Rosbergs Sternstunde: Sieg vor Button und Hamilton

Ausfall von Michael Schumacher, aber dank Nico Rosberg erstrahlt der Silberpfeil beim China-Grand-Prix erstmals in Gold - Sebastian Vettel auf Platz fünf

(Motorsport-Total.com) - 111 Anläufe hat er gebraucht, aber jetzt ist er endlich Grand-Prix-Sieger: Nico Rosberg, schon seit Jahren als eines der größten Talente der Formel 1 gehandelt, sicherte sich beim heutigen Grand Prix von China in Schanghai seinen ersten Sieg in der Königsklasse des Motorsports. Nach der gestrigen Pole-Position war er auch heute der überragende Mann im "Reich der Mitte".

Titel-Bild zur News: Jenson Button, Lewis Hamilton, Norbert Haug und Nico Rosberg

Eine echte Sternstunde in China: Dreimal Mercedes-Power auf dem Podium

Den Pokal für den siegreichen Konstrukteur, eine gewöhnungsbedürftig aussehende Schüssel im chinesischen Stil, nahm Sportchef Norbert Haug entgegen - mit einem Tränchen der Erleichterung im Auge. Denn für das Mercedes-Werksteam war es der erste Grand-Prix-Sieg seit Juan Manuel Fangio in Monza 1955, und der Name Rosberg steht zum ersten Mal seit Adelaide 1985 in einer Formel-1-Siegerliste. Damals hatte Nicos Vater Keke auf Williams triumphiert.

Drei Mercedes-Motoren auf dem Podium

31 Führungsrunden hatte Rosberg in Schanghai schon 2010 und 2011 erlebt, heute legte er noch einmal 48 drauf - aber wirklich wichtig war nur, dass er beim Überfahren der Ziellinie vorne lag. "Einen kleinen Rutscher haben wir gesehen, sonst nichts. Das war sensationell", lobt Experte Marc Surer. "Das Auto hat mit dem Fahrer harmoniert, und Nico hat das perfekt umgesetzt." Und kam nach 56 Runden 20,6 beziehungsweise 26,0 Sekunden vor den McLaren-Piloten Jenson Button und Lewis Hamilton ins Ziel.

Nico Rosberg

Raketenstart: Polesetter Nico Rosberg kam am besten von der Linie weg Zoom

Pech hatte am Tag der Sternstunde von Schanghai Michael Schumacher: "Als ich in Kurve drei die rechte Seite belastet habe, war mir klar, dass etwas nicht stimmt", berichtet er von seinem Ausfall in der 13. Runde. "Man konnte sehr schnell erkennen warum. Schade. Es tut mir Leid für die Jungs, die sicher ihr Bestes gegeben haben und traurig darüber sind." Dem Unglücksmechaniker ist er aber nicht böse: "Den werde ich nachher mal kräftig drücken!"

Der siebenmalige Weltmeister war auf der Strecke seines bisher letzten Sieges in der Formel 1 (2006 auf Ferrari) unterwegs zu seinem ersten Podestplatz seit dem Comeback, rollte aber unmittelbar nach seinem Boxenstopp aus. Die Rennleitung untersuchte zu allem Überdruss auch noch eine unsichere Freigabe durch die Boxencrew. Aber: Sportchef Haug lenkten hunderte Gratulations-SMS davon ab, dass es kein Doppelsieg wurde...

Von Anfang an souverän

Rosberg sorgte schon am Start für klare Verhältnisse, bog mehrere Wagenlängen vor Schumacher in die erste Kurve ein. In der dritten Runde, als von der Rennleitung DRS freigegeben wurde, hatte er schon 1,1 Sekunden Vorsprung. Von da an fuhr er ein einsames Rennen: "Ich habe meine Reifen gut geschont und hätte jederzeit noch schneller fahren können", berichtet er. Und Haug schmunzelt glücklich: "Wir waren die Reifenfresser. Jetzt sind wir die Reifenflüsterer!"

Romain Grosjean, Felipe Massa

Einmal selbst Opfer, aber am Start fuhr Felipe Massa einem Gegner hinten rein Zoom

In den Top 5 gab es nur zwei Fahrer, die lediglich zweimal an die Box kamen: Sieger Rosberg und Sebastian Vettel. Letzterer lag nach einem konservativen Start nur an 15. Position, fightete sich aber mit soliden Rundenzeiten beständig nach vorne. Trotzdem war er nicht hundertprozentig glücklich: "Die Autos sind mir eher weggefahren auf der Geraden. Da fehlt uns ein bisschen Dampf. Uns fehlen zwei bis drei Zehntel auf Mercedes, alleine auf den Geraden", ärgert sich Vettel.

Der Red-Bull-Pilot lag am Ende in einer sehenswerten Kampfgruppe, eine halbe Minute hinter dem überlegenen Sieger Rosberg, aber weniger als fünf Sekunden hinter einem Podestplatz. Nach dem letzten Boxenstopp nahm er zunächst sogar Kurs auf Platz zwei, doch weil die Zweistoppstrategie seine Reifen abbauen ließ, konnte sich Vettel im Finish nicht mehr gegen Button, Hamilton und seinen Teamkollegen Mark Webber verteidigen.

Vettel mit unterlegenen Reifen

"Ich war in den letzten fünf Runden chancenlos. In den Reifen war nichts mehr drin", bedauert Vettel, der sich an das vergangene Jahr erinnert fühlte, als er in der Schlussphase mit unterlegenen Reifen den Hamilton-McLaren an sich vorbeirasen sah. Trotzdem findet er, dass er nach dem schlechten Qualifying mit dem fünften Platz "ganz zufrieden" sein kann: "Ich konnte sie nicht hinter mir halten, sie waren einfach zu schnell. Wir sind einfach nicht schnell genug."


Analyse mit Motorsport-Total.com-Redakteur Fabian Hust

Interessant: Die beiden McLaren-Piloten, in der Anfangsphase Dritter und Fünfter, fuhren auch ihren zweiten Stint auf weichen Pirelli-Reifen. Der erste Topfahrer, der von Soft auf Medium wechselte, war Webber - und das erfolgreich: Mit seinem harten Satz fuhr der Australier einige schnelle Runden und spielte plötzlich eine Rolle im Kampf um die vorderen Positionen. Beinahe wäre sogar Schumacher nach dem ersten Boxenstopp hinter ihm geblieben.

Ein Stopp weniger als Button

Zwischendurch fuhr dann Button um mehr als zwei Sekunden pro Runde schneller als Rosberg, bis sich abzeichnete, dass der führende Mercedes-Pilot nur noch einmal an die Box kommen würde. Als Button endlich zum letzten Mal an die Box abbog, waren Rosbergs Zeiten aber sogar schneller, sodass der Sieg nie wirklich in Gefahr war. "Es war eine fehlerfreie Leistung von Nico", strahlt Teamchef Ross Brawn. "Wir hatten einen Plan, und der ist perfekt aufgegangen."

Sergio Perez vor Kamui Kobayashi

Das Sauber-Team konnte die hohen Erwartungen heute nicht erfüllen Zoom

"Wir hatten Angst wegen der Reifen, aber er hat sie perfekt genutzt", sagt Brawn und jubelt: "Ich habe in meinem Leben zum Glück schon viele besondere Tage erlebt. Das ist einer davon." Rosberg selbst wirkt erstaunlich cool, wenn er sagt: "Es ist ein unglaubliches Gefühl, ich bin sehr glücklich. Wir haben lange warten müssen, aber jetzt ist der erste Sieg da. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass es heute schon passieren würde."

Erster Gratulant: Lewis Hamilton, den er schon seit gemeinsamen Go-Kart-Tagen kennt. "Ich weiß, dass der erste Sieg ein unglaubliches Gefühl ist", freut sich der Brite, der mit drei dritten Plätzen in drei Rennen in der Fahrer-WM in Führung liegt. "Wir wussten, dass es sehr schwierig wird, Nico zu überholen, wenn er erst einmal vorne ist. Aber ich bin froh, wieder auf dem Podium zu stehen. Unsere Strategie war gut. Ich finde, das war eines unserer besten Rennen."

McLaren-Crew verschenkt möglichen Sieg

Button hätte Rosberg womöglich gefährlicher werden können, wenn nicht seine Crew gepatzt hätte: "Unsere Rennpace war wirklich gut, vor allem auf den härteren Reifen. Aber dann haben wir beim letzten Boxenstopp neun oder zehn Sekunden verloren und ich hatte plötzlich einen Haufen Autos vor mir. Da war gegen Nico nichts mehr zu machen", bedauert er. Und über Rosbergs Sieg sagt er: "Ich denke, es werden noch einige mehr. Aber hoffentlich nicht zu viele!"

Norbert Haug, Nico Rosberg

Tränen in den Augen: Norbert Haug freut sich über den ersten Mercedes-Sieg Zoom

Rosberg musste auf seinen erlösenden ersten Sieg so lange warten wie kaum ein anderer Fahrer in der Formel-1-Geschichte: Mark Webber gewann seinen 130. Grand Prix und ist damit Rekordhalter vor Rubens Barrichello (123), Jarno Trulli (118), Jenson Button (113) und eben Rosberg. Rosberg sen. benötigte nur 49 Anläufe, ehe er sich erstmals in die Mitte des Podiums stellen durfte. "Ich ruf' dich gleich an, Papa", ließ ihm sein Sohnemann via TV-Interview ausrichten.

In der riesigen Kampfgruppe um die Plätze zwei bis 13 kam es in der Schlussphase immer wieder zu kleinen Fahrfehlern und Überholmanövern. Pastor Maldonado (8./Williams) fuhr beispielsweise einmal Felipe Massa (13./Ferrari) ins Heck, Romain Grosjean (6./Lotus) vergab eine bessere Platzierung mit einem Ausritt und auch dessen Teamkollege Kimi Räikkönen hatte sein Pulver verschossen, als er nach einem Fahrfehler immer weiter zurückfiel - Platz 14.

Alonso und Perez diesmal abgeschlagen

Eine solide, aber unauffällige Performance lieferte das Williams-Team ab, das erstmals in dieser Saison beide Autos in die Punkte brachte. Fernando Alonso (Ferrari) erlaubte sich diesmal einen seiner seltenen Fehler - und ermöglichte damit ausgerechnet Sauber-Pilot Sergio Perez, an ihm vorbeizugehen. Ausgleichende Gerechtigkeit für Malaysia war das aber nicht, denn Perez wurde nur Elfter, 2,3 Sekunden hinter dem enttäuschenden Sauber-Geheimfavoriten Kamui Kobayashi.


Fotos: Großer Preis von China, Sonntag


In der Weltmeisterschaft führt nach drei Rennen mit drei verschiedenen Siegern Hamilton, der 45 Punkte, aber noch keinen vollen Erfolg auf dem Konto hat. Zweiter ist Button (43), gefolgt von Webber (36) und Titelverteidiger Vettel (28). Rosberg liegt mit seinen heutigen 25 Zählern an sechster Position. Bei den Konstrukteuren verbessert sich Mercedes damit auf Platz fünf. In Führung: McLaren vor Red Bull. Weiter geht's schon nächste Woche mit dem Grand Prix von Bahrain.

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