• 22.11.2012 23:14

  • von Dieter Rencken

Hamilton: "Weiß nicht, wann ich wieder siegen kann"

Lewis Hamilton erklärt, warum er sich unbedingt mit einem Sieg von McLaren verabschieden will, wieso eine Rückkehr möglich ist und wie er den WM-Kampf sieht

(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton bestreitet in Interlagos sein vorerst letztes Rennen für das McLaren-Team. Nach dem Sieg in Austin will er dem Rennstall nun das perfekte Abschiedsgeschenk machen. Mit welchen Emotionen er in dieses Rennwochenende geht, warum er eine Rückkehr zu McLaren nicht ausschließt und wie er den Titelkampf sieht, erklärt er in der Medienrunde am Donnerstag.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Hamilton geht mit vielen Emotionen in sein letztes McLaren-Wochenende Zoom

Frage: "Lewis, nicht viele Fahrer schaffen, was du vergangenes Wochenende geschafft hast - du hast mit Vettels Red Bull ein auf dem Papier schnelleres Auto geschlagen."
Lewis Hamilton: "Ja, das war ein tolles Wochenende, und die Reaktionen waren großartig. Ich befinde mich seitdem auf einem Hoch. Nach dem Rennen war ich so glücklich, schon, als ich über die Linie fuhr. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so laut geschrien habe. Ich bin froh, dass der Boxenfunk nicht an war. Ich hatte das großartigste Gefühl, als ich über die Linie fuhr - nach so einem harten Kampf. Es war eine tolle Erfahrung für das Team, hoffentlich haben die Leute das Rennen genossen. Ich habe es noch nicht gesehen, aber ich möchte es mir gerne anschauen."

Frage: "Du hast Vettel geschlagen - wie siehst du Fernandos Ausgangssituation?"
Hamilton: "Es wird für Fernando schwer, denn er weiß, dass der Red Bull das bessere Auto ist - seit einigen Jahren. Sie haben es kürzlich geschafft, das Auto wirklich schnell zu machen. Beim letzten Rennen hatten sie Schwierigkeiten, aber es ist ein schnelles Auto. Er weiß, dass ein harter Kampf vor ihm liegt, aber er ist ein wahrer Weltmeister und wird kämpfen, ganz egal, ob er die größte Waffe hat oder nicht. Er wird so hart arbeiten, wie er kann - das gilt auch für Sebastian."

Frage: "Wer wird Weltmeister?"
Hamilton: "Wisst ihr, meine Einschätzung ist so gut wie eure. Ich habe keine Ahnung. Wenn man sich die Fakten anschaut, dann hat Sebastian das bessere Auto. Es sind aber beide fantastische Fahrer. Fernando hatte beim letzten Rennen Probleme mit seinem Auto, aber vielleicht sind sie hier schnell. Sie waren hier immer schnell."

"Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so laut geschrien habe. Ich bin froh, dass der Boxenfunk nicht an war." Lewis Hamilton

Frage: "Auf wen würdest du dein Geld setzen?"
Hamilton: "Ich sage nicht, auf wen ich mein Geld setzen würde. Ich behalte es lieber schweigend in meiner Tasche. Sonst befinde ich mich in Problemen (lacht)."

Frage: "Was war dein bisheriges Highlight der Saison 2012?"
Hamilton: "Es war ein Auf und Ab. Die Siege sind natürlich die Highlights. Das letzte war mit Sicherheit das beste Rennen des Jahres. Ungarn war toll, ich hatte ein großartiges Gefühl. Das gilt auch für Monza, da es sich bei diesem Sieg um einen besonderen Grand Prix für mich handelt. Austin hatte aber das gewisse Etwas. Wenn du als erster Sieger dem Kurs deinen Stempel aufdrückst... Ich erinnere mich, als ich Schumachers Rennen im Fernsehen sah. Die Frage war: Wer hat die Schnellste Runde? Wer ist der Erste, der dieses Rennen gewinnt? Dein Name wird immer dastehen. Es ist cool, dort ein Teil der Geschichtsbücher zu sein."

Hamilton hofft auf ein Trockenrennen

Frage: "Wie schätzt du deine Chancen an diesem Wochenende ein - ist das eine Strecke, wo ihr wie in Austin gewinnen könnt?"
Hamilton: "Ich denke, dass es schwierig sein wird. Ich hoffe, dass das Wetter schön bleibt, aber hier kann der Regen jederzeit kommen. Es wäre großartig, hier zu gewinnen - das ist mir noch nie gelungen. Ich weiß nicht, wann ich wieder ein Auto wie dieses haben werde, mit dem ich gewinnen kann. Ich hoffe daher, dass ich davon Gebrauch machen kann. Der Red Bull ist hier jedes Jahr sehr schnell, Sebastian hat hier schon gewonnen. Ich habe das Gefühl, dass sie mit mehr Abtrieb fahren können. Ich hoffe - und das glaube ich vor allem nach dem letzten Rennen -, dass wir sie schlagen können. Wir waren in Ungarn schnell, was meiner Meinung nach eine ähnliche Strecke ist."

Frage: "Ayrton Senna hat acht Jahre gebraucht, um hier zu gewinnen."
Hamilton: "Bei mir sind es jetzt sechs Jahre. Ich hoffe, dass ich es schneller als Ayrton schaffe. Acht Jahre sind eine lange Wartezeit."

Frage: "Ayrton dein großes Idol. Was bedeutet er dir?"
Hamilton: "Als ich aufwuchs, war Ayrton so ein wichtiger Teil meines Lebens. Wenn ich hierher komme, dann habe ich das Gefühl, dass ich ihm näher bin. Ich bin sehr stolz, in seinem Land zu sein - ich sehe es als sein Land, denn als ich das erste Mal von Brasilien gehört habe, da ging es um Ayrton. Ich kenne diese Strecke hier als historischen Kurs. Als ich begann, Computerspiele zu spielen, da war Brasilien die Strecke, wo ich meistens gefahren bin. Ich spielte das Spiel GP2 meistens in Interlagos. Das ist für mich ein besonderer Grand Prix, der mir sehr am Herzen liegt."

Frage: "Für dich und McLaren ist dieser Kurs ebenfalls historisch."
Hamilton: "Ja, wir haben die Weltmeisterschaft hier gewonnen und verloren. Unsere Bandbreite ging hier vom höchsten Hoch bis zum tiefsten Tief, aber wir haben es bewältigt."

"Unsere Bandbreite ging hier vom höchsten Hoch bis zum tiefsten Tief." Lewis Hamilton

Frage: "Was macht Interlagos so herausfordernd?"
Hamilton: "Es handelt sich um eine historische Strecke, die extrem schnell ist. Es gibt zwar großteils mittelschnelle Kurven, aber die Gerade ist toll, und man kann gut überholen. Die Fans und das Publikum machen das Ganze noch um so viel spektakulärer, denn es gibt die brasilianischen Trommeln, der Rauch in der Luft. Es ist einfach phänomenal, wenn die Stimmung hier überkocht."

Frage: "Was wird hier passieren, wenn es regnet?"
Hamilton: "Dann wird es ein bisschen eine Lotterie. Das erinnert mich an 2008, als ich die Weltmeisterschaft gewonnen habe. Die Ferrari waren damals so schnell, und die Fahrer wechselten von Slicks auf Regenreifen und wieder zurück, man wusste nie, was als nächstes passiert. Es wird sonnig, dann trocknet es ab, dann regnet es wieder. Ich bete für ein Trockenrennen und dass das Auto schnell ist. Wenn das aber nicht passiert, dann werden wir es trotzdem versuchen."

Frage: "Wenn du einen der 20 Kurse dieser Saison wählen müsstest, welcher wäre dann deine Lieblingsstrecke?"
Hamilton: "Der letzte - Austin."

Frage: "Wie gehst du an dieses Wochenende heran?"
Hamilton: "Wie immer - so wie an das letzte Wochenende. Ich bin nur aufgeregt, weil es der letzte Grand Prix der Saison ist, der letzte meiner sechsten Saison. Es ist verrückt, wie schnell die Jahre verstrichen sind - das zeigt, wie wertvoll Zeit ist. Man muss versuchen, das Maximum aus jedem Augenblick zu machen - und das werden wir glaube ich tun."

Frage: "Denkst du dir manchmal: Was wäre, wenn ich jetzt gegen Sebastian und Fernando um die WM kämpfen würde?"
Hamilton: "Ich bin nicht der Was-wäre-wenn-Typ. Es ist wie es ist. Ich bin da Realist. Ich kämpfe nicht um die Weltmeisterschaft, aber ich kann immer noch dieses Rennen gewinnen. Darauf arbeite ich hin."


Fotos: McLaren, Großer Preis von Brasilien


McLaren-Abschied mit Wehmut

Frage: "Viele Leute mit McLaren-Klamotten sagen, dass sie dich nächstes Jahr vermissen werden. Spürst du das?"
Hamilton: "Das ist natürlich schön, dass sie das sagen. Ich werde sie auch vermissen. Es war eine tolle Reise, gemeinsam mit Jenson McLaren zu helfen, Rennen zu gewinnen. Ich habe gerade gehört, dass McLaren seit 1966 mit diesem Sieg mehr Rennen gewonnen hat als Ferrari. Meiner war der 181. Sieg und der 100. von Martin (Whitmarsh, Anm.). Ich bin stolz, dazu beigetragen zu haben und das Team um diesen einen Schritt in Führung gebracht zu haben. Es handelt sich um ein großartiges Team, ein großartiges Unternehmen. Ich fühle mich sehr privilegiert, in den vergangenen sechs Jahren in dieser Position gewesen zu sein. Ich hatte diese tolle Chance."

Frage: "Du kommst hier zum letzten Mal in McLaren-Klamotten ins Fahrerlager. Wie fühlt sich das an?"
Hamilton: "Wenn man darüber als letztes Mal nachdenkt, dann ist es ein sehr seltsames Gefühl. Es ist in vielerlei Hinsicht auch sehr traurig, aber ich möchte dafür sorgen, dass ich jeden Moment genieße. Es wird hart. Es ist das Ende einer Ära - hoffentlich folgt in meinem Leben jetzt ein gutes zweites Kapitel. Oder zweites Buch. Das aktuelle ist aber etwas ganz Besonderes."

Frage: "Wie möchtest du dich vom Team und von den Mechanikern verabschieden?"
Hamilton: "Mit einem weiteren Sieg - das ist mein Plan. Ich werde mich aber nicht hier vom Team verabschieden, sondern in der kommenden Woche, wenn ich in die Fabrik zurückkehre."

"Der Abschied ist in vielerlei Hinsicht auch sehr traurig." Lewis Hamilton

Frage: "Spielst du dich mit dem Gedanken, einmal zu McLaren zurückzukehren?"
Hamilton: "Ich weiß es nicht. Man sollte niemals nie sagen. Ich hatte großartige Zeiten, und es wird immer meine Heimat bleiben. Das hoffe ich zumindest. Ich werde es immer als meine Heimat betrachten, wo alles begann. Zurückzukehren, wäre eines Tages sicher schön, aber ich möchte auf meinem Weg andere Dinge kennenlernen. Es ist, als würde ich von Zuhause eine Reise machen. Ich mache das jetzt einfach für ein anderes Unternehmen."

Frage: "Hast du die Entscheidung, zu Mercedes zu gehen, schon bereut?"
Hamilton: "Nein. Ich bin wirklich froh darüber. Man sollte nichts bereuen. Wenn man eine Entscheidung trifft, dann muss man es durchziehen. Ob es falsch oder richtig ist - man muss das Beste daraus machen, weiter auf seine Stärken setzen und hoffen, dass man die Trendwende schafft."

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