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  • 18.04.2010 12:56

Haug: "Nico hat sich bestens verkauft"

Mercedes-Sportchef Norbert Haug über den dritten Platz von Nico Rosberg, das schwierige Rennen von Michael Schumacher und die Bilanz von Mercedes

(Motorsport-Total.com/Sky) - Mit dem Großen Preis von China darf Mercedes-Sportchef Norbert Haug zufrieden sein: Nico Rosberg bescherte dem neuen Mercedes-Werksteam den zweiten Podestplatz in Folge, während die Motoren aus Stuttgart und Brixworth sämtliche Stufen auf dem Siegertreppchen einnahmen. Einzig Michael Schumacher konnte nicht vorne mitmischen - der Formel-1-Routinier haderte mit den Reifen und kam letztendlich nur als Zehnter ins Ziel. Im Interview nimmt Haug Stellung zum Rennen in Schanghai.

Titel-Bild zur News: Norbert Haug (Mercedes-Motorsportchef)

Norbert Haug ist mit dem Rennen in China recht zufrieden - wieder ein dritter Platz

Frage: "Norbert, Nico Rosberg hat einen weiteren dritten Platz für das Mercedes-Werksteam erobert, Jenson Button und Lewis Hamilton feierten einen Doppelsieg mit Mercedes-Motoren. Wie lautet ihr Rennfazit?"
Norbert Haug: "Das war wirklich ganz toll. China ist natürlich ein überaus wichtiger Markt für Mercedes-Benz. McLaren ist mir natürlich der zweitliebste Sieger. Wenn es bei uns nicht geht, dann eben bei McLaren."#w1#

"Sie haben es verdient, weil sie gute Arbeit geleistet haben. Nico hat unserem Team die ersten Führungsrunden beschert und es war der 70. Sieg eines Mercedes-Motors seit 1997. Damit haben wir im Prinzip jedes vierte Rennen für uns entschieden. Das kann sich sehen lassen."

"Vielen Dank an die Jungs in Brixworth und Stuttgart, die so hart dafür gearbeitet haben. Wir hatten früher einmal einige Probleme mit der Zuverlässigkeit, jetzt rüsten wir drei Teams aus - und diese Rennställe sind eigentlich immer vorne mit dabei. Nico liegt nach vier Rennen auf dem zweiten Platz in der Gesamtwertung und im Augenblick auch bester Deutscher."

"Wir hatten früher einmal einige Probleme mit der Zuverlässigkeit, jetzt rüsten wir drei Teams aus." Norbert Haug

"Das wird vielleicht nicht so bleiben, aber wir rüsten jetzt nach. Wir werden uns weiter steigern. Zwei Podien für Nico - und das in Folge - sind allerdings eine großartige Leistung. Außerdem hatten wir nun erstmals drei Autos mit Mercedes-Motor auf dem Podium. Es war überaus spannend. Der Regen hilft natürlich immer."

Rosberg erneut auf dem Podium

Frage: "Die Bedingungen waren überaus wechselhaft. Wer hat da im Team den Überblick behalten? Nico war ja einer der wenigen Piloten, die zu Beginn auf Slicks geblieben sind..."
Haug: "Das war der Schlüssel zum Erfolg - auch für Jenson. Wir hätten ohne Safety-Car natürlich noch besser ausgesehen, ganz klar. Denn erst dadurch kam das ganze Feld zusammen."

"Wir haben aber gesehen, dass es verschiedene Teams gab, die Schwierigkeiten hatten. Auch die dominanten Red Bulls haben heute sicherlich nicht den besten Job gemacht. Das zeigt nur, dass jeder einmal daneben liegen kann. Die werden wieder stark sein. Was man auch gesehen hat: Die Zeiten gingen sehr stark rauf und runter."

"Wenn man die Reifen eine Weile beansprucht, muss man sie gewiss eine Zeit lang auch wieder abkühlen lassen. So war das einfach ein Durchkommen, würde ich sagen. Das hat Nico hervorragend gemacht. Den einen Ausrutscher vergessen wir ganz schnell. Wenn es das Auto gekonnt hätte, dann hätte er es auch gekonnt. Da war also das Fahrzeug das Limit."

"Den einen Ausrutscher vergessen wir ganz schnell. Da war das Fahrzeug das Limit." Norbert Haug

"Genauso bei Michael. Er hatte ein krummes Auto. Ich glaube, wir müssen vor Barcelona das Chassis auswechseln. Dann geben wir ihm die besseren Voraussetzungen. Die Fans von Michael wissen aber, dass er bei einem solchen Wetter zu den Allerbesten gehört - also war etwas am Auto. Keine Angst: Er wird noch starke Rennen bei uns abliefern."


Fotos: Mercedes, Großer Preis von China


Der Mercedes-Stern leuchtet in Schanghai

Frage: "Es gab einige sehr spannende Überholmanöver in diesem Rennen. Vor allem Lewis Hamilton hat die beiden Mercedes-Piloten schwer geärgert. In Bezug auf Michael war das in gewisser Weise ein Kampf der Generationen..."
Haug: "Michael hat sich in dieser Situation aber gut gewehrt. Sicherlich mit einem Auto, das in diesem Augenblick nicht das bessere war. Es ging ein paar Mal hin und her und Michael ist dann wieder durch."

"Da sieht man schon, wer Routine hat. Das war ganz fair. Ich denke, die beiden hatten einen Riesenspaß. Lewis musste ganz schön beißen, um es letztendlich zu schaffen. Das wissen wir aus den vergangenen Rennen: Lewis ist einer der besten Fahrer im Feld. Ich weiß auch, wovon ich spreche, wenn ich McLaren-Mercedes beschreibe."

"Wir waren 15 Jahre zusammen. 2009 hatten wir ein schlechtes Jahr, haben den Prozess aber gemeinsam auf die Bahn gelegt, um im vergangenen Jahr wieder konkurrenzfähig zu werden. Das haben wir ab der Saisonmitte speziell mit Lewis geschafft. Die Früchte davon ernten sie noch immer. Wir waren aber nicht in einer anderen Liga, das konnte man sehen."

"Wir waren aber nicht in einer anderen Liga, das konnte man sehen." Norbert Haug

"Jenson ist bei solchen Bedingungen ebenfalls immer sehr gut, wie man weiß. Nico hat sich bestens verkauft. Umsonst ist man nicht Zweitplatzierter in der aktuellen WM-Wertung. Dort liegen im Augenblick drei Mercedes-befeuerte Fahrer an der Spitze. Da können wir uns nicht beklagen."

Rosberg und Hamilton begeistern

Frage: "Auch Nico hatte ein aufregendes Duell mit Lewis. Erst hatte in Hamilton schon kassiert, doch Nico wehrte sich dann nochmals..."
Haug: "Da schlägt das Herz wirklich höher. McLaren und wir haben die Jungs früher im Kartsport gefördert. Ein paar Jahre später gibt es solche Szenen auf der Rennstrecke. Da zahlt sich eben auch die Nachwuchsarbeit von Mercedes-Benz aus."

"Das muss man wirklich anerkennen. Beide haben einen Hintergrund in der DTM und im Rahmenprogramm der DTM. Deutschland ist hier also überaus gut vertreten - mit unserem Motor obendrein. Das muss man bei einem so wichtigen Rennen schon einmal festhalten."

"Deutschland ist hier also überaus gut vertreten - mit unserem Motor obendrein." Norbert Haug

Frage: "Michael hatte abschließend noch ein enges Duell mit Felipe Massa, seinem früheren Teamkollegen bei Ferrari. Und zunächst hielt Schumacher den Brasilianer hinter sich..."
Haug: "Das war ganz elegant gemacht. Michael hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine vollkommen stumpfe Waffe."

"Da ging das Auto nicht. Nach einer Berührung war das Fahrzeug krumm. Er würde ihm die Türe aber ohnehin nicht auflassen. Er würde kämpfen bis zuletzt - ob das Auto stumpf ist, und das war es, oder nicht. Felipe wird das sicherlich auch akzeptieren."

Haug ist von Schumacher überzeugt

Frage: "Michael holte aufgrund der späten Platzverluste nur einen WM-Punkt in China. Wie zufrieden sind sie mit dem Wochenende von Schumacher?"
Haug: "Ich bin schon zufrieden, denn zum Schluss war das Auto krumm. Michael ist eine Institution, er bringt sich in unser Team ein. Keine Angst: Er hat das Autofahren nicht verlernt."

"Wir haben ihn und das Fahrzeug noch nicht so zusammen gebracht. Spätestens in Barcelona werden wir das klären. Ich denke aber, an diesem Auto ist etwas. Das müssen wir allerdings erst noch untersuchen. Das kann man bei den Überseerennen nicht in den Griff kriegen, weil die Autos nicht zurückgeflogen werden."

"Ich würde also nicht zu früh den Stab brechen. Eines müssen wir ganz klar sehen: Michael stellt sich dem Wettbewerb. Er hätte das nicht nötig. Der wahre Sportler wird sicherlich sagen: 'Chapeau, Hut ab - der stellt sich'. Er könnte es sich leichter machen. Das ist seine Leidenschaft. Wir werden noch begeisternde Rennen von Michael sehen. Hundertprozentig."

"Michael stellt sich dem Wettbewerb. Er hätte das nicht nötig." Norbert Haug

Frage: "Wie ist es nun um die Rückreise aus China bestellt?"
Haug: "Am 28. November findet hier ein Lauf zur DTM statt, vielleicht können wir uns ja die Hin- und Rückreise sparen (lacht; Anm. d. Red.). Ich denke, wir sind wohl noch ein paar Tage hier. Aber selbst wenn wir uns darum kümmern, geht es auch nicht schneller. Wir können hier mit Telefon, Email und allem arbeiten. Viele Grüße nach Hause - wir kommen, sobald wir können."