Haug: "Jetzt ist bei uns Frühjahr"

Mercedes-Sportchef Norbert Haug spricht im 'F1Total.com'-Interview über die Fortschritte der "Silberpfeile" sowie über die Fahrer- und Herstellersituation

(Motorsport-Total.com) - Nach den ersten Wintertestfahrten mit dem neuen MP4-21 und äußerst kritischen Kommentaren von Kimi Räikkönen über den Mercedes-Motor schrillten bei McLaren-Mercedes alle Alarmglocken. Die "Silberpfeile" reagierten auf diese Startschwierigkeiten jedoch beispielhaft und schafften es, binnen weniger Wochen doch noch ein konkurrenzfähiges Paket auf die Beine zu stellen.

Titel-Bild zur News: Norbert Haug

Norbert Haug ist zuversichtlich, was die unmittelbar bevorstehende Saison angeht

Im Interview mit 'F1Total.com' wehrt sich Mercedes-Sportchef Norbert Haug zwar weiterhin konsequent dagegen, Siege oder gar den WM-Titel anzukündigen, doch immerhin bestätigt er, dass das Team große Fortschritte gemacht habe. Wenige Tage vor dem Saisonauftakt in Bahrain zählt McLaren-Mercedes damit zum erweiterten Favoritenkreis, der Expertenmeinungen zufolge aus Renault, Honda, McLaren-Mercedes und Ferrari besteht - in dieser Reihenfolge...#w1#

Mercedes-Motor hat schon Renndistanzen überstanden

Frage: "Herr Haug, Sie haben kürzlich gesagt, dass bei Mercedes noch Dezember ist, was die Motorenentwicklung angeht. Wo stehen Sie jetzt, nach Kimi Räikkönens beeindruckender Testbestzeit in Valencia?"
Norbert Haug: "Jetzt ist bei uns Frühjahr, wir haben aufgeholt und sind mehrfach bei höchsten Belastungen Distanzen von zwei Rennwochenenden und mehr gefahren, sowohl auf der Rennstrecke wie auf den Prüfständen in Brixworth und Stuttgart. Wir sind ordentlich unterwegs."

Frage: "Was wurde am überarbeiteten Motor alles verändert und stimmen die Zahlen zum Leistungszuwachs von angeblich 50 PS und 800 Umdrehungen pro Minute gegenüber der Basisversion?"
Haug: "Wir drehen so hoch, wie wir es uns vorgenommen haben, verfügen jetzt über mehr Leistung und alle Veränderungen waren im Plan; Verzögerungen hatten wir aus der Frühphase des neuen V8. Die haben wir jetzt aber aufgeholt, so wie es unser gesetztes Ziel war."

"Wir drehen so hoch, wie wir es uns vorgenommen haben." Norbert Haug

Frage: "Gerade bei den ersten beiden Hitzerennen wird die Zuverlässigkeit ein entscheidender Faktor sein. Machen Sie sich deswegen Sorgen oder sehen Sie diesen Umstand im Gegenteil sogar eher als Chance?"
Haug: "Im letzten Jahr waren wir bei Hitze stets gut unterwegs. Das neue Qualifyingformat wird vielleicht für eine überraschende Startaufstellung sorgen. Alles ist neu in der neuen Saison - Qualifying, Motor, Reifenwechsel -, deshalb muss auch nicht unbedingt der Topfavorit vorne stehen."

Frage: "Vergangene Saison war McLaren-Mercedes erst ab dem vierten Rennen wirklich konkurrenzfähig. Wie stehen angesichts der bisherigen Wintertestfahrten die Chancen, dass Sie diesmal von Anfang an vorne mitmischen können?"
Haug: "Ich habe Vorhersagen nie gemocht. Wenn wir unsere Steigerungsrate, die seit dem
23. Januar mit der ersten Testfahrt unseres neuen Autos währt, so konsequent wie in den letzten sechs Wochen fortsetzen, sind wir richtig unterwegs."

Rote Flächen stellen Platzhalter für 'Vodafone' dar

Frage: "Der MP4-21 ragt durch seine aufregende Chrom-Lackierung mit roten Elementen aus der Masse der anderen Autos hervor. Steckt hinter dieser Lackierung auch irgendeine Symbolik und kündigen die roten Flächen bereits das - vielleicht doch vorzeitige - Kommen von 'Vodafone' an?"
Haug: "Klar ist, wofür die roten Flächen stehen. Der Silber/Chrom-Auftritt passt zu uns - eine aktuelle Interpretation des immer jungen Themas 'Silberpfeil' und Partner McLarens aktuelle Hausfarbe obendrein."

Frage: "Mit Adrian Newey und Nicholas Tombazis hat McLaren-Mercedes zwei talentierte Techniker verloren, und auch Peter Prodromou wird das Team am Saisonende verlassen. Wie werden Sie diese Abgänge kompensieren? Und wie erklären Sie sich, dass es so viele Techniker zu anderen Teams zieht, obwohl sich McLaren-Mercedes derzeit eher auf dem aufsteigenden Ast befindet?"
Haug: "Kommen und Gehen gab es immer in der Formel 1. Weggänge haben oft auch mit finanziell verlockenden Offerten zu tun. Adrian suchte bekanntlich seit 2001, als er fast zu Jaguar gewechselt wäre, eine neue Herausforderung. Wir haben uns auf seinen Abschied vorbereitet. Er war für Formel-1-Verhältnisse mit über acht Jahren ungewöhnlich lange bei uns und hat mit uns den größten Teil seiner Formel-1-Siege errungen."

"Kommen und Gehen gab es immer in der Formel 1." Norbert Haug

Frage: "Theoretisch könnte McLaren-Mercedes im letzten Rennen ausgerechnet gegen Fernando Alonso um den WM-Titel kämpfen. Wäre das eine unangenehme Situation für Sie? Schließlich würden Sie unter Umständen dem angehenden McLaren-Mercedes-Fahrer einen moralischen Knacks verleihen..."
Haug: "Wer mag schon Probleme, aber dieses hätte ich gerne."

Frage: "Einer der beiden Fahrer muss am Saisonende für Fernando Alonso Platz machen. Kimi Räikkönen hat ein erstes Angebot abgelehnt, die Option auf Juan-Pablo Montoya wurde nicht wahrgenommen. Wie sehen Sie die Fahrersituation?"
Haug: "Sehr gut. Wir werden voll motiviert in die neue Saison gehen und dann sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Unsere Fahrer sind hungriger und besser denn je, unser Team hat sich eine Menge vorgenommen."

Verdankt die Formel 1 ihre Spannung den Herstellern?

Frage: "Mit Renault, Honda, McLaren-Mercedes und Ferrari haben mindestens vier Teams WM-Ambitionen angemeldet, auch Williams macht inzwischen einen recht starken Eindruck. Könnte der Titelkampf 2006 noch spannender werden als 2005?"
Haug: "Durchaus. Die Dichte ist den Herstellern und ihren konsequenten Engagements zu verdanken. Auch BMW darf in Ihrer Aufzählung nicht vergessen werden - sie sind gut unterwegs und haben mit großem Nachdruck investiert. Nicht weniger gilt für Toyota. Ohne Hersteller hätte es nie eine ähnlich spannende Ausgangslage gegeben."

"Die Dichte ist den Herstellern und ihren konsequenten Engagements zu verdanken." Norbert Haug

Frage: "Letzte Frage: Max Mosley hat verschiedene neue Vorschläge in den Raum gestellt - inklusive einer Einschreibfrist für die Formel-1-WM 2008, die bereits im April 2006 enden soll. Wird McLaren-Mercedes in diesem Zeitraum für 2008 nennen und wie stehen Sie den anderen umstrittenen Vorschlägen gegenüber?"
Haug: "Beabsichtigte Verbilligungen endeten meist in Verteuerungen. Wir müssen deshalb künftig mit Konzentration und Überblick gemeinsame Lösungen definieren. Wir stehen dabei für Effizienz und Geldsparen. Mercedes-Benz hat stets Vorschläge unterbreitet, die technische Kosten senken und die Attraktivität für die Zuschauer steigern.

"Die fünf in der GPMA vereinten Hersteller BMW, Honda, Renault, Toyota und Mercedes-Benz sind bei der Weiterentwicklung der Formel 1 keine Rebellen oder Piraten, wie sie manchmal genannt werden. Alle aus dieser Gruppe außer uns besitzen eigene Formel-1-Teams, und wir sind mit 40 Prozent größter Anteilseigner an der McLaren-Gruppe. Damit sind die in der GPMA vereinten Hersteller der zentrale und damit wichtigste Part für die Zukunft einer spannenden und prosperierenden Formel 1."

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