Haug: "Glaube nicht, dass Ferrari solche Probleme hat"

Warum man bei Mercedes die Red-Bull-Dominanz in Frage stellt, wieso man sich hinter Ferrari wähnt und wie "Schumi" das Comeback von Kimi Räikkönen einschätzt

(Motorsport-Total.com) - Sechs Weltmeister und eine enorme Leistungsdichte zwischen den Teams - das sind die Ingredienzien, die dieses Jahr eine spannende Formel-1-Weltmeisterschaft versprechen. Ob die WM allerdings auch wirklich hält, was sie verspricht, oder ob ein Team noch eine Geheimwaffe aus dem Hut zaubern wird, wird sich beim Grand Prix von Australien in Melbourne zeigen.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Norbert Haug schätzt Ferrari stärker ein als die meisten Experten

Auch Mercedes-Teamchef Ross Brawn zeigt sich von der Tatsache fasziniert, dass dieses Jahr mit Sebastian Vettel, Jenson Button, Lewis Hamilton, Fernando Alonso, Michael Schumacher und Kimi Räikkönen erstmals sechs Champions um die WM-Krone kämpfen werden: "Sie alle haben unterschiedliche Stärken und Qualitäten. Es geht nicht nur um den puren Speed, sondern auch um Konstanz. Sie alle befinden sich in unterschiedlichen Karrierestadien. Es ist großartig für die Formel 1, dass wir diesen Kampf und diese Entwicklung haben."

Die meisten Experten sind der Meinung, dass Vettel im Kampf der Weltmeister die Nase vorne haben wird, denn der RB8 machte bei den Testfahrten auch dieses Jahr eine hervorragende Figur. Doch wo wird sich der Rekord-Weltmeister in der Hackordnung der Weltmeister einreihen? "Er wird in den Top-6 sein", grinst Brawn. Genauer will er sich nicht festlegen: "Nicht in meiner aktuellen Position - das geht nicht."

Red Bull noch dominant?

Dieses Jahr ist es so schwierig wie schon lange nicht mehr, das Kräfteverhältnis einzuschätzen. Mercedes-Pilot Nico Rosberg weicht einer konreten Prognose aus, meint aber: "Ich denke, dass es eine ähnliche Geschichte sein wird wie im Vorjahr. Die Teams, die es zu schlagen gilt, werden die gleichen sein."

Damit spielt er ganz klar auf Red Bull an. Doch er rechnet während des Jahres mit Verschiebungen des Kräfteverhältnisses: "Die Dinge könnten sich im Verlauf der Saison ändern. Wir sollten dem Resultat in Melbourne also nicht zu viel Bedeutung beimessen. Wir wissen, dass sich die Dinge nach Melbourne sehr stark ändern können."

Auch Teamkollege Schumacher sieht Red Bull vorne. "Wahrscheinlich liegen sie an der Spitze, aber alles liegt knapper beisammen. Es wird interessant sein, zu beobachten, ob eine Dominanz übrigbleibt." Als größte Herausforderer des amtierenden Weltmeister sieht er Jenson Button und Lewis Hamilton. "Die beiden McLaren-Fahrer sind wahrscheinlich in der besten Position, um die Spitzenreiter herauszufordern. Sie scheinen gut aussortiert."

Button für Brawn nicht der "ultimativ Schnellste"

Nach seiner tollen Saison wird Vizeweltmeister Button von vielen als aussichtsreicherer McLaren-Pilot angesehen. "Er hatte im Vorjahr eine großartige Saison, das muss man absolut anerkennen", meint sein ehemaliger Weltmeister-Teamchef Brawn. "Er wird vielleicht nicht als der ultimativ Schnellste angesehen, aber er ist sehr effektiv - und das ist die Mischung, die es bei ihm ausmacht."


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Australien


Einen Moment später bemüht sich Brawn, richtigzustellen, dass er Button doch zu den schnellsten Piloten der Königsklasse zählt: "Er ist ein sehr intelligenter Kerl, der sehr schnell ist - bitte nicht missverstehen, er ist extrem schnell. Er passt sich aber gut an, stellt das Auto gut ein und fährt gute Rennen."

Titel-Hattrick: Schumacher wäre stolz auf Vettel

Wenn sich aber Vettel gegen das McLaren-Duo durchsetzt, dann wäre er der erst dritte Pilot, der drei Mal in Serie Weltmeister wurde - nach Juan Manuel Fangio und Schumacher. Das wäre für den Mercedes-Piloten kein Problem: "Ehrlich gesagt finde ich es sehr spannend, was Sebastian erreicht hat und erreichen wird. Er ist ein Freund von mir, und ich kenne ihn schon so lange. Ich habe ihn schon in jungen Jahren unterstützt, und ich wäre sehr stolz."

Sein einstiger großer Rivale Fernando Alonso kämpft derzeit hingegen mit Problemen. Seit seinem WM-Triumph gegen Schumacher im Jahr 2006 ist es dem Spanier nicht mehr gelungen, einen weiteren Titel einzufahren. Auch diese Saison sieht es nicht gut aus, denn Ferrari kämpfte bei den Tests mit dem komplizierten F2012.

"Ehrlich gesagt finde ich es sehr spannend, was Sebastian erreicht hat und erreichen wird." Michael Schumacher

Haug glaubt nicht an Ferrari-Probleme

"Sie haben derzeit wahrscheinlich ein paar Probleme", glaubt Schumacher, schreibt sein Ex-Team aber nicht ab. "Bei Ferrari ist die Aufregung immer sehr groß, wenn sie gerade nicht an der Spitze liegen. Sie haben aber großes Potenzial, sich wieder zu erholen. Das kann jederzeit passieren. Es wird für uns alle interessant und spannend sein, das zu beobachten."

Für Schumacher ist aber klar, dass Alonso an der Ferrari-Flaute keine Schuld trägt: "Im Grunde hängen wir alle von unseren Autos ab. Wir können nur das tun, was uns das Auto erlaubt. Es gibt ein physisches Limit. Da versuchen wir uns so gut wie möglich anzunähern, und wir pushen so hart wir können. Das ist es."

Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug glaubt hingegen, dass die Ferrari-Probleme übertrieben dargestellt wurden und schätzt die Scuderia stärker ein als sein Team. "Wir haben sechs Autos vor uns, die sehr stark sind", verweist er auf Red Bull, McLaren und Ferrari. "Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht denke, dass Ferrari solche Probleme hat wie überall beschrieben wird. Das ist meine Einschätzung und mein Gefühl. Aber es ist nicht einfach, die Situation einzuschätzen."

Räikkönen auf Anhieb schnell?

Und dann wäre da noch Ex-McLaren-Mercedes-Pilot Räikkönen, der sich dieses Jahr nach zwei Jahren Pause erneut in der Formel 1 versucht. Der Weltmeister 2007 ist mit seinen 32 Jahren zwar noch deutlich jünger als Comeback-Vorgänger Schumacher, doch möglicherweise benötigt er ebenfalls eine Anlaufzeit, um sich wieder an die Königsklasse zu gewöhnen.

"Das werden wir herausfinden", ist Schumacher gespannt. "Natürlich unterscheidet sich das von Fahrer zu Fahrer, unter welchen Umständen man aufgehört hat und wieder zurückkehrt." Eine gewichtige Rolle spielt auch der Teamkollege, meint der Mercedes-Star. "Ich hatte mit Nico einen harten Bezugspunkt. Seiner ist eher eine Unbekannte."

"Ich hatte mit Nico einen harten Bezugspunkt. Seiner ist eher eine Unbekannte." Michael Schumacher

Dennoch hat Schumacher seinen ehemaligen Titelrivalen auf der Rechnung: "Das Auto, das ihm zur Verfügung steht, sieht vielversprechend aus. Er und sein Teamkollege waren in der Winter-Vorbereitung stark. Ich weiß also nicht, warum er Probleme haben sollte. Ich wünsche ihm alles Gute."