• 23.03.2008 12:33

Haug: "Zwei Handicaps kann man nicht kompensieren"

Mercedes-Sportchef Norbert Haug analysiert, warum beim Grand Prix von Malaysia nicht mehr drin war als die Plätze drei und fünf

(Motorsport-Total.com/Premiere) - Nach der Rückversetzung in der Startaufstellung auf die Positionen acht und neun war der heutige Grand Prix von Malaysia für Heikki Kovalainen und Lewis Hamilton ein schwieriges Unterfangen. Kovalainen schaffte aber mit einer soliden Vorstellung dennoch den Sprung aufs Podium, während Hamilton nach einem verpatzten ersten Boxenstopp knapp hinter Jarno Trulli Fünfter wurde. Mercedes-Sportchef Norbert Haug strich in seiner Rennanalyse die positiven Erkenntnisse des ernüchternden Tages hervor.

Titel-Bild zur News: Norbert Haug

Norbert Haug sieht das heutige Resultat in Malaysia nicht nur negativ

Frage: "Herr Haug, der Start lief aus ihrer Sicht noch ganz gut, nicht wahr?"
Norbert Haug: "Ja, das war der beste Teil des Rennens. Speziell Lewis hat Plätze gutgemacht, kam vor bis auf Platz fünf. Heikki war nicht ganz so gut, aber immerhin hat er es überstanden. Das war eine sehr gute Leistung."#w1#

Keine Kritik an "rollender Schikane" Webber

"Webber muss keinen Platz machen, das ist sein gutes Recht, aber da wurde natürlich etwas Zeit verloren." Norbert Haug

"Die Rückversetzung auf acht und neun konnten wir in der ersten Kurve einigermaßen kompensieren, aber das zweite Handicap ist natürlich schwer zu kompensieren, denn wir hingen mit Lewis hinter Webber fest. Webber muss keinen Platz machen, das ist sein gutes Recht, aber da wurde natürlich etwas Zeit verloren. Später, nach dem missratenen Boxenstopp, ging es genauso weiter."

Frage: "Vielleicht können Sie mal erklären, warum Lewis Hamilton nicht an Mark Webber vorbeikam, wenn er so viel schneller war!"
Haug: "Weil einfach der Hinterherfahrende gehandicapt ist. Das hat man bei Kimi (Räikkönen; Anm. d. Red.) beim letzten Rennen gesehen, als er durch die Crashs bis auf Platz acht vorkam, aber dann hing er fest."

"Das ist sicherlich ein Problem dieser Autos: Die sind aerodynamisch so empfindlich, dass das Heranfahren eine Sache ist, aber das Überholen fast gar nicht geht. Das wird sicherlich im nächsten Jahr, wenn sich das Reglement ändert, anders. Daran wird gearbeitet. Das ist keine Ausrede, sondern Heranfahren geht, Überholen geht nicht. Und letztlich sind einfach alle dichter beisammen, wie man an den Rundenzeiten sieht. Die Formel 1 ist kompetitiver als noch vor zwei oder drei Jahren, und deshalb kann man nicht mit den Gegnern spielen."

Frage: "Was war beim verpatzten ersten Boxenstopp von Lewis Hamilton los?"
Haug: "Es gibt Abdeckungen an den Vorderrädern. Offensichtlich hat sich da beim Wechsel etwas verkantet. Das hat ungefähr elf bis zwölf Sekunden gekostet beim ersten Stopp. Das ist natürlich eine Ewigkeit. Er ist zurückgefallen auf Platz zwölf. Das ist sicherlich unser Problem, dafür können wir niemand anderen kritisieren."

Schadensbegrenzung an einem schwierigen Tag

"Wenn du an einem so schwierigen Tag trotzdem zehn Punkte machst, dann ist das sicherlich okay." Norbert Haug

"Zum Guten komme ich aber auch noch, denn wenn du an einem so schwierigen Tag trotzdem zehn Punkte machst und die WM-Führung in beiden Wertungen verteidigst, dann ist das sicherlich okay, dann hat man Schadensbegrenzung betrieben. Und der dritte Platz von Heikki geht natürlich in Ordnung."

Frage: "Warum hat Lewis Hamilton zweimal die weichen Reifen aufgezogen, obwohl er im dritten Stint, als er die harten Reifen drauf hatte, schneller war?"
Haug: "Das stimmt. Das war die Entscheidung innerhalb des Teams, seine und die des Ingenieurs. Ich glaube, sie sind nicht ganz auf den Punkt gekommen mit dem Setup. Mit dem Primereifen am Ende war er sehr schnell."

"Wenn man nur rein die schnellsten Rundenzeiten anguckt, dann sieht die Sache sehr freundlich aus - das ist alles innerhalb von zwei, drei Zehnteln. Nick Heidfeld ist sogar ganz am Schluss noch die schnellste Runde gefahren. Klar ist, dass da die Gripverhältnisse am besten sind und dass manche Autos mit mehr Grip besser sind. Unseres gehört offensichtlich dazu. Wir hatten hier immer viel Regen über Nacht, also nicht die Idealbedingungen für ein Rennen, und Ferrari hat das sicher besser gemanagt als wir."

Angesichts der Umstände zufrieden

Mark Webber vor Lewis Hamilton

Hinter Mark Webber verlor Lewis Hamilton jede Menge wertvolle Zeit Zoom

"Wir waren doppelt gehandicapt mit den Startpositionen acht und neun und einem langsamen Boxenstopp - der zweite Boxenstopp war natürlich auch langsam, weil es eher ein Sicherheitsstopp war -, und zwei Handicaps kann man in einem Formel-1-Rennen nicht kompensieren. Wenn dabei noch Platz drei und fünf rauskommt, dann ist das immer noch etwas, worüber man sich freuen kann."

Frage: "Lewis Hamilton wirkte nach dem Rennen ein bisschen verärgert und sehr enttäuscht..."
Haug: "Ich hätte ein Problem mit Lewis, wenn er rauf und runter hüpfen würde nach diesem Rennen! Wenn man nicht dieses Resultat einfährt, das man einfahren kann, dann ist man nicht zufrieden. Sicherlich will man nicht mühsam auf der Strecke erkämpfte Zeit in den Boxen verlieren, aber das kommt vor."

"Wir haben gesehen, was bei Ferrari beim letzten Rennen war, was bei Felipe Massa, der auf Pole war, passiert ist. Wir haben jetzt alle Autos zweimal hintereinander ins Ziel bekommen. Darauf kommt es eben auch an. Ich glaube nicht, dass es so viele Teams gibt, die bei den zwei Starts alle Autos ins Ziel gebracht haben, aber wir haben höhere Ambitionen."

"Nur: Von Platz drei und vier kann man die leichter erfüllen als von hinten. So wenig wie Ferrari uns nach meiner Einschätzung in Melbourne geschlagen hätte, hätten wir hier Ferrari geschlagen. Aber wir hätten sicher um die restlichen Podiumsplätze gekämpft, und gerade wenn Massa einen Fehler macht, muss man zur Stelle sein."

Lob für fehlerfreien Kovalainen

"Heikki war da, ist ein solides Rennen gefahren." Norbert Haug

"Heikki war da, ist ein solides Rennen gefahren - da kann ich mich gar nicht beklagen. Aber wenn man sieht, wie viel Zeit wir am Anfang im Verkehr schon verloren haben, dann zieht sich das Feld auseinander, das holt man nicht mehr auf. Siehe Nick: Der hatte eine blendende Ausgangsposition nach unserer Rückversetzung, war dann aber im Hinterfeld und ist zum Schluss hinter Lewis Sechster geworden. Da geht es eben dann auch nicht voran, obwohl das Auto eigentlich ein sehr gutes war heute."

Frage: "In zwei Wochen geht es in Bahrain weiter. Sie haben dort im Winter nicht getestet, Ferrari schon. Ist das ein Vorteil für Ferrari?"
Haug: "Das schadet nichts, getestet zu haben, aber ich denke, dass wir überall einen soliden Job machen werden. Dass wir das können, dass wir uns laufend weiter verbessern werden, das ist auch klar. Aber es fängt damit an, dass wir uns nicht mal eine halbe Sekunde Zeitverlust beim Boxenstopp schenken dürfen. Das müssen wir zuerst thematisieren und parallel dazu weiter Speed machen."

"Die Zwischenbilanz ist zumindest in dem Punkt freundlich, dass wir die beiden WM-Wertungen anführen, wenn auch nicht mit riesigem Vorsprung. Aber wir müssen sehen, dass wir starke Gegner haben, und das will das Publikum ja sehen. Wir mischen da schon ganz gut mit!"