme mit den Boxenstopps. Bei Williams funktionieren die Tankanlagen oftmals nicht. Warum bekommt ihr das nicht in den Griff?"
Head: "Ich glaube nicht, dass das wirklich der Fall ist. Natürlich wurde mit dem Finger auf uns gezeigt, aber es gibt ja auch die Ausdrucke von den Rennen und da sieht man, dass in mehr als der Hälfte der Rennen gemessen an der Benzinmenge ein Williams-Boxenstopps am schnellsten war. Das Problem ist nur, wenn man beide Autos ansieht. Bei uns ist es oft so, dass ein Auto Schwierigkeiten hat. In Imola hatten wir eine Reihe von verschiedenen Problemen. Ralf hat alles richtig gemacht, aber dann kam Juan rein und er rutschte einen Meter zu weit. Auf einmal stehen die Jungs mit dem Schlagschrauber hier, das Auto da und die Tankanlage dort und das ist schon einmal ein schwieriger Anfang. Natürlich trainieren wir auch Boxenstopps, bei denen ein Fahrer zu weit fährt, aber der schnellste Weg ist das klarerweise nicht. Dann gab es auch noch ein Missgeschick innerhalb der Crew, das ich hier jetzt nicht erläutern werde, weil es völlig unverständlich ist, wie so etwas passieren kann, und ich finde es auch sehr peinlich. Jedenfalls haben wir Maßnahmen ergriffen, damit so etwas nicht mehr passieren kann."
Frage: "Antonio Pizzonia wurde letztes Jahr als euer Testfahrer stets gelobt. Was für Schwierigkeiten hat er deiner Meinung nach jetzt bei Jaguar?"
Head: "Was mit ihm bei Jaguar geschieht, kann ich nicht wirklich beurteilen, weil ich das a) nicht näher verfolge und b) keine Ahnung davon habe. Ich weiß nur, dass er letztes Jahr 14.000 Kilometer für uns getestet hat und dass er sofort schnell war ? nach zwei, drei Runden knallte er konkurrenzfähige Rundenzeiten hin. Das war bei jedem unserer Tests so. Er kam sofort auf schnelle Zeiten und zeigte alle grundsätzlichen Anzeichen für einen guten Rennfahrer. Bei 14.000 Kilometern hatte er einen dummen Unfall mit leichtem Schaden. Ansonsten war er immens konstant und gleich schnell wie und manchmal sogar etwas schneller als unsere beiden Stammfahrer. Daher überrascht es mich, dass er jetzt solche Probleme hat. Aber das ist eben das Problem eines Rennfahrers. Da ist bei den Rennen zusätzlicher Druck, den er bei den Tests nie gehabt hat, aber andererseits hat Antonio schon einige Meisterschaften bestritten und gewonnen. Man kann nicht sagen, dass er immer schon unter Druck zerbrochen ist. Ein Fahrer muss aber auch technische Probleme überstehen können. Damit meine ich nicht unbedingt, dass er darum herumfahren muss, sondern eine Situation in der ein Defekt auftaucht und die Box etwas vorbereitet oder repariert ? damit muss er umgehen können. Man hat nur fünf Minuten um rauszugehen und eine Rundenzeit zu fahren. Das ist Teil der Herausforderung für einen Formel-1-Piloten. Ich bin aber sicher, dass man feststellen würde, dass mit der Betreuung von Antonios Fahrzeug etwas schleißig umgegangen wurde, wenn man die Situation näher betrachten könnte. Ich glaube nicht, dass aus einem schnellen Fahrer auf einmal ein langsamer wird und kann mir auch nicht vorstellen, dass sein Selbstvertrauen dermaßen angeschlagen ist. Die Bedingungen bei Jaguar kann ich nicht beurteilen, aber es wundert mich schon, dass sie ihn nicht mehr unterstützen und ihm nicht zuverlässigeres Material geben. Es ist aber ohnehin noch sehr früh in der Saison und ich bin sicher, dass er diese Krise überstehen und eine gute Karriere in der Formel 1 haben wird. Das verdient er sich."
Unberechenbarkeit hat Spannung gebracht
Frage: "Was erwartest du als Michelin-Partner strategisch in Bezug auf die neuen Regeln in Monaco?"
Head: "Die Reifenfirmen werden nicht zwingend dieselben Reifen wie 2002 dorthin mitbringen. Ich kann sogar garantieren, dass dem nicht so sein wird und daher müssen wir uns genau überlegen, wie wir die Reifen optimal nutzen können und wie wir das Rennen planen. Das ist ein Faktor, der die Formel 1 sicher spannender gemacht hat ? die Unberechenbarkeit. Trotzdem kommt man nicht um die Tatsache herum, dass man mit einem schnellen Auto am besten fährt. Man kann endlos über die Strategie sinnieren, aber wenn du ein schnelles Auto hast, ist die Wahrscheinlichkeit für einen Startplatz in der ersten Reihe größer, selbst wenn man vielleicht etwas mehr Benzin an Bord hat. Wenn man nicht das beste Auto hat, macht man sich Gedanken, wie man mit der Strategie die Performance vertuschen kann. Das macht alles sehr interessant."
Frage: "Was sagst du dazu, dass der Grand Prix von Österreich gestrichen werden soll?"
Head: "Mir hat die Streckenversion vor dem aktuellen Design gefallen, aber es gibt eben Sicherheitsbedenken, die man nicht ignorieren kann. Die alte Strecke war absolut genial, verdammt schnell. Ich erinnere mich noch an unser erstes Rennen hier, als Frank in einer dieser kleinen Pensionen die Rechnung nicht bezahlt hat oder es sehr wenig ausgemacht hat. Die Strecke liegt mitten im Bauernland und das gefällt mir, denn die Formel-1-Strecken sollten unterschiedlich sein. Das Problem mit den neuen Strecken, die gebaut werden ? es kommt ja eine in Bahrain und auch in China ?, ist, dass sie alle nach einer Formel geplant wurden. Paddock, Boxen, Layout ? alles nach demselben Muster. Ich finde, dass dadurch Charme verloren geht. Ich habe in Silverstone immer gemocht, dass die vorderen Motorhomes auf der Wiese parken mussten, aber jetzt stehen sie auch im Asphalt-Dschungel und das ist doch schrecklich. Aber zurück zu meinem ersten Besuch hier in Österreich. Ich erinnere mich noch daran, dass Frank und ich mit dem Auto unterwegs waren und unser Bauernhof war geschlossen und niemand machte uns die Tür auf. Dann haben wir Steine ins Fenster geworfen und einer unserer Jungs hat das Fenster aufgemacht, einen Teppich rausgehängt und an dem sind wir reingeklettert. Es gab nur vier oder fünf Zimmer dort. Ich bin dann in mein Zimmer gegangen, das drei mal zwei Meter oder so groß war, und dort erwartete mich der schlimmste Geruch, den man sich vorstellen kann. Zum Glück habe ich herausgefunden, dass der Gestank aus dem Kasten kam, wo der Sohn des Hofes seine Arbeitsschuhe reingestellt hat, die er wahrscheinlich zehn Jahre lang jeden Tag getragen hat, weil sie völlig grauenhaft gerochen haben. Er musste sein Zimmer räumen, weil wir gekommen sind. Okay, das ist eine dumme Geschichte, aber das gehört dazu. Wir bleiben auch diesmal auf einem anderen Bauernhof und das macht einfach den Charme der verschiedenen Strecken aus. Die neue Strecke finde ich nicht besonders interessant, aber sie liegt noch immer mitten in der Landschaft, sie ist anders und daher würde ich es bedauern, wenn Österreich gestrichen wird."
"Dieses Geschäft ist sehr verlangend..."
Frage: "Wie frustrierend ist es, wenn euch immer wieder Missgeschicke passieren?"
Head: "Dieses Geschäft ist sehr verlangend, wenn man dabei ist, und es ist nur angenehm, wenn man Erfolg hat. Trotzdem gibt es keinen Grund, jetzt die Spielsachen aus dem Kinderwagen zu werfen, sondern wir müssen uns auf die Probleme konzentrieren. Wenn Änderungen notwendig sind, müssen wir uns hinsetzen und sie durchführen. Verschiedene Mechanismen und Strukturen müssen eingeführt werden, um ein Problem zu beseitigen, und das ist eine Aktivität, die Verständnis und Handlungsbereitschaft erfordert. Es gab kürzlich Probleme bei unseren Boxenstopps, aber sie sind zuletzt besser und zuverlässiger geworden. Das Schöne am Grand-Prix-Sport ist, dass man es in einer Minute verbockt und zwei Wochen später bekommst du eine neue Chance. Okay, McLaren ist ein fantastisches Team, aber letztes Jahr in Silverstone haben auch sie unglaublich Mist gebaut, die falschen Reifen aufgezogen und immer genau in die falsche Richtung entschieden, die Fahrer haben geschrieen. Auch in Melbourne darf man hinterfragen, ob sie die richtigen Reifen genommen haben. Sie hatten Glück mit den Safety-Cars, obwohl mir Ron Dennis gesagt hat, das hätten sie einkalkuliert. Auf diese Diskussion habe ich mich gar nicht erst mit ihm eingelassen. Ein Team aus lauter Helden kann sehr schnell sehr dumm aussehen. Ferrari ist das beste Beispiel dafür. Meistens treffen sie die richtigen Entscheidungen, haben eine gute Technik, gute Fahrer und sehen auch gut aus, aber in den letzten zwei Jahren haben sie auch einige Boxenstopps vermasselt. Dann sehen auch sie dumm aus, aber sie reißen sich zusammen und sortieren die Probleme aus."
Frage: "Was für Vorteile birgt die Zusammenarbeit mit einem Automobilhersteller?"
Head: "BMW hat sehr gute technische Ressourcen. Die passen nicht immer mit unseren Bedürfnissen zusammen, das ist klar, aber im Bereich der Kraftübertragung und der Fahrzeugdynamik gibt es eine intensive Kooperation."

