• 27.06.2003 18:23

Haug: "Gehen mit gutem Beispiel voran"

Interview mit Norbert Haug über Mercedes-Kundenmotoren, das verspätete MP4-18-Debüt und den neuen Qualifying-Modus

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Norbert, mit eurem Billig-Angebot für einen Kundenmotor steht ihr bei vielen auf der Einkaufsliste..."
Norbert Haug: "Ja, ich sehe das auch so. Wir bleiben bei diesem Plan und es ist sicherlich nicht einfach für uns, aber wir glauben, dass wir ein Zeichen setzen und mit gutem Beispiel voran gehen müssen und darum werden wir das auch durchziehen. So sieht der Plan aus. Noch wurde keine Entscheidung getroffen, welches Team wir beliefern werden, aber es geht sicher alles in diese Richtung."

Titel-Bild zur News: Norbert Haug

Laut Haug liefert Mercedes 2004 Motoren für zehn Millionen Dollar aus

Frage: "Bedeutet das, dass ihr nur ein Team ausstatten werdet?"
Haug: "Wir können nicht mehr. Wir müssen schon für ein zusätzliches Team alle Anstrengungen bündeln, das ist wirklich das Maximum. Alles andere würde unsere eigenen Bemühungen beeinträchtigen und das können und wollen wir uns nicht leisten."

Kontakte zu mehr als einem möglichen Kundenteam

Frage: "Ist mehr als ein Team an euch mit der Bitte um Motoren herangetreten?"
Haug: "Ja, wir wurden von mehr als einem Team kontaktiert, aber wir sind dabei noch nicht in die Details gegangen. Das sollte jedoch innerhalb der nächsten sechs Wochen passieren, schätze ich."

Frage: "Würde ein solcher Deal schon nächstes Jahr funktionieren?"
Haug: "Ja. Es wird aber kein Mercedes-Benz-Motor sein, um das klarzustellen. Er wird einen anderen Namen tragen. Das steht fest. Es wird nur ein Team geben, welches West McLaren-Mercedes heißt. Der Kundenmotor würde den Namen eines Sponsors tragen oder einen neuen Namen bekommen, irgendwas in diese Richtung."

Frage: "Es gibt Probleme mit dem McLaren-Chassis, es wird nicht so früh wie geplant kommen. Wie reagiert Mercedes darauf?"
Haug: "Es war der Grundsatzplan, das Auto später in der Saison einzuführen. Das neue Auto ist ein großer Schritt nach vorne. Wir wollten einen sehr großen Schritt machen und haben deswegen viel Forschung und Entwicklung investiert. Es hilft natürlich nicht, wenn man beim Testen zwei Autos verliert. Als starkes Team sind wir aber in der Lage, die einzelnen Teile aneinander zu fügen. Wir werden auf der Rennstrecke zurückkommen und auch bei den Tests und ich glaube immer noch, dass wir einen guten Test in Barcelona haben und den nächsten FIA-Crashtest überstehen werden. Ich spreche darüber sehr offen, weil es viele Gerüchte gegeben hat, aber wir haben den letzten Test erst am Freitag nicht bestanden und nicht früher. Wir werden pushen, wir werden weiter kämpfen. Heute haben wir gezeigt, dass wir noch immer ein gutes Paket haben, und wenn das neue Auto ein weiterer Fortschritt ist, sind wir in einer sehr guten Ausgangsposition. Es ist zwar keine Entschuldigung, aber selbst wenn dieses Auto sehr spät dran ist für dieses Jahr, kommt es für nächstes Jahr sehr, sehr früh. Wenn alles nach Plan funktioniert, wird am Ende des Jahres jeder sagen, dass das eine optimale Vorgehensweise war. Jetzt werden wir kritisiert, doch damit kann ich leben. Wir müssen uns auf unsere Arbeit konzentrieren, mit dem Kopf bei der Sache bleiben. Wir sind ein Team, welches das kann."

"Neuer Motor bedeutet einen weiteren Fortschritt..."

Frage: "Warst du bei den Tests zufrieden mit dem neuen Motor im neuen Chassis?"
Haug: "Naja, wir sind nie zufrieden. Wir wollen immer mehr, das ist klar, aber ich denke, man kann an unserem gegenwärtigen Motor erkennen, dass wir Schritte in die richtige Richtung gemacht haben. Ich denke, das wird sogar Mario Theissen zugeben müssen. Alles geht in die richtige Richtung und das ist positiv. Ein neuer Motor bedeutet einen weiteren Fortschritt und ich mache mir kein Kopfzerbrechen darüber, ob wir unsere Ziele erreichen werden. Natürlich wären wir lieber ein Monat früher dran, aber das wäre doch jedes Team. Die erste Saisonhälfte ist sehr positiv für uns verlaufen. Wir hatten zwei schlechte Rennen in Barcelona und Kanada, obwohl wir in Kanada trotzdem ein paar Punkte geholt haben, und unser Auto war immer in einer Position, um um die ersten beiden Positionen zu kämpfen. Wir hatten vier zweite Plätze, zwei Siege und einen dritten Platz. Das ist nicht so schlecht und wir sind noch im Titelrennen. Wenn wir auch in der zweiten Saisonhälfte so konkurrenzfähig sein könnten, wäre das gut für den Sport, gut für uns und gut für alle, denn eine Dominanz, wie sie Ferrari letztes Jahr hatte, will niemand mehr. Viele andere Teams werden aufschließen, glaube ich. Heute Morgen haben wir gute Performances von Toyota und Jaguar gesehen. BMW und Williams haben sich auch gesteigert und das ist eine viel bessere Weltmeisterschaft als in den letzten Jahren. Das zählt."

Frage: "Welche Veränderungen wünschst du dir angesichts des heutigen Qualifyings für nächstes Jahr?"
Haug: "Naja, solange die besten Fahrer vergleichbare Bedingungen haben, kann man damit leben, aber wenn dadurch beim vorletzten oder letzten Rennen die Weltmeisterschaft entschieden wird, weil plötzlich Regen einsetzt, wird es Kritik hageln, denn niemand wünscht sich so eine Titelentscheidung. Das ist ein Szenario, über das man sehr genau nachdenken muss. Ich muss insgesamt sagen, dass das neue Qualifying, das Qualifying mit Benzin an Bord, sehr gut funktioniert ? besser als erwartet. Es mischt nicht nur das Feld durcheinander, sondern sorgt auch für Überraschungen und man weiß erst im Rennen am Sonntag, wo man wirklich steht. Vielleicht könnte man eine Idee aus der DTM übernehmen, nämlich neun Runden mit drei Reifensätzen zu fahren und dann für die Top 10 noch ein Einzelzeitfahren zu veranstalten. Ich sage aber vielleicht. Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht und heute wäre es nach diesem Modus viel knapper zugegangen und dann hätten sich die Top 10 die ersten zehn Plätze ausmachen können. Das ist keine kurzfristige Lösung, aber wir müssen uns etwas einfallen lassen, damit nicht der Zufall ein Rennen oder gar eine Weltmeisterschaft entscheidet."