Hamilton: Lob von Whitmarsh, Rat von Coulthard

Während McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh Lewis Hamilton mit Ayrton Senna vergleicht, hat David Coulthard eine Theorie, woran es dem vielkritisierten Briten fehlt

(Motorsport-Total.com) - Hamilton steht diese Saison stark unter Beschuss. Immer wieder ist der McLaren-Pilot in Kollisionen auf der Rennstrecke verwickelt, scheidet dadurch aus oder fasst dafür Strafen aus. Der Titelkampf war somit rasch gelaufen - auch in Singapur ging die schwarze Serie des Briten weiter, als er sich im Duell mit Felipe Massa den Frontflügel abfuhr, dessen Hinterreifen aufschlitzte und dann auch noch eine Durchfahrts-Strafe abbüßen musste. Der Brasilianer reagierte daraufhin fuchsteufelswild und unterbrach seinen Rivalen später während eines Interviews.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, David Coulthard

David Couthard hat eine Idee, woran es bei Lewis Hamilton mangelt

Doch McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh findet, dass sein Pilot für seine Aktionen im Übermaß kritisiert wird, obwohl auch er ihn teils für "zu ungestüm" hält. Er verweist gegenüber 'Daily Mail' auf die Vergangenheit: "Schauen wir uns doch mal die vergangenen 20 Jahre an: All diese mutigen angriffslustigen Fahrer geraten mit anderen Piloten aneinander."

"Man erinnere sich an Ayrton Senna: Als junger Mann hatte er mit Sicherheit nie einen Unfall, der sein Fehler war", spielt er darauf an, dass sich die McLaren-Legende bei Kollisionen stets im Recht sah. "Es war immer jemand anderer schuld. Er hatte ein riesiges Selbstvertrauen und er geriet mit vielen Fahrern aneinander. Bei Michael ist es immer noch so. Sie sind nicht hier, um Freundschaften zu schließen."

Whitmarsh stellt sich hinter Hamilton

Damit will er aber nicht sagen, dass sich Hamilton bewusst Feinde macht: "Ich glaube nicht, dass er hier ist, um sich mit jemanden zu verfeinden, aber ein Auto vor ihm ist immer eines, an dem er vorbeikommen muss - und man überholt nicht ohne ein gewisses Risiko. Wenn es gelingt, bist du der Held, wenn nicht, dann musst du dich selbst hinterfragen."

Whitmarsh lobt Hamilton dafür, dass er den Streit mit Massa nicht nachträglich eskalieren ließ: "Lewis war enttäuscht, aber er ist ein unverwüstliches Individuum. Er hat sich entschlossen, eine Sache hinter sich zu lassen, die sehr gut auch in einem Scharmützel hätte enden können. Das war die richtige Entscheidung."

"Ich glaube nicht, dass er hier ist, um sich mit jemanden zu verfeinden." Martin Whitmarsh

Dass Massa in Singapur so wütend reagierte, mag stark übertrieben gewirkt haben, wenn man sich bloß den Zwischenfall im Nachtrennen ansieht. Doch den Ferrari-Piloten und Hamilton verbindet eine lange Rivalität - 2008 schnappte der Brite dem Brasilianer bei seinem Heimrennen in letzter Sekunde den Titel weg. Die beiden kollidierten damals in China, diese Saison endete ein Duell von Massa und Hamilton in einem Crash des Ferrari-Piloten im Tunnel von Monaco.

Coulthard glaubt nicht an Eiszeit zwischen Hamilton & Massa

Für David Coulthard, der Michael Schumacher einmal auf der Strecke den Stinkefinger zeigte, war die Reaktion Massas beim TV-Interview des Weltmeisters 2008 dennoch zu viel des Guten. "Ich denke, dass es Felipe nicht hätte tun sollen, mit Sicherheit nicht vor der Kamera, aber ich kann seinen Frust verstehen", so der Schotte in seiner Kolumne im 'Telegraph'. "Er kämpft um sein Ferrari-Cockpit und die Kollision während des Rennens war - obwohl sie unglücklich war - klar der Fehler von Lewis. Dennoch war es keine Böswilligkeit und es wäre nicht notwendig gewesen, der Sache so viel Gewicht zu geben."

Coulthard schließt aus, dass die Beziehung zwischen Hamilton und Massa nun endgültig in einer Feindschaft ausartet. "Glaubt mir: Bei einigen Fahrer hätte so eine Schlag auf die Schulter eine ewige Eiszeit bedeutet", verweist er auf Massas Aktion vor laufender Kamera. "Aber er zählt nicht dazu. Felipe ist ein netter Kerl, sehr beliebt bei den Fahrern, und keiner, der nachtragend ist. Ich kann mir keinen weniger bedrohlichen Typen als Felipe vorstellen und es wird sich bald legen."

"Glaubt mir: Bei einigen Fahrer hätte so eine Schlag auf die Schulter eine ewige Eiszeit bedeutet." David Coulthard

Benötigt Hamilton eine Vertrauensperson?

Dennoch wird Hamilton auch in Zukunft bei seinen Manövern auf der Strecke besonders beäugt werden. Und freilich auch außerhalb des Cockpits, denn Vater Anthony Hamilton sieht das Umfeld seines Sohnes als Ursache für das teils unglückliche Verhalten des Superstars. Lewis Hamilton wird von Simon Fullers Firma XIX gemanagt - auch andere Topstars wie David Beckham stehen unter Vertrag des Briten. Aus diesem Grund wird Hamilton von wechselnden Mitarbeitern betreut.

Doch genau darin sieht Vater Hamilton, der vor Fuller als Manager seines Sohnes fungierte, das Problem. "Jeder Pilot hat seinen eigenen Manager, nur Lewis nicht", argumentiert er gegenüber der 'BBC'. "Das Management ist zweifellos sehr gut, aber in der Formel 1 brauchst du bei all dem Druck eine intensive persönliche Betreuung. Es muss konstant ein und dieselbe Person um dich herum sein. Ich kenne keinen Fahrermanager, der einfach mal jemand anders schickt."


Fotos: McLaren, Großer Preis von Singapur


Dieser These kann auch Coulthard einiges abgewinnen: "Ich kenne nicht alle Einzelheiten von Lewis' Aufstellung bei XIX Enertainment, ich kann aber aus eigener Erfahrung sprechen und ich bin grundsätzlich Anthonys Meinung: In der Formel 1 ist man Teil eines Wanderzirkus und dennoch ist man oft alleine. Die intensiven Hochs und Tiefs der Rennaction, die enorme Konzentration, die man im Cockpit aufbringen muss, und die ständige Bedrohung durch Gefahren werden von der Stille und Einsamkeit des nächsten gesichtslosen Hotels abgelöst. Man reist ständig, befindet sich in unterschiedlichen Zeitzonen, ist nie zuhause - all das kommt zusammen."

Wie Coulthard das Problem löste

Aus diesem Grund vertraute Coulthard auf die Geschicke des ehemaligen Formel-1-Piloten und Managers Martin Brundle. "Ich beschäftigte ihn nicht nur als Manager, weil ich Schotte bin und weiß, dass ich ihn nicht bezahlen muss, um die Rennen zu besuchen, weil er ohnehin da ist, sondern weil ich wusste, dass er all das bereits kannte, was mir bevorstand. Er wusste, wie es läuft, kannte die technische Seite, die Medien-Seite und wusste, wer die Hauptpersonen sind. Er wusste, was ich auf und neben der Strecke erlebe. Wir waren und sind Freunde - das ist sehr wichtig."

Der ehemalige McLaren-Pilot gibt ein Beispiel, wie wichtig es ist, auf Personen zu bauen, die mit der Formel-1-Materie vertraut sind. "Vor dem Rennen am Sonntag sprach ich auf Wunsch eines Sponsors mit Lewis. Davor wollte mich der Sponsor auf das Interview vorbereiten und mir sagen, welche Bereiche ich meiden und welche ich anschneiden sollte. Ich musste sie stoppen und sagte: 'Keine Sorge - ich weiß, wie es läuft. Ich weiß, worüber er einige Stunden vor dem Rennen sprechen wird und worüber nicht.' Wäre ich jemand gewesen, der nicht so Formel-1-beschlagen ist, dann hätte das womöglich zu unnötigen Spannungen geführt."

"Wenn es nicht läuft, dann benötigst du jemanden, der sich mit dir hinsetzt und absolut ehrlich mit dir spricht." David Coulthard

Coulthard sieht davon ab, Hamilton einen Wechsel des Managements vorzuschlagen, er stellt aber klar, dass er für sich eine andere Variante als XIX bevorzugen würde: "Ich benötigte jemanden, dem ich vertrauen konnte, und den ich immer bei mir wusste. Das muss gar kein Manager sein, sondern jemand, der für dich kämpft, denn jeder ist in guten Zeiten schnell dein Freund. Wenn dies aber nicht der Fall ist, dann benötigst du jemanden, der sich mit dir hinsetzt und absolut ehrlich mit dir spricht. Und dir sagt, wenn du ein Idiot bist. Wenn du harte Zeiten erlebst, benötigst du einen Freund."