Haug: "Mir ist nicht bange"
Mercedes-Sportchef Norbert Haug erklärt, warum man sich um Lewis Hamilton trotz Platz vier im Freitagstraining keine Sorgen machen muss
(Motorsport-Total.com/Premiere) - Felipe Massa fuhr am Freitag in São Paulo die zweitbeste Zeit, war um 0,190 Sekunden schneller als der viertplatzierte Lewis Hamilton. Beide fuhren ihre schnellsten Zeiten am Vormittag. Hamilton belegte im zweiten Freien Training nur noch den neunten Platz, doch Mercedes-Sportchef Norbert Haug macht sich um seinen WM-Hoffnungsträger keine Sorgen.

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Norbert Haug glaubt, dass Massa in São Paulo noch lange nicht gewonnen hat
Frage: "Herr Haug, Lewis Hamilton muss hier nur Fünfter werden. Wie groß ist die Anspannung im Team vor der WM-Entscheidung?"
Norbert Haug: "Die ist schon da. Wir haben heute ein sehr konservatives Training gemacht. Lewis ist Neunter, aber ich würde die Reihenfolge nicht als die Reihenfolge vom Sonntag sehen. Wenn man nach vorne guckt, dann ist Kimi Räikkönen zweieinhalb Zehntel weg. Das scheint mir ein realistischerer Vergleich zu sein. Massa war noch mal um eine Ecke schneller. Keine Ahnung, ob da verschiedene Programme gefahren wurden."#w1#
Training für den Ernstfall
"Ich glaube, von den acht Fahrern, die vor Lewis sind, war eine Handvoll mit einem anderen Programm unterwegs als wir. Wir haben natürlich den Ernstfall zu proben. Das heißt, dass wir auch mit einer sehr konservativen Strategie fahren können müssen. Das heißt nicht, dass das im ersten Stint sein wird, sondern vielleicht im Mittelstint. Ich glaube, der Freitag muss dazu da sein, um Maximalbelastungen auszuloten."
Frage: "Maximal belastet wurde der linke Vorderreifen, denn Lewis hat sich immer wieder verbremst. Woran lag das?"
Haug: "Das passiert bei uns tatsächlich öfter. Das ist Teil des Speeds, wenn man am Limit ist. Man muss den Preis dafür zahlen, denn wenn man eine andere Balance geht, verliert man vielleicht ein bisschen Zeit. Wir müssen uns noch die Daten angucken. Mir ist nicht bange, dass wir unseren normalen Rhythmus nicht wieder gehen können."
"Klar ist, dass wir mit Ferrari einen starken Gegner haben. Klar ist, dass die weicheren Reifen Ferrari gut liegen, während wir es mit den härteren besser können. Das heißt aber alles noch gar nichts. Es wird möglicherweise nass sein, was ich nicht hoffe, weil das zusätzliche Risiken birgt, aber uns war klar, dass das Ganze kein Spaziergang ist."
"Wir hätten die vier Punkte schon bei etlichen Gelegenheiten machen können. Das kann Massa auch von sich behaupten - abgerissener Tankschlauch oder Motorschaden oder was auch immer. Wir hatten damals in Spa unser Erlebnis, was man trotzdem im Hinterkopf behalten muss. Wir können es schaffen. Wir werden nicht die Ansage dazu machen, aber wir haben es in der Hand und ich glaube, wir werden es dieses Mal hinter uns bringen und erledigen."
Frage: "Werden Sie Lewis leicht ins Rennen schicken, damit er vorne wegfahren kann und nicht in Zwischenfälle involviert wird, oder taktieren Sie anders?"
Haug: "Den Plan haben viele! Es gibt mindestens eine Handvoll Wettbewerber, die nicht so gerne sieht, wenn Lewis vorne ist und die beste Ausgangsposition hat. Deshalb kann es sein, dass wir eine Leichtgewichtsqualifikation erleben werden, in der einer den anderen unterbietet. Man kompromittiert damit eigentlich sein Rennen, aber dieses Rennen wird ein ganz spezielles sein, ein sehr strategisches - da wird nicht jeder an den maximal möglichen Punkt denken."
Haug sieht den Druck bei Ferrari
"Ferrari muss gewinnen. Kimi Räikkönen wird Massa sicherlich nicht schlagen und von den anderen Autos ist bei normalem Rennverlauf eigentlich keiner dazu in der Lage. Das waren bisher nur wir. Es war bisher ein Kampf zwischen Rot und Silber und ich glaube nicht, dass sich das grundsätzlich ändern wird. Renault und Alonso sind stärker geworden."
Frage: "Kann Fernando Alonso am Sonntag zum Zünglein an der Waage werden?"
Haug: "Ja, durchaus - wenn er Massa nicht angreift, wie ich gelesen habe, auch wenn er mir etwas ganz anderes gesagt hat, nämlich dass er da vollkommen balanciert ist. Ich glaube, das ist auch richtig so. Wir wollen jedenfalls nicht durch Rempeleien Weltmeister werden."
"Massa hat die Geschichte mit dem Rempler gegen Lewis in Japan schon hinter sich gebracht. Dort waren die vier Punkte allemal drin. Aber jetzt gehen wir es an. Wir sind frohen Mutes, aber dass eine gewisse Anspannung da ist, ist ganz klar. Wir haben im Team nichts unversucht gelassen, haben aus Teilen, die zur gleichen Zeit fabriziert worden sind, einen Motor zusammengebaut, haben auf dem Prüfstand noch mal 1.500 Kilometer draufgepackt, um ganz sicher zu sein. Wir haben jedes Detail angeguckt, um ja keine Schwachpunkte zu haben, denn wir wollen uns hinterher nicht vorwerfen, etwas unversucht gelassen zu haben."
"Aber: Das Wetter, die erste Kurve - all das spielt eine Rolle. Man muss nur eines auch sehen: Den anderen kann es auch passieren! Massa wird schon überall als Sieger gehandelt, aber noch hat er nicht gewonnen. So viel steht fest."

