Haug: "Es ist einer der süßesten Siege"
Der Mercedes-Motorsportchef ist nach dem ersten Sige für das wiedergedründete Formel-1-Team überglücklich - "Wir sind ein kleines Team mit einem kleinen Budget"
(Motorsport-Total.com) - Norbert Haug war nach dem ersten Sieg für das Mercedes-Team beim Grand Prix von China am Sonntagnachmittag ein gefeierter Mann. 78 Glückwunsch-SMS gingen auf dem Handy des Motorsportchefs ein, der von den Fahrern die verdiente Champagnerdusche erhielt. Und durch die rosa-rote Brille des Erfolges sah sogar ein Pokal made in China gut aus. Im Interview schildert Haug seine Gefühle und hofft, dass sich die Silberpfeile auch in Bahrain in Szene setzen können.

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Geduscht, aber glücklich: Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug (Mitte rechts)
Frage: "Norbert, wie schön war es, heute auf dem Podium zu stehen?"
Norbert Haug: "Sehr schön. Allen voran, weil ich ganz genau wusste, was meine drei Freunde planen. Der Herr Hamilton, der Herr Rosberg und der Herr Button. Das war unausweichlich, deshalb rieche ich jetzt auch so fein. Das ist ein echt tolles Erlebnis."
Frage: "Wie fühlen Sie sich?"
Haug: "Sensationell. Ich danke den Jungs, die so hart gearbeitet und an uns geglaubt haben. Wir erhalten aus Stuttgart jegliche Unterstützung - und unsere Jungs wissen das. Wir sind sehr ehrgeizig, unsere Vorstandsmitglieder sind sehr ehrgeizig."
Frage: "Sie hatten schon viele Erfolgen im Motorsport. Wo ordnet sich dieser ein?"
Haug: "Es ist einer der süßesten Siege, wenn nicht sogar der süßeste. Für Ross (Brawn, Anm. d. Red.) noch mehr als für mich. Und für die Jungs, und natürlich für die Damen."
Der Pokal geht nach Brackley
Frage: "Wo kommt der Pokal hin?"
Haug: "Der kommt zu Ross (Brawn, Anm. d. Red.), zum Team. Sie haben so hart gearbeitet, das verdienen sie. Wir werden sicher eine Kopie für Stuttgart bekommen. Sie glauben an uns. Heute ist ein Tag, an dem wir uns zurücklehnen und genießen können. "
Frage: "Wie stolz sind Sie auf das Team? Sie haben viel Kritik aushalten müssen. Jetzt hat es mit einer Pole-Position, mit einem Sieg und einem dominanten Rennen geklappt."
Haug: "Mit einer Doppel-Pole-Position, bitteschön. Und der Drittschnellste war auch ein Mercedes. Das war gut. Natürlich bin ich stolz. Aber die Kritik am Team ist normal. Davon darf man sich nicht ablenken lassen. Ich würde auch viel von Mercedes erwarten. Jetzt haben wir gezeigt, dass wir etwas können. Es haben viele Teams viel länger für den ersten Sieg gebraucht. Jetzt sollten wir nicht den Mund voll nehmen, sondern uns freuen und dann weiterarbeiten."
Frage: "Der Erfolg tut gut, oder? Das war in den letzten drei Jahren ein Weg, der von vielen als steinig beobachtet wurde."
Haug: "Natürlich. Ich kenne Teams, die jetzt im Hintergrund sicherlich ganz viele Geräusche machen. Die haben fünf Jahre gebraucht, um zu gewinnen. Wir haben zweieinviertel gebraucht. Es gibt viele Teams, die das nicht geschafft haben. Wir haben haben uns das erarbeitet, sind ein kleines Team und haben ein kleines Budget. Trotzdem hält die Truppe zusammen - das habe ich immer gesagt. Wir alle bei Mercedes haben die gleiche Moral, wir erhalten die totale Unterstützung in Stuttgart."
Ab der dritten Runde an den Sieg geglaubt
Frage: "War es nervenzerreißend?"
Haug: "Nein, eigentlich nicht."
Frage: "Ganz easy also?"
Haug: "Es war kontrolliert und schön. Es war eine tolle Strategie, Nico hat einen super Job gemacht und war dominant. So viel zum Thema 'die Reifen halten nicht'."
Frage: "Wart ihr euch da von Anfang an sicher?"
Haug: "Nein."
Frage: "Ab wann haben Sie an den ersten Sieg geglaubt? Ab wann waren Sie sich sicher?"
Haug: "Nach drei Runden. Als es sich stabilisiert hat. Und man muss ja auch an etwas glauben, sonst bekommt man nichts."
Frage: "Hätten Sie gedacht, dass es so wenig Gegenwehr gibt? Der Abstand war so groß."
Haug: "Es war eine ganz clevere Strategie. Wir haben uns aus allem herausgehalten. Wenn wir nicht vorne losfahren, sieht das Spiel ganz anders aus. Da waren viele gleich schnelle Autos. Aber wichtig war, dass sich Nico (Rosberg, Anm. d. Red.) absetzen konnte. Ich glaube, unser Auto ist mit am Besten mit den Reifen umgegangen."
Streckenlayout und Temperaturen passten
Frage: "Nico Rosberg hat eine brillante Leistung gezeigt."
Haug: "Nico war drauf wie das Messer. Wir haben ihm gesagt, dass er die Reifen schonen muss. Er hat es kontrolliert und er hat es unheimlich gut gemacht. Wenn es läuft, dann läuft es."
Frage: "Seid ihr wirklich vorne an der Spitze dabei oder war das das Idealpaket für den Reifen und den Verschleiß?"
Haug: "Das müssen wir abwarten. Das Streckenlayout war ganz gut, die Temperatur war ganz gut. Aber wir haben nichts geschenkt bekommen. Ohne das Problem mit der Radmutter bei Michael hätte es auch einen Doppelsieg geben können. Schade, aber das war schon mal ein gutes Lebenszeichen."
Vom Reifenfresser zum Reifenflüsterer
Frage: "Das nächste Rennen findet in Bahrain statt. Wie stark werden Sie dort sein?"
Haug: "Das kann ich schwer abschätzen, es kommt auf die Temperaturen an. Es ist alles so dicht beieinander. Eine Drei-Stopp-Strategie hat dazu geführt, dass man in den Verkehr gekommen ist. Für zwei Stopps musste man über 20 Runden mit dem Reifen umgehen - wir konnten das. Wir waren bisher die Reifenfresser, jetzt sind wir die Reifenflüsterer."
Frage: "Die Teams müssen heute schon einpacken und es geht nach Bahrain. Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, zu feiern?"
Haug: "Ja, die gibt es. Das machen wir wahrscheinlich in Bahrain. Am Abend wir nicht viel gehen, wir fliegen auch zurück."
Frage: "Ross Brawn hat gesagt, es kämen vielversprechende Teile für die nächsten Rennen."
Haug: "Wir hätten nichts dagegen, wenn es so weiterginge."

